Ein­tau­chen un­ter Wel­len

Die neue Schwimmhalle der Stadt Bern von Semadeni Architekten mit ihrem 50-Meter-Becken ist gross, aber wirkt von aussen schlicht und überragt die umliegenden Bauten kaum. Einzig neun Dachwellen deuten die Nutzung an. Doch der Schriftzug «Schwimmhalle» über dem Eingang macht klar: Hier ist das lang erwartete Hallenbad.

Publikationsdatum
30-10-2023

Der Entwurf stammt von Armon Semadeni Architekten aus Zürich die beim Architekturwettbewerb im Juni 2018 den ersten Preis errungen haben. Das langgestreckte Bauvolumen ist von der Strassenfront leicht zurückgesetzt und markiert mit dem so entstandenen Vorplatz den Empfang für die Gäste. Eine Treppe und eine Rampe führen zum etwas höher gelegenen Eingang und zu einem hausinternen breiten Steg, der in der Halle die um ein Stockwerk tiefer gelegenen Schwimm- und Sprungbecken quert und zu den Garderoben führt. Darauf befindet sich der Kassenbereich. Nicht nur die Orientierung fällt so leicht, es entsteht mit diesem Ausblick in die Schwimmhalle ein stimmiger Auftakt für das kommende Badevergnügen, und es weckt die Lust auf ein Eintauchen ins frische Nass.

Vielseitige Nutzung

Die Schwimmhalle beherbergt mehrere Becken, als Herzstück das 50-Meter-Becken, ein Lehrschwimmbecken, ein Mehrzweckbecken mit Sprungturm und einen Wasserspielbereich für Kleinkinder mit einer Chromstahl-Rutsche in Form eines kleinen Elefanten. Zwei Whirlpools mit Sprudel- und Massagedüsen laden zur Erholung ein. Für Gehbehinderte steht, dank der Unterstützung der Stiftung Cerebral, ein Pool-Lift zur Verfügung.

Das 50-Meter-Becken lässt sich durch zwei motorbetriebene mobile Trennelemente mit Startblöcken auf unterschiedliche Weise nutzen. So etwa sind zehn Bahnen à 50 Meter oder 20 Bahnen à 25 Meter möglich, ebenso eine Abtrennung von 33 Metern für Wasserballsport oder Synchronschwimmen. Das 50-Meter-Becken und das Mehrzweckbecken bestehen aus Chromstahl. Das Lehrschwimmbecken, das Kinderplanschbecken und der Whirlpool sind mit Platten belegt. Die verschiebbaren Brücken werden durch Luftdruck in Führungsschienen am Beckenboden bewegt und lassen sich bei Bedarf in vordefinierten Positionen fixieren.

Nebst solchen mechanisch betriebenen Nutzweisen wartet der Ausbau auch mit fest verbauten Details auf, die witzige Situationen auslösen – so im langen Korridor zu den Garderoben eine Reihe von tief gelegenen, verglasten Bullaugen, die wartenden Kindern Sitznischen mit Sicht in die grosse Halle bieten.

Investitionen in einen nachhaltigen Betrieb

Sämtliche Becken sind mit fortschrittlicher Technologie ausgestattet, die optimale Wasserqualität sichern. Das gebrauchte Bade-und Duschwasser wärmt über einen Wärmetauscher das frische Badewasser. Beheizt wird die Schwimmhalle mit Fernwärme. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach soll auf 3'500 m2 Fläche eine Jahresleistung von 536’000 KW-Stunden erbringt – entsprechend einem Jahresverbrauch von 192 Privathaushalten. Das gebrauchte Badewasser wird entchlort und dient als Zweitnutzung zur Gebäudereinigung und für das Bewässern der Fussballfelder.

Die grossen Filteranlagen und Lüftungsmonoblocks wurden bereits im Rohbau per Kran eingebracht, geschützt und nach der Überdeckung angeschlossen. Adelmo Pizzoferrato, Projektleiter Hochbau der Stadt Bern, erklärte an der Eröffnung, dass bei einem möglichen späteren Ersatz die Anlagen vor Ort zerlegt und via Warenaufzug entsorgt würden. Ob die Anlagen künftig auswechselbar sind, oder ob die Halle später gesamthaft eine neue Technik benötigen wird, ist zum heutigen Zeitpunkt offen. Als erstes Hallenbad der Schweiz erfüllt die Schwimmhalle Neufeld den Standard Minergie-P-Eco.

