Der Turm im Pfarr­haus

Kolumne

Publikationsdatum
30-06-2016
Revision
30-06-2016

Abgrenzen oder annähern? Geht es um das Mit- und Nebeneinander von historischem, möglicherweise geschütztem Bestand und zeitgenössischem Neubau, wechselt die Doktrin alle paar Jahre. Ein pragmatischer, aber überraschend poetischer Beitrag zum Thema findet sich im Pfarrhaus im urnerischen Bürglen. Auf den ersten Blick ein Holzhaus, verbirgt es in seinem Innern einen harten Kern. Bürglen stand im Mittelalter unter der Herrschaft des Zürcher Klosters Fraumünster und wurde von einem Meier verwaltet. Im Dorf gab es vier gemauerte Wohntürme, in denen die Beamten inklusive den von ihnen eingezogenen Naturalien untergebracht waren.

In voller Pracht finden sich die Bauten heute nur noch im Gemeindewappen: ­Einer der Türme ist baufällig, einer bildet die Grundmauern eines Hotels. Einer hat Karriere gemacht und beherbergt das gerade neu eröffnete Tellmuseum. Und einer formiert das steinerne Rückgrat des Pfarrhauses, dessen Holzkonstruktion einfach ­um den Turm herum gebaut wurde. Das prachtvolle Turmzimmer mit in den Täfer integrierten Gemälden ist heute ein Gästezimmer, die alten Bruchsteinmauern sind immer ­noch im Weinkeller zu sehen. 

Bestehendes zu integrieren und mit neuer ­Bedeutung zu füllen – ein wahrhaft katholischer Ansatz.

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