Lo­nely High­way Blues

Publikationsdatum
05-08-2019

Als öV-Pendler hat man es nicht leicht. Im Winter friert man auf zugigen Bahnhöfen und fängt sich in den vollen Verkehrsmitteln sämtliche verfügbaren Erkältungen ein. Im Sommer hingegen staunt man über die Technik in den Waggons, wenn statt der Kühlung mal wieder die Heizung auf Hochtouren läuft und die Endsta­tion «Kreislauf­kollaps» heisst.

In solchen Momenten sehne ich mich insgeheim nach meinem kleinen alten Auto. Mit dem bliebe ich zwar im Stau stecken, aber immerhin wüsste ich, wer die Sitze vollgeschwitzt hat. Aber gut, das Welt­klima … So nehme ich doch wieder den Zug – wohl oder übel.

Als ich an einem heissen Juniabend mein Rad in der Velo­station am HB Zürich abstelle, die 75 Minuten im stickigen Zug bereits vor Augen, komme ich mir aber doch etwas verhöhnt vor. Auf einem Bildschirm, der eigentlich die Zug­abfahrten anzeigen sollte, prangt das Foto einer endlosen geraden Strasse ohne ein einziges Auto darauf. Ich spüre den erfrischenden Wind förmlich in meinen Haaren. Anscheinend teile ich diesen ökologisch unkorrekten Traum mit dem System-adminis­trator der Abfahrtstafeln. Bestimmt auch ein Pendler. Und völlig klar, warum auf der Strasse keine Menschenseele unterwegs ist: Die sitzen alle in meinem Zug.

Verwandte Beiträge