«Lei­den­schaft ist der Kraft­stoff un­se­res Be­rufs»

Interview mit dem neuen SIA-Vorstandsmitglied Simone Tocchetti

Als Nachfolger von Nathalie Rossetti wurde jüngst ­Simone Tocchetti in den Vorstand des SIA gewählt. Mit welchen Stärken er beim Auswahlverfahren gepunktet hat und wofür er sich einsetzen möchte, verrät er im Gespräch.

Publikationsdatum
09-06-2017
Revision
09-06-2017

SIA: Herzliche Gratulation – seit der Wahl an der Delegiertenversammlung im April sind Sie nun Mitglied des SIA-Vorstands. Was war Ihre erste Amtshandlung?
Simone Tocchetti: Noch habe ich nichts Offizielles übernommen – ausser vielleicht dieses Interview … Gern möchte ich mich zu­erst gut informieren: bei meiner Vorgängerin Nathalie Rossetti, beim Präsidenten der Tessiner Sek­tion und vielen ­anderen Personen.

SIA: Warum haben Sie sich für das Amt beworben?
Simone Tocchetti: Das waren zwei Punkte, die mich dazu bewogen haben. Ich habe viel vom SIA profitiert, als ich als junger Architekt angefangen habe. Gern möchte ich dem Verein etwas zurückgeben. Zum zweiten finde ich es sehr wichtig, dass man sich engagiert. Und im SIA kann ich mich am besten einbringen für eine lebenswerte Baukultur.

SIA: Mit welchen Vorteilen haben Sie bei der Findungskommission gepunktet?
Simone Tocchetti: Weil ich eine Frau bin! (Lacht.) Nein, das ist wohl das ein­zige Kriterium, das ich nicht er­füllen konnte. Als Bauingenieur und Architekt, als Tessiner und Zürcher habe ich vermutliche viele Punkte, die der Findungskommission wichtig waren, erfüllt.

SIA: Wofür werden Sie sich im ­Vorstand engagieren?
Simone Tocchetti: Gern werde ich mich für die Entwicklung der Raumplanung einsetzen. Und dies nicht nur mit Blick auf die nächsten zwei Jahre, sondern mit einem grösseren Zeithorizont. Zudem möchte ich mich stark machen für das Projekt «Die Schweiz 2050», auch wenn mir noch nicht klar ist, wohin die Reise mit diesem Vorhaben genau führt. Und das Thema «Beschaffung und Vergabe» liegt mir am Herzen. Da unser Büro öfter für die öffentliche Hand arbeitet, kann ich hier aus eigener Erfahrung sprechen. So entsteht Baukultur auch aus guten Regeln, an die sich alle halten, und über den Preis, den man bereit ist zu bezahlen.

SIA: Sie sind Bauingenieur und ­Architekt: Sind Sie ein Vermittler zwischen den beiden Disziplinen?
Simone Tocchetti: Ich bin kein Vermittler, ich bin einer, der beides beherrscht. Ich verstehe mich als jemanden, der das Bauen meistern möchte, und plädiere dafür, dass noch enger zusammengearbeitet wird. So auch bei den Berufsgruppen des SIA. Für mich ist die Leidenschaft der Kraftstoff unseres Berufs – da mache ich keinen Unterschied zwischen Ingenieur und Architekt. Ich plädiere für eine engere und bereichernde Zusammenarbeit.

SIA: Nach Nathalie Rossetti sind Sie wieder das altersmässig jüngste Vorstandmitglied, und auch Sie stammen aus dem Tessin. Gibt es eine neue Generation von Tessinern, die verstärkt die Verbindung zur übrigen Schweiz suchen?
Simone Tocchetti: Es ist purer Zufall, dass wir beide aus dem Tessin stammen, in Zürich studiert haben und lustigerweise sogar beide den gleichen Arbeitgeber hatten – allerdings nicht zur gleichen Zeitpunkt. Vielleicht liegt es eher daran, dass wir beide energievolle Menschen sind.

SIA: Die vermehrte Nutzung des Digi­talen schreibt man den jüngeren Vertreterinnen und Vertretern oft zu. Wie haben Sie es mit der Digi­talisierung?
Simone Tocchetti: Als ich bei S.O.M. am Hauptsitz in Chicago ge­arbeitet habe, wurden dort rund 20 Prozent der Projekte mit Building Information Modelling (BIM) gemacht, in ihren New Yorker Büros jedoch 90 Prozent der Projekte. Doch die Projekte, die berühmt wurden, stammten alle aus Chicago … Persönlich zeichne ich gern von Hand, nutze aber für die Kommuni­kation gern alle möglichen digitalen Hilfsmittel. Wichtig finde ich, dass man nicht Opfer der Digitali­sierung wird, sondern selber entscheidet, was man wofür und wann nutzt, so auch BIM.

SIA: Bleibt Ihnen denn neben all diesen zusätzlichen ­Aufgaben auch noch Zeit für ein Privatleben?
Simone Tocchetti: Es wird eine grosse Herausforderung, alle Ansprüche unter einen Hut zu bringen. Glücklicherweise ist mein Architektur- und Bauingenieurbüro so aufgestellt, dass ich zeit­intensive Sachen abgeben kann und alles trotzdem gut weiterläuft.

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