SIA: Grosse He­raus­for­de­run­gen − grosse Chan­cen

Zukunftsweisende Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den USA: Ansprachen von US-Botschafterin Suzan LeVine und Bundesrätin Doris Leuthard unterstrichen den Rang der Swiss-US Energy Innovation Days.

Date de publication
21-09-2015
Revision
05-11-2015

Nach den ersten Swiss-US Energy Innovation Days 2014 in Boston haben das Bundesamt für Energie BFE, der SIA und die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften vom 19. bis 21. August auf dem Zürcher Toni-Areal erneut eine Plattform ­geschaffen, um im Bereich der Gebäudeenergie länderübergreifend Wissen und Erfahrungen auszutauschen und Geschäftsbeziehungen zu sondieren. Insgesamt 400 Vertreterinnen und Vertreter namhafter Institutionen und Firmen aus beiden Ländern waren der Einladung gefolgt. 130 Personen nahmen an den Workshops der ersten beiden Kongresstage teil – zu den Themen Gesellschaft & Ökonomie, Energietechnologie, Mobilität sowie Architektur & Raum.

Nachmittags standen jeweils Exkursionen zu modellhaften Projekten auf dem Programm, die das Gebäude in Systemen wie auch das Gebäude als System ins Zentrum rückten; unter ihnen der «your+ Prototyp» der Hochschule Luzern, das Suurstoffi-Areal in Rotkreuz oder das Pilot- und Demonstrationsobjekt NEST der Empa in Dübendorf. Besuche bei innovativen Energietechnikfirmen wie Siemens in Zug und IBM in Rüschlikon sowie abendliche Empfänge durch die Standortförderungen der Kantone Zug und Zürich rundeten das Programm ab.

Durchlässigkeit zwischen Berufslehre und Studium

An den verschiedenen Statio­nen beeindruckten nicht nur technische Errungenschaften wie der neue NODES-Modellprüfstand für Arealvernetzungen der Hochschule Luzern die Gäste aus den USA, sondern auch wichtige Rahmenbedingungen wie das duale Schweizer Bildungssystem, das sich durch die Durchlässigkeit zwischen Berufslehre und Studium auszeichnet, und die gelebte Interdisziplinarität und Zusammenarbeit von Forschung und Praxis. Wie die an der Hochschule Luzern gesammelten Erkenntnisse aus der Forschung zur nachhaltigen Arealentwicklung unmittelbar in der gebauten Realität Anwendung finden, konnte bei einem Rundgang auf dem Suurstoffi-Areal anhand seines Anergieverbunds, seiner saisonalen Speicherung für Heizen und Kühlen sowie seines Betriebsmonitorings für rund 160.000 m2 Geschossfläche eindrücklich gezeigt werden.

Die Swiss-US Energy Innovation Days 2015 boten jedoch auch für die Schweizer Seite durchaus überraschende Erkenntnisse: Das «AIA Commitment 2030», mit dem das American Institute of Architects (AIA) seine Mitglieder seit einigen Jahren in die Pflicht zur CO2-Reduktion nimmt, imponierte Arno Schlü­ter, ETH-Professor und Moderator des Workshops Architektur & Raum. Mit Unterzeichnung des Commitments bekennen sich die Mitglieder des AIA dazu, alle ihre Projekte bis 2030 CO2-neutral zu gestalten. Ein Reporting- und Benchmarkingsystem zu den realisierten Projekten soll weitere Mitglieder dazu animieren, es ihren Kollegen gleichzutun.

Bedenkt man jedoch, dass in den USA nur wenige Prozent der Gebäude von Architekten aus­geführt werden, zeigen diese Be­mühungen bezogen auf den ge­samten Gebäudepark zunächst wenig Wirkung. Daher sucht der AIA parallel den Dialog zu Investoren und Bauherren – und erläutert ihnen mögliche Strategien und Massnahmen zu CO2-neutraler Gestaltung. In seiner Workshop-Zusammen­fassung hob Schlüter dieses mo­dellhafte Vorgehen hervor – ein unübersehbarer Wink an den SIA als Mitorganisator der Veranstaltung. 

Ist Obamas «Clean Power Plan» erfolgreich?

US-Botschafterin Suzan LeVine gab sich in ihrem reich mit Grafiken und Zahlen gespickten Vortrag alle Mühe, die jüngsten Anstrengungen der Vereinigten Staaten im Zug des «Clean Power Plan» der Obama-Adminis­tration ins beste Licht zu rücken: Um 17 % wollten die Vereinigten Staaten die Emission von Treibhausgasen bis 2020 gegenüber 2005 senken, sagte LeVine. 