Standort mit sinnvollen Synergien

Die dem Projekt vorausgehende Suche nach einem geeigneten Standort war gemäss Stadträtin Franziska Teuscher aufwendig und dauerte einige Zeit. Zur Diskussion standen das Gaswerkareal im Marzili nahe der Aare sowie das für eine Wohnbebauung vorgesehene Mittelfeld im Norden der Stadt. Letztlich fiel der Entscheid für den Standort Neufeld. Den Ausschlag dafür gaben insbesondere die damit verbundenen möglichen Synergien mit dem dort bestehenden Zentrum für Sport und Sportwissenschaften der Universität Bern. So entstand im Neufeld durch Verdichtung und Neuordnung ein vielseitiger «Sportcluster».

Aufgeräumt und neu geordnet

85 m lang und 52 m breit ist die neue Schwimmhalle. Ihre Höhe beträgt von der Bodenplatte bis Unterkante Dach 16.35 m, im Schwimmbereich ist die lichte Höhe vom Wasserspiegel zur Unterkante Dach 8.735 m. Die Halle und vor allem auch ihre technischen Anlagen sind in grossen Teilen unter Terrain im Boden versenkt. Das Gebäude ragt so bloss noch zwischen rund 7 und 9.5 Meter über Terrain und ist damit den im Quartier vorherrschenden Bauhöhen angepasst.

Um das zu ermöglichen, mussten vor Baubeginn die bestehenden Sportfelder aufgeräumt und neu geordnet werden. Von Juni bis September 2020 wurde der Kunstrasen des Universitätssportgeländes entfernt, die Stehtribüne rückgebaut, eine Stützmauer abgebrochen und die Kanalisation verlegt. Gleichzeitig erfolgte der Abbruch des Clubhauses und der Tennisanlage.

Die sechs Tennisplätze wurden westlich der Schwimmhalle neu erstellt und mit einem Padel-Tennisplatz und einem Pickleball-Platz ergänzt. Die Räume des Tennisclubs und das öffentliche Bistro finden sich nun im hinteren Bereich des Gebäudes. Der Fussballplatz des FC Länggasse wurde zu einem Kunstrasenfeld umgewandelt, die Sportfelder der Uni Bern sind neu ausgerichtet.

So wurde Platz geschaffen für eine mächtige Baugrube von 95 m Länge, 62 m Breite und 10 m Tiefe – insgesamt rund 58'000 m3 Aushub. Da kein Schicht- oder Grundwasser vorhanden war, erübrigte sich eine Abdichtung, doch fielen rund 5'000 m3 belastetes Material an, das zu entsorgen war. Ein Teil des Aushubs diente der Hinterfüllung, der Rest wurde abtransportiert.

Dachwellen aus Beton und Holz

Die Halle ist im Innern durch die weitgespannten Dachkonstruktionen geprägt, deren Formen auch in der Fassade sichtbar bleiben. Die Wellenformen über den Wasserbecken und das gefaltete Dach des Garderobentrakts sind zwar konstruktiv eng verwandt, aber dennoch unterschiedlich.

Architekt Armon Semadeni erläuterte auf Anfrage das Konzept. Das Tragwerk der Schwimmhalle Neufeld wurde in enger Zusammenarbeit mit den Bauingenieuren entwickelt; die hybride Beton-Holz Konstruktionen für die beiden Dachstrukturen kombinieren die Eigenschaften der beiden Materialien; der Holzteil wurde aus der Perspektive Nachhaltigkeit, Gewicht und Sensibilität gegenüber dem Hallenbadklima als ideal betrachtet und deshalb eingesetzt.

