Im An­den­ken an Prof. Her­bert Gru­bin­ger

Data di pubblicazione
23-11-2018
Revision
23-11-2018
Fritz Zollinger
Dipl. Kultur-Ing. ETH/SIA, bis April 2017 Präsident der SIA Berufsgruppe Umwelt

Herbert Grubinger verstarb, trotz seines hohen Alters von fast 96 Jahren eher unerwartet, am 16. Juni 2018 in seiner geliebten Sommerresidenz in Kärnten. Der Professor für Kulturtechnik an der ETH in Zürich wurde am 11. September 1922 in Wien geboren, wo er auch aufwuchs, die Schulen besuchte und die Matura machte. 1941 begann er sein Studium der Kulturtechnik an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. Dieses wurde aber durch seinen viereinhalbjährigen Militärdienst an der russischen Front unterbrochen. Nach eigenen Aussagen überlebte Grubinger wahrscheinlich nur, weil er schwer verletzt durch eine Granate via Lazarett von der Front abgezogen wurde. Metallsplitter in seinem Körper liessen ihn später das Leben lang an den Kriegsdienst zurückdenken. 1947 konnte er an der BOKU mit dem Ingenieurdiplom abschliessen.

Nach einigen Jahren praktischer Ingenieurarbeit vor allem in den Salzburger Bergen (Güterstrassen- und Seilbahnbau, Wildbachverbauung, Wasserversorgung) zog es Grubinger zurück an die BOKU, wo er sich als Vorlesungs- und Forschungsassistent mit Studien in den Donauebenen unterhalb Wiens (Hydrogeologie und Wasserwirtschaft) befasste. Daneben war er beteiligt an der Wiederinbetriebnahme einer Aussenstelle des Instituts für Landwirtschaftlichen Wasserbau. Institutsvorsteher Prof. J. Kar förderte die Neugier des jungen Wissenschaftlers, indem er ihn die Hydrogeologie des Marchfelds von etwa 1000 km2erforschen liess. Die österreichische Bundesregierung hat Grubinger später für seinen ehrenamtlichen Einsatz zum Erhalt der berühmten Donaupassage Wachau als Weltkulturerbe mit dem «Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse» ausgezeichnet.

Varianten einer Grossraumbewässerung führten nicht nur zu einer Doktorarbeit, sondern später auch zur Habilitationsarbeit und zu einem zweiten Studium der Geologie an der Universität von Wien. 1959 kam Grubinger ins Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft und wurde dort sog. «Amtstechnischer Sachverständiger» bei der «Obersten Wasserrechtsbehörde». Damit war allerdings die Karriere in seinem Heimatland beendet, da Grubinger auf den 1. April 1960 zum Professor für Kulturtechnik an die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) in Zürich gewählt wurde. Dort hielt er Vorlesungen in verschiedenen Abteilungen, insbesondere aber in der Abteilung Kulturtechnik und Vermessung, der er bis 1984 vorstand. Ende 1988 beendete Grubinger seine Vorlesungstätigkeit, nachdem er über 20 Jahrgänge von Kulturingenieuren massgebend ausgebildet hatte.

Besondere Anliegen waren Grubinger nachhaltige Bodenmeliorationen, naturnaher Wasserbau und die Vorsorge gegen extreme Naturereignisse. In unzähligen Exkursionen, Studienreisen und Diplomkursen hat er seinen Schülern das interdisziplinäre Denken beigebracht und gelehrt, dass das Beobachten der gewachsenen und sich langsam oder extrem schnell verändernden Natur wichtiger ist als das Kalkulieren, Berechnen und Theoretisieren. Von der Ursachenforschung über die Analyse von Ereignissen, Schäden und Folgen zu den Folgerungen und Lösungsvarianten führte er nicht nur seine Studenten, sondern auch Behördenmitglieder und Tagungsteilnehmer. Eine seiner Devisen lautete: «Wenig reden und theoretisieren, lieber Probleme lösen!»

Herbert Grubinger gehörte 1968 zu den Gründungsmitgliedern von Interpraevent. Mit seiner langjährigen Tätigkeit als Leiter des Wissenschaftlichen Beirats – viele Jahre zusammen mit Prof. Herbert Aulitzky (BOKU Wien) – und im Vorstand erwarb er sich die Ehrenmitgliedschaft von Interpraevent. Es war Herbert Grubinger und allen Feiernden ein besonderes Vergnügen, dass er am 50-Jahre-Jubiläum von Interpraevent im vergangenen April noch eine 20-minütige Festansprache halten durfte.

Herbert Grubinger war an der ETH Gründungsmitglied des ersten interdisziplinären Nachdiplomstudiums, das sich mit Fragen der kulturtechnischen Strukturverbesserungen in Entwicklungsländern befasste, dem sog. INDEL/NADEL. Die Schweizerische Gesellschaft für Ingenieurbiologie verdankt Grubinger Hilfe bei ihrer Gründung und ihr erstes Sekretariat. 

Wir Schüler und Freunde bewunderten Herbert Grubingers unglaublichbreites, geschichtliches, humanitäres, naturwissenschaftliches Wissen. Überall schlug er Brücken zu anderen Fachgebieten und in die europäische Geschichte der letzten Jahrzehnte und bis zurück in die K.-u-k.-Zeit. Unser Lehrer – immer im weissen Labormantel und mit «Mascherl» – dachte extrem liberal und weltoffen. «Braune» Ideen, Diktaturen, fremdenfeindliches Denken waren ihm ein Gräuel. Immer wieder rief er uns auf, die Natur zu beobachten und von ihr direkt zu lernen, statt zu theoretisieren, Formeln zu erfinden und zu berechnen! 

Gern sei abschliessend der Holzbauprofessor Jörg Schneider zitiert, den bis zuletzt eine langjährige Freundschaft mit dem Verstorbenen verband: «Herbert Grubinger stand zeit seines Lebens mit Begeisterung sowohl auf der praktischen als auch auf der lehrenden Seite des Ingenieurberufs. Das zeigte sich zuallerletzt in seinem 2015 erschienenen, 700 Seiten starken Lehrbuch «Basiswissen Kulturbautechnik und Landneuordnung». Ich kann hier nur meiner Bewunderung Ausdruck verleihen: Ein 93 Jahre alter Mensch ist noch fähig, in einem reich bebilderten Buch in enzyklopädischem Geist alle natur-, ingenieur- und geisteswissenschaftlichen Dimensionen seines Denkens niederzulegen! Dieses Werk wird die Fachwelt noch lang konsultieren.»