Un­schätz­ba­re Wer­te

Publikationsdatum
03-02-2017
Revision
03-02-2017

Neulich in Warschau. Beflissen mühe ich mich, dem Unesco-­Welt­kulturerbe Stare Miasto – der nach der nahezu vollständigen ­Zertrümmerung durch die deutsche Wehrmacht auf Geheiss der Sowjets pedantisch genau wiederaufgebauten Altstadt samt Königsschloss – mehr abzugewinnen als einige auf Postkarten längst wohlfeile Motive. Neben Schulklassen suchen hier vor allem Reisende aus Fernost das vermeintlich alte Polen. Doch sauber rekonstruiert ist noch lang nicht authentisch. 

Ganz anders das Gefühl jenseits der Weichsel im alten, armen Stahlarbeiterviertel Praga-Północ. Um seine Strassenzüge hat der postsozialistische Skyscraper-­Boom des Bahn­hofs­viertels einen gehörigen Bogen gemacht. An den Block­randbauten sind neben Madonnennischen und Ein­schuss­löchern aus dem Krieg Brandmauerbemalungen in XXL zu ­ent­­decken. Genera­tionenalte Bäume bemächtigen sich der Hinterhöfe. Ostberlin 1990 lässt grüssen. 

Warum nimmt mich diese brüchige Aura sofort gefangen, während ich auf dem moskautreuen, stadtbildprägenden Pałac Kultury und zwischen den vertrauten Markenfilialen der modernen Shoppingmalls fremdele? Das Geheimnis liegt wohl in jener Patina, die sich mit keinem ideo­logischen Nachdruck und keinem Geld der Welt herbeizaubern lässt. 
 

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