Von Va­sen und flie­hen­den Vi­tri­nen

 «Helga», das Schweizer Fachtreffen für Szenografie und Kommunikation im Raum, ist ein Erlebnis für sich. Die stärkste Botschaft ist: Den Mitteln, mit denen sich Geschichten erzählen lassen, sind keine Grenzen gesetzt.

Publikationsdatum
08-11-2022

Die Welt der Szenografie ist gespalten. Da gibt es einerseits die Fraktion, die auf das haptische Erleben setzt und in ihren Inszenierungen möglichst ohne Technik auskommt. Auftraggebende sind zum Beispiel Tourismusverbände oder auch technisch orientierte Firmen, die eine nahbare Seite zum Ausdruck bringen möchten.

Und andererseits gibt es die Expertinnen und Experten, die die Besuchenden mit interaktiven Lichtinstallationen empfangen und sie bisweilen in eine virtual reality entführen. Beim Treffen der Szenografen-Szene in den Räumen des Fachbereichs Spatial Design der Hochschule Luzern – Design & Kunst Mitte Oktober stiessen Vertreter dieser beiden Herangehensweisen aufeinander. Besonders interessant sind dabei die Felder, in denen beide Welten verschmelzen. In der anregenden Umgebung der Viscosistadt ergaben sich zwischen den Vortragsreihen Gelegenheiten zur Entwicklung von Kooperationen über die Grenzen der Fachgebiete hinweg.

Auch das Vortragsformat «Pecha Kucha» selbst, in dem die Kurzdarstellungen von 16 Szenografie-Studios erfolgten, arbeitet mit den Mitteln der «Konträrfaszination»: Anstelle von aneinandergereihten Projektpräsentationen, die die Referierenden vorlesen und damit die Geduld des Publikums strapazieren, ging es hier um einen höchstens 8-minütigen und möglichst unkonventionellen Beitrag. Und weil hier Experten der Inszenierung am Werk waren, gestalteten sich einige Präsentationen von dem gewünschten «Blick hinter die Kulissen» unterhaltsam und vielseitig.

So fragte das Büro «Erlebnisplan» das Publikum, welche der unwahrscheinlichen Episoden aus ihrem Büroalltag sich wirklich so abgespielt haben könnte. Am Schluss beruhten sie alle auf Tatsachen– so wurde es jedenfalls behauptet. Das Büro Skeno öffnete seinen privaten Zettelkasten, einen Fundus an Ideen, die noch auf ihre Umsetzung warten und als Quelle von Inspirationen durchaus anregenden Charakters waren. So zum Beispiel einen Vorhang, der automatisch mal nach rechts, mal nach links wandert oder sich ganz zusammenzieht und auf diese Weise immer neue Blicke freigibt. Oder eine Vitrine, die vor sich nähernden Besuchenden flüchtet.

Die Arbeit der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte bewegt sich auf einer abstrakteren Ebene. Ihre Interpretation der Nachhaltigkeits-Maximen heissen Reset, Reuse und Replay. Bezogen auf das Kuratieren kann das die Neufassung einer Sammlung, das Wiederbenutzen von bis dato leblosen Ausstellungsgegenständen wie einer Vase und die Aufforderung zum spielerischen Umgang mit Bestand bedeuten. Anhand dieser Methode beschäftigt sich das Büro mit architektonischen, sammlungsspezifischen und vermittlungstechnischen Fragen an Orten des Weltkulturerbes.

Ganz in digitalen Welten bewegt sich hingegen das Büro «-naut». Die Attraktionen, die Besuchende verlässlich anziehen, kann das Team schnell benennen: Waffen und Lichteffekte. Daher bedient es sich dieser Zugänge, um zu Interaktionen zu verführen. Wie für die Besucherschar am eigenen Leib zu erfahren war, lässt sich mit den eigenen Mobiltelefonen eine digitale Rakete ins All steuern. Auf eine ausgefeilte virtuelle Welt, in der die Technologie im Hintergrund wirkt, setzt das Büro «iart», das den Besucherpavillon auf dem Novartis-Gelände in Basel gestaltet hat. Im Mittelpunkt steht ein personalisiertes, experimentelles Erlebnis, dessen komplexes Wesen der Besuchende nicht wahrnimmt. Auf diese Weise tritt die tatsächliche räumliche Umgebung wieder in den Vordergrund.

Das Thema, das alle verbindet und der Szenografie zugrunde liegt, ist das Erzählen und Illustrieren von Geschichten. Wenn es einer Inszenierung gelingt, die Besuchenden zu involvieren und Emotionen hervorzurufen, ist das Ziel erreicht. Überraschende Formate jenseits der Erwartungen führen zu einer tieferen Auseinandersetzung mit den Themen. Den darstellenden Mitteln sind hierbei keine Grenze gesetzt.

Die einzelnen Vorträge können auf der Helga-Webseite angeschaut werden.