Ei­ne Il­lu­si­on von Nä­he

Kolumne

Publikationsdatum
14-04-2016
Revision
14-04-2016

Ein bisschen seltsam erscheint dieses Arrangement schon: Wo eigentlich Fische in ihrer Umgebung herumschwimmen sollten, putzt dieser Froschmann mit einem Unterwasserstaubsauger und einem Haushaltsbesen aus Plastik die Algen von den Steinen. Fasziniert betrachtet die Zuschauerin, wie er sich umständlich und schwerfällig im Wasser bewegt und dabei sorgfältig darauf achtet, keine ­der fragilen Korallen zu verletzen. Auch er wirft ab und zu in Gegenrichtung einen Blick durch ­seine trüben ­Taucherbrillengläser in ­den Zuschauerraum. 

Ausser diesem stummen Blickwechsel ist für die beiden Gegenüber, ­die sich keine 50 cm voneinander entfernt befinden, kein Kontakt möglich. Auf der einen Seite der dunkle, ­karge Publikumsraum, auf der anderen die exotische Unterwasserwelt. Für einmal halten sich da jedoch nicht unterschiedliche Spezies auf, die einander nicht verstehen würden, sondern gleiche. Die Situation verdeutlicht, wie künstlich das Ausstellen von Meerestieren in Aquarien ist.

Die Tätigkeit des Tauchers ­führt untrüglich vor Augen, was man eigentlich weiss, aber zur Seite schiebt: dass das, was einem hier vorgegaukelt wird – eine natürliche Unterwasserlandschaft – in Tat und Wahrheit bloss eine künstliche, isolierte Kulisse ist.

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Magazine

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