«Das ist alles gut und recht, aber führt der ‹Clean Power Plan› auch tatsächlich zum gewünschten Ziel?», entgegnete Bundesrätin Doris Leuthard in ihrer nachfolgenden Rede. Bei einer CO2-Reduktion von 17 % sei noch viel Luft nach oben. Als politisches Signal der Vereinigten Staaten sei der Plan sicher hilfreich, auch mit Blick auf die bevorstehende Klimakonferenz in Paris. Je­doch seien die USA nach wie vor der mit Abstand grösste CO2-Emittent – nicht nur absolut, sondern auch pro Kopf der Bevölkerung. Doris Leuthard liess keinen Zweifel an der Dringlichkeit der zu bewältigenden Aufgaben: «Wir müssen uns darüber klar sein und anderen klar machen, was es uns kostet, wenn wir weiter leben wie bisher!», so die Bundesrätin. Daher wandte sie sich an Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter: «Involve the Public – beziehen Sie so gut wie möglich die breite Öffentlichkeit mit ein, erklären Sie die Zusammenhänge!», appellierte Leuthard an die Wissenschaftler und Unternehmer.

Diese Erkenntnis wurde auch in den Workshops deutlich: Eine Diskussion unter gleichgesinnten Experten bringt wenig, wenn das entsprechende Wissen und Bewusstsein nicht bis zur Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vordringt, wo letztendlich die Weichen zur Umsetzung gestellt werden; so lautete eines der Voten in der Schlussdiskussion mit den Workshopmoderatoren. Mündige Energieakteure heranzuziehen durch spezifische Bildung und Information war ein zentrales, daraus abgeleitetes Ziel. 

Mehr Rendite durch schlanke Gebäudetechnik 

ETH-Präsident Lino Guzzella unterstrich den Zusammenhang zwischen Energiewende, Ökologie und Ökonomie: «Wenn Sie etwas verändern wollen, dann muss sich das auch rechnen.» Die Wirtschaft gewinne man am leichtesten für Innovationen, wenn sie auch deren Nutzen sehe – als Beispiel stellte er das Projekt «3for2» der ETH in Singapur vor, wo aufgrund des Tropenklimas bei konventionellen Bürohäusern bis zu 70 % der Gebäudeenergie auf die Klimatisierung entfallen. Mit sehr smarter Technik konnte bei einem neu entwickelten Bürohausprototyp die Klimatechnik stark abge­rüstet werden. Weil dadurch die Doppelbodendecken für Lüftungskanäle entfallen, kann pro zwei Geschosse ein ganzes Geschoss mehr errichtet werden – deshalb der Name «3for2». «Das ist der grosse Charme dieses Projekts – es reduziert CO2 und rechnet sich für den Bauherrn!», freute sich Guzzella. 

Auch mit Betriebsoptimierungen liesse sich mit überschaubarem Aufwand sehr viel CO2, Energie und damit auch Geld sparen, betonte Empa-Chef Peter Richner, als er die Ergebnisse des Workshops «Energy Technologies – Buildings and Districts» zusammenfasste. In diesem Bereich fehle es den amerikanischen Partnern bisher an Anwendungserfahrung – aus Richners Sicht ein Ansatz für Kooperationen.

Anwendungswissen trifft auf Forschungsexzellenz 

Der länderübergreifende Austausch zeigte, dass die Vereinigten Staaten noch ganz am Anfang des Wegs stehen, den die Schweiz seit über drei Jahrzehnten geht. Ganz am Anfang steht auch die amerikanisch-schweizerische Zusammenarbeit in diesem Bereich. Die Potenziale sind in beiden Fällen gross: Die leistungsfähige amerikanische Forschungslandschaft und Institutionen wie das Massachusetts Clean Energy Center, das seit 2009 «grüne» Unternehmen und Aktivitäten vernetzt, versprechen in Verbindung mit den Praxiskenntnissen der Schweizer Energiebranche interessante Synergien.

Nicht zuletzt deshalb bestand unter den Teilnehmenden Einhelligkeit, dass die 2. Swiss-US Energy Innovation Days ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu gemeinsamen Innovationen waren. Ein Erfolg, an den 2016 angeknüpft werden soll, turnusgemäss wieder in den USA. Gleich vier US-Regionen haben sich für die ­dritte Ausgabe der Veranstaltung beworben – der Wettbewerb um den Austragungsort der nächsten Swiss-US Energy Innovation Days ist eröffnet. 

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