Das Dach über den Becken ist ein Hybrid aus Beton und Holz. Die trogförmigen, hochgradig vorgespannten Betonträger wurden vor Ort mit selbstverdichtendem Beton gegossen und überspannen die 32 m zwischen den mächtigen, abgerundeten Betonpfeilern wie eine Brücke. Der Beton, mit einem Anteil von 40 % Weisszement, wurde gemeinsam mit einem nur wenige Kilometer von der Baustelle entfernten Betonwerk entwickelt und getestet. Zwischen den Trägern bilden bogenförmige Holzelemente den Dachabschluss. Die Wahl fiel auf Holzelemente, da diese deutlich leichter als eine äquivalente Betonkonstruktion sind und zudem klare Vorteile hinsichtlich der ökologischen Kennwerte aufweisen. Ihre Untersicht ist verkleidet.

Besondere Aufmerksamkeit verlangte die chloridhaltige Hallenbadluft und ihre potenziell negativen Auswirkungen auf die Konstruktion. Die Vorspannung begrenzt die Rissbildung und erschwert damit den Eintrag von Chloriden, die zur Korrosion von Vorspannung und Bewehrung führen würden. Zusätzlich sind die Betonträger durch eine Schutzlasur versiegelt.

Über dem Garderobentrakt besteht das Dach aus im Werk vorgefertigten Betonträgern mit einer Spannweite von 14 m. Zwischen den Trägern sind grösstenteils Holzelemente aus Dreischichtplatten eingesetzt. Nur punktuell und wo es beispielsweise die Stabilität erforderte, kam Beton in Form von überbetonierten Halbfertigteilen zum Einsatz. Durch den hohen Grad an Vorfabrikation liess sich die 90 x 14 m grosse Konstruktion innert weniger Tage errichten.

Die Geschossdecken im Bereich der Duschen und der Räumlichkeiten des Tennisclubs sind als vorgespannte Ortbetonflachdecken erstellt. Sie überspannen stützenfrei eine Spannweite von 11 m und ermöglichen so eine umfassende Flexibilität. Die Räume in diesem Bereich lassen sich später neu anordnen, ohne dass Anpassungen am Tragwerk erforderlich werden.

Elementfassaden und Sprungturm

Die Fassade des Neubaus besteht aus 315 Betonelementen. Diese wurden vor Ort mittels Hängezugankern und Konsolen aus Edelstahl am Rohbau befestigt. Für eine helle Erscheinung der Fassade sorgt Beton mit einem Weisszementanteil von 40 % mit zusätzlich 2 % Weisspigmenten.

Eine Spezialität des Tragwerks bildet der vor Ort in drei Etappen gegossene Sprungturm, der die 3-m- und die 5-m-Plattformen in einer V-förmigen Konstruktion zusammenfasst. Die Ingenieure betonen, dass sämtliche Abmessungen des Sprungturms fein austariert sind und die Stütze der 5-m-Plattform mittels einer Stahlstange zentrisch vorgespannt ist. Auf diese Weise konnten die Anforderungen der Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU mit jenen für den Wettkampf und den statischen Erfordernissen in Einklang gebracht werden.

Funktionaler Innenausbau

Entsprechend dem zurückhaltend sachlich gehaltenen Äussern der Schwimmhalle ist ihr Ausbau ebenfalls einfach und klar gestaltet. Die Eingangssituation über die hausinterne Brücke trägt viel dazu bei, sich rasch zurechtzufinden. Kurze Wege von der Kasse zur Eingangskontrolle über den Becken erleichtern die räumliche Orientierung. Die Sichtverbindung durch die grossen Fensterfronten auf den Baumbestand der Umgebung wirkt in diesem Umfeld poetisch.

Der Bodenbelag im Eingangsbereich ist ein Hartbeton mit Industrieschliff, die anschliessend sowohl für Badegäste wie für Zuschauer offene Galerie als Überlappung zwischen Schmutz- und Sauberzone ist mit Mischmosaik (weisse, graue und schwarze Keramikplatten) ausgestattet und die Platten im Barfussbereich sind weiss. Alle Platten sind rutschsicher ausgebildet.

Nebst dem Tageslicht aus den Fensterfronten sorgt diskret verbautes Kunstlicht – Leuchten an den Unterseiten der Betonträger im Dach, je sechs Leuchten pro Träger – für Helligkeit. Zusätzlich finden sich Leuchten an den Betonpfeilern.

