Schwei­zer Clean­tech für die USA

Der US-Bundesstaat Massachusetts forciert seit einigen Jahren den Ausbau des Cleantech-Bereichs. Insbesondere die Harvard University hat sich ehrgeizige Ziele bei der Reduktion der CO -Emissionen gesetzt. Bei der Umsetzung dieser Zielvorgaben erhalten die Verantwortlichen auch Unterstützung von Schweizer Ingenieurunternehmen und Herstellern, da die Praxiserfahrung vor Ort teilweise fehlt.

Date de publication
07-11-2013
Revision
30-10-2015

Der Bundesstaat Massachusetts an der Ostküste der USA hat grosse Ambitionen im Bereich von Cleantech und Nachhaltigkeit. Im Jahr 2008 wurde mit dem «Massachusetts Clean Energy Center» eine öffentliche Institution geschaffen, die den Aufbau der Cleantech-Branche fördert, beispielsweise mit der Beschaffung von Risikokapital. Gleichzeitig ist sie auch selbst unternehmerisch tätig und betreibt unter anderem das weltgrösste Wind Testing Center. Entsprechend nahm die Zahl der Arbeitsstellen im Cleantech-Bereich im vergangenen Jahr in Massachusetts deutlich zu, allein im Fachbereich Engineering und Forschung um 32.4%.

Energy Reporting für Bostons Gebäude

Boston, die Hauptstadt von Massachusetts, will ihre CO2-Emissionen bis ins Jahr 2020 um 25% gegenüber dem Stand von 2005 reduzieren. Per 2012 wurde bereits eine Reduktion von 11% erreicht. Der CO2-Ausstoss pro Einwohner liegt aber immer noch bei 11.3t CO2/a, während es in der Schweiz derzeit ca. 4.8t CO2/a sind.

In Boston gehen 71% der CO2-Emissionen auf das Konto der Gebäude. Als eine Massnahme zur Erreichung des Reduktionsziels hat der Stadtrat daher im Mai 2013 für alle Gebäudeeigentümer die Verpflichtung zu einem jährlichen «Energy Reporting» im Betrieb eingeführt – eine Idee, die der SIA für die Revision der MuKEn 2014 (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich) in der Schweiz ebenfalls vorgeschlagen hat. 

30% CO2-Reduktion in 10 Jahren

Die 1636 gegründete Harvard University in Bostons Nachbarort Cambridge hat sich ebenfalls vorgenommen, CO2-Emissionen und Energiebedarf stark zu reduzieren: Der bestehende Campus für die 21.000 Studierenden mit seinen rund 1.6 Mio. m2 Gebäudeflächen soll bis zum Jahr 2016 30% weniger CO2 ausstossen als zehn Jahre zuvor, als der Wert bei rund 282.000t CO2/a bzw. 176kg CO2/m2, a lag. Der sehr hohe Energiebedarf von rund 889GWh/a (548kWh/m2, a) soll gleichermassen reduziert werden. Er wird etwa zur Hälfte durch die Laborflächen verursacht.  

Diese Ziele zu erreichen dürfte allerdings schwierig werden. Bis 2012 betrug die Reduktion der CO2-Emissionen erst 16%, wobei im selben Zeitraum auch zusätzliche 300.000m2 an Gebäudeflächen dazugekommen sind. Weitere 140.000m2 neue Gebäudeflächen sollen in den nächsten Jahren im Teil des Harvard Allston Campus südlich des Charles River entstehen. Dazu kommt, dass die Strategie bisher weitgehend auf der Hüllensanierung und der Effizienzsteigerung der bestehenden Systeme lag. Hingegen gibt es bis jetzt nur ein einziges Gebäude auf dem Campus, das mit einer Erdwärmesondenwärmepumpe beheizt wird. 

Schweizer Beratung

Derzeit beraten drei Schweizer Ingenieurunternehmen das zuständige «Harvard Office for Sustainability». Vermittelt wurden diese Kontakte durch Switzerland Global Enterprise (SGE, ehemals OSEC) bzw. swissnex Boston. Swissnex hat die Aufgabe, Wissenschaft, Bildung, Kultur und Innovation aus der Schweiz in den global massgebenden Regionen zu fördern und zu vernetzen und ist weltweit an sechs weiteren Standorten vertreten.

Zunächst hat die Amstein + Walthert AG im Rahmen der Masterplanung für die Erweiterung des Harvard Allston Campus das Potenzial für einen Anergieverbund mit saisonaler Speicherung zur Kühlung und Heizung – ähnlich wie auf dem Campus der ETH Science City – sowie dezentraler PV-Strom-erzeugung mit Power-to-Gas-Speicherung analysiert. Damit soll die weitgehend erdgasbasierte Fernwärme mittelfristig abgelöst und der bisher zu 77% fossil erzeugte Netzstrom noch stärker als bisher substituiert werden.

In einer zweiten Phase ist vorgesehen, diese erste, grobe Analyse kommendes Jahr im Rahmen einer Studie zu vertiefen. Gleichzeitig wird die Intep AG ein Benchmarking zu den bestehenden und künftigen Labels und Standards durchführen, da die Universität an einem Überblick über die jeweiligen Zielsetzungen und Kosten interessiert ist. Die Ernst Basler & Partner AG wird ausserdem ein gesamtheitliches Sanierungskonzept für zwei konkrete Testobjekte ausarbeiten. Bei den zu einem grossen Teil denkmalgeschützten Backsteingebäuden auf dem Campus sind Aussendämmungen keine Option. Eine klassische Innendämmung würde hingegen die wertvollen Nutzflächen unnötig einschränken. In einem Testprojekt soll daher in den nächsten Monaten ein von der Empa entwickelter und von der Schweizer Firma Fixit AG seit Frühjahr 2013 vertriebener, aerogelbasierte Dämmputz eingesetzt werden. 

Wenig Erfahrung in den USA

Die Gespräche und die Besuche vor Ort haben gezeigt, dass der Wille und das Potenzial für eine Transformation der Gebäude und der Gebäudetechniksysteme hin zu mehr Nachhaltigkeit bei allen Verantwortlichen vorhanden ist. Gleichzeitig ist allein der quantitative Umfang immens und die Umsetzung aufgrund der fehlenden Praxiskompetenz insbesondere bei den ausführenden Firmen eine der grössten Schwierigkeiten.

Insofern wären die USA und besonders der uns technisch-kulturell ähnliche sowie wirtschaftlich potente Ostküstenstaat Massachusetts ein Eldorado für Schweizer Architekten und Gebäudetechnikingenieure sowie Cleantech-Unternehmen. Ob «Cleantech made in Switzerland» auch im Bereich der Planung zum Exportschlager werden kann, wird sich zeigen und hängt nicht zuletzt von den verfügbaren personellen Ressourcen im gleichermassen angespannten Heimmarkt ab.

Étiquettes
Magazine

Sur ce sujet