SIA: Ar­chi­tek­tur zum Spre­chen ge­bracht

Dass Architektur wie Kunst für sich sprechen möge, ist ein frommer Wunsch. Ungeachtet solcher Vorbehalte gegen ­Architekturvermittlung hat das Kindermuseum Creaviva im Berner Zentrum Paul Klee nun einen Architektur-Spaziergang eröffnet.

Publikationsdatum
11-09-2014
Revision
05-11-2015

Lange Zeit herrschte im etablierten Kulturbetrieb grosse Skepsis gegenüber Kulturvermittlung. Kunst wollte man machen und nicht Pädagogik: Erfolgreiche Initiativen zur Kulturvermittlung, aber auch die Bindung öffentlicher Gelder an entsprechende Angebote haben inzwischen ein Umdenken herbeigeführt. Offenbar aber hat die These, Kunst müsse für sich sprechen, immer noch Fürsprecher. Im Fall der Architektur geht die Banalisierungsangst sogar häufig noch mit der gut gemeinten Aufforderung einher, «über Architektur sollten doch bitte jene sprechen, die sie machen». Das berichtete zumindest Urs Rietmann, Leiter des Kindermuseums Creaviva im Zentrum Paul Klee, bei der Eröffnung eines neuen Architektur-Spaziergangs am 1. Juli 2014 in Bern.

Nicht zum ersten Mal wagt sich die Vermittlungsstelle des Kunstzentrums an die Architekturvermittlung. Bereits seit Frühjahr 2011 lädt das Creaviva Schulklassen und Lehrkräfte aus der ganzen Schweiz zu entsprechenden Workshops ein. Der nun eröffnete Architektur-Spaziergang bietet Besuchern des Zentrums Paul Klee ortsspezifische Anstösse, sich mit Gebäuden und umgebender Landschaft auseinanderzusetzen, unabhängig davon, ob sie auch ins Creaviva gehen.

Den Auftakt zu insgesamt zwölf Stelen macht eine Tafel zur Formfindung. Unter der Überschrift «Kontext: Vom Finden der Form» lassen sich die Reliefs von drei Bergketten ertasten, die Renzo Piano zur wellenartigen Konzeption des Zentrums Paul Klee inspiriert haben sollen. Stele 5 im Innern des Gebäudes ist mit einem Feldstecher versehen und lädt die Besucherinnen und Besucher ein, das Museum genauer zu inspizieren. Das Motto lautet hier «Konstruktion: Zwischen Normen, Regeln und Gestaltungskraft». Ebenfalls im Innern des Hauses fordert Stele 8 mit einem drehbaren Materialwürfel dazu auf, dem Thema «Wie Charakter entsteht» nachzuspüren. Den Schlusspunkt setzt Stele 12 mit einem leeren Rahmen, der den Blick auf die Baukunst lenkt, verbunden mit der Frage «Alles nur Ansichtssache ». 

Die übrigen Stelen widmen sich den Themen «Genius Loci», «Vom landschaftsbildenden Element zur 5. Fassade», «Erschliessung», «Licht», «Architektur», «Nutzung», «Geometrisches Konzept» und «Topografische Einbindung». Zur Veranschaulichung dienen hier Pläne, Fotos, Zitate, ein Guckrohr oder auch vier Gucklöcher vor unterschiedlichem Hintergrund. Vier der Stelen befinden sich vor dem Zentrum Paul Klee, zwei dahinter und sechs im Innern, sodass die Promenade Bauwerk und Landschaft miteinander verbindet.

Der Spaziergang ist als «sich verändernde Installation auf der Grundlage von Rückmeldungen» geplant, so Urs Rietmann bei der Eröffnung. Es bleibt also spannend, wie sich die Architekturvermittlung im Zentrum Paul Klee weiterentwickelt. 

Wer schon jetzt einen Besuch plant, kann gleich zwei weitere Angebote mit Architekturbezug berücksichtigen. Noch bis Mitte Oktober läuft im Zentrum Paul Klee die Ausstellung «Paul Klee. Raum Natur Architektur», die rund 120 Werke aus der Sammlung in einem neuen Kontext zeigt. Ebenfalls bis Mitte Oktober lädt die interaktive Ausstellung «So lang wie breit» ein, im Creaviva mit mehr als 1000 Doppelmetern Holz an einem dynamischen Gebilde mitzubauen. 

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