Raumklima

Damit in der Schwimmhalle ein angenehmes Raumklima herrscht, wird über die Lüftungsanlage die Raumluft entfeuchtet. Im Winter erfolgt die Entfeuchtung mit der trockenen Aussenluft, im Sommer über die sich im Haus befindende Kälteerzeugung. Die Lufteinführung in der Schwimmhalle findet an den Fensterfronten statt, über die Galerie wird diese zurück zum Lüftungsgerät transportiert. 

Die Wassertemperatur der einzelnen Becken ändert sich je nach Nutzung entsprechend der Bewegungsintensität der Badegäste. In den Sportbecken beträgt die Wassertemperatur rund 27 bis 28°C im Nichtschwimmer- und Kleinkinderbecken rund 30°C und im Warmsprudelbecken um die 36°C. Die Becken werden ab der zentralen Heizungsanlage temperiert.

Ein Schmuckstück für Bern

Die Schwimmhalle wurde Ende September offiziell dem Betrieb übergeben. Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried und Stadträtin Franziska Teuscher als Direktorin für Bildung, Soziales und Sport freuten sich anlässlich der Präsentation der Halle für die Medien über die zügige Verwirklichung dieses Prestigeobjekts der Bundesstadt. Als ein Schmuckstück für Bern bezeichneten sie den gelungenen Zweckbau. Am 24. September nahmen die ersten Badegäste die Anlage in Beschlag und übten ihre «Arschbomben» in den Wasserbecken. Adieu Muubeeri1, hallo Badi Neufeld.

Anmerkung

1 Das kleine Hallenbad an der Maulbeerstrasse nahe dem Hirschengraben im Zentrum der Stadt Bern mit seinen vier 25-m-Bahnen war seit 1939 in Betrieb und geht zurück auf ein Projekt der Architekten Rudolf von Sinner und Hans Beyeler. Das allseits beliebte «Muubeeri» kam in die Jahre und wurde 2023 geschlossen. Somit wurde in der Stadt Bern das Angebot an Hallenbädern auf das Weyermannshaus und Wyler reduziert. Umso wichtiger ist der nun eröffnete Bau im Neufeld.

FACTS & FIGURES

Becken

 

50-Meter-Becken         
Länge 51.80 m (50 m + die Breite der verschiebbaren Brücke von 1.80 m), Breite 25 m, Tiefe 2.00 bis 2.50 m

 

Mehrzweckbecken       
Länge 20 m, Breite 12.50 m, Tiefe 4.50 m

 

Lehrschwimmbecken    
Länge 20 m, Breite 11 m, Tiefe 0.65 bis 1.40 m

 

Kleinkinderbereich
3 kleine Becken, Durchmesser 2.55 m, Tiefe 0.06 bis 0.16 m

Zeitplan

 

Projektwettbewerb: Juni 2018

Baukredit: November 2019

Baubewilligung: Juni 2020

Baubeginn: Juni 2020

Inbetriebnahme: September 2023

Kostenzusammenstellung
gemäss Baukreditantrag Mai 2019

 

Schwimmhalle inkl. Umgebung: 52.6 Mio Franken

Neuordnung Sportanlagen: 14.56 Mio. Franken

Provisorien: 2.34 Mio. Franken

Total Anlagekosten:  69.5 Mio. Franken

Kostendach Baukredit: 75.5 Mio. Franken

Am Bau Beteiligte

 

Bauherrschaft
Hochbau Stadt Bern, Projektleitung Anselmo Pizzoferrato

 

Generalplanung/Architektur
Armon Semadeni Architekten, Zürich

 

Bauleitung
Bauleitung, Biel/Bienne

 

Tragkonstruktion
dsp Ingenieure + Partner, Uster

 

Elektroplanung / MSRL-Planung
IBG Engineering, Baar

 

Heizungs- und Lüftungsplanung
Meierhans + Partner, Schwerzenbach

 

Sanitärplanung
RMB Engineering, Zürich

 

Landschaftsarchitