Schwei­zer Wäl­der be­rei­ten An­lass zur Sor­ge

Der kürzlich veröffentlichte Waldbericht der Schweiz lässt aufhorchen. Nach einer eher ruhigen Periode von 2005 bis 2015 mehrten sich in den letzten zehn Jahren die Probleme. Entscheidend ist, dass sich der Wald an die künftigen Klimabedingungen anpassen kann. 

Publikationsdatum
06-05-2025

Drei Tage vor dem Internationalen Tag des Waldes präsentierten das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) den Waldbericht 2025. Der Bericht erscheint alle zehn Jahre und fühlt dem Wald den Puls. 

Die Autoren und Autorinnen stellen fest, dass Extremereignisse wie Hitze, Trockenheit, Stürme und Schadorganismen dem Wald im vergangenen Jahrzehnt stark zusetzten. In Kombination mit hohen Stickstoffeinträgen aus Verbrennungsprozessen und der Landwirtschaft ist der Gesamtzustand des Waldes als «geschwächt» einzustufen. Regional, etwa in Teilen des Juras, schätzen ihn die Fachleute sogar als «kritisch» ein. 

Keine Waldkatastrophe

Rolf Holderegger, Direktor der WSL, wollte bei der Präsentation des Berichts jedoch nicht von einer Waldkatastrophe sprechen. Die Probleme seien aber offensichtlich. Ein geschwächter Wald vermöge nicht zu leisten, was von ihm erwartet werde, gab er zu bedenken. Laut Holderegger ist es die Aufgabe der Wissenschaft, Fakten zu liefern. Um Veränderungen im Wald und deren Ursachen auf die Spur zu kommen, brauche es eine langfristige Beobachtung.   

Stürme, Hagel, Frost und Trockenheit

Aufschlussreich ist ein Rückblick auf besondere Ereignisse, die den Wald in der Schweiz seit 1990 «heimgesucht» und geprägt haben. In den 1990er-Jahren ereigneten sich mit den Winterstürmen Vivian (Februar 1990) und Lothar (Dezember 1999) zwei Hammerschläge. In der Folge nahm während einiger Jahre die Zahl der von Borkenkäfern befallenen Fichten massiv zu. Der Hitzesommer 2003 hinterliess im Schweizer Wald noch keine grossflächigen Spuren. In einigen Regionen wie etwa dem Wallis starben jedoch viele Föhren. 

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Danach war es während zwölf Jahren relativ ruhig. Im Nachhinein könnte man sagen, es war die Ruhe vor dem Sturm. 2015 setzte dem Wald eine ausgeprägte Frühjahrstrockenheit zu. 2017 war es ein Spätfrostereignis, das die jungen Triebe vieler Bäume schädigte. 2018 ereigneten sich die Stürme Burglind und Vaia. 2021 ein massiver Hagelschlag im Sommer. Und schliesslich die Trockenheit im Sommer 2018, 2019, 2022 und 2023. Die Kadenz nimmt zu. 

Hitzesommer 2018 als Wendepunkt

Heute bezeichnen viele Waldfachleute die Hitze und Trockenheit im Sommer 2018 als Wendepunkt. Seither sind die Spuren im Wald unübersehbar. Aufgrund des flächigen Absterbens von Bäumen rief die Regierung des Kantons Jura 2019 den Zustand einer Waldkatastrophe aus. 

Der Blick richtet sich heute oft auf die Folgen des Klimawandels. Die Ursachen der gegenwärtigen Entwicklung greifen aber tiefer und umfassen zusätzlich die Belastung der Ökosysteme mit Schadstoffen, deren Überdüngung oder das vermehrte Auftreten von Schädlingen und invasiven Arten. 

Resiliente und multifunktionale Wälder 

«Um unsere wertvollen Wälder zu erhalten, müssen wir sie fit machen für die Zukunft», sagte die Direktorin des BAFU, Katrin Schneeberger. Die Herausforderungen sind vielfältig. Laut Michael Reinhard, dem Leiter der Abteilung Wald beim BAFU, ist das Ziel ein angepasster und resilienter Wald. Seine Vitalität und Gesundheit seien zentral. Die Erhaltung der Multifunktionalität der Wälder sei nur durch eine aktive Anpassung der Wälder an den Klimawandel unter Beachtung der Grundsätze des naturnahen Waldbaus möglich. Dabei gelte es die neuen Realitäten zu beachten: «Wir müssen lernen, mit Störungsereignissen zu leben», so Reinhard.

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Dies führt zu zentralen Fragen: Was kann in unseren Waldökosystemen kostengünstig über natürliche Anpassungsprozesse erfolgen? Wo und wann ist aktives Handeln und Lenken nötig? Und wann ist ein Eingreifen womöglich sogar kontraproduktiv? Zur Beantwortung dieser Fragen sind praxis- und anwendungsorientierte Forschungsprojekte unerlässlich. 

Grundlage für neue Bundesstrategie

Der Waldbericht, der nun nach 2005 und 2015 zum dritten Mal erschienen ist, bietet einen guten Überblick. Laut Schneeberger bilden die Schlussfolgerungen des Waldberichts die Grundlage für die «Integrale Wald- und Holzstrategie 2050», die der Bundesrat noch dieses Jahr verabschieden soll und die den Handlungsrahmen für die Zukunft abstecken wird.

Entlastungspaket 27 gefährdet Waldforschung und -pflege

Gleichzeitig mit dieser neuen Strategie wird im Rahmen des Entlastungspakets 27 über schmerzhafte Budgetkürzungen im Bereich der anwendungsorientierten Forschung, der Bildung sowie der Waldpflege diskutiert. Dies könnte zum Bumerang werden. In einer Stellungnahme unterstrich WaldSchweiz, der Verband der Waldeigentümer, der Bund dürfe sich nicht aus der Verantwortung nehmen.

Wald ist «too big to fail»

Geld allein genügt jedoch nicht. Ein kluges Vorgehen unter Berücksichtigung der naturnahen Waldbewirtschaftung, wie sie in der Schweiz seit Jahrzehnten angestrebt wird, und die Beachtung der vielfältigen Wechselwirkungen im Ökosystem Wald sind mindestens so entscheidend. Es steht viel auf dem Spiel. Sehr treffend formulierte es WSL-Direktor Rolf Holderegger: «Der Wald ist mehr als eine Ressource – er ist ein wichtiger Bestandteil unserer Zukunft.» Mit rund 12700 km2 sind 31 % der Schweizer Landesfläche bewaldet. Der Wald ist «too big to fail».

Weitere Informationen:
BAFU: Waldbericht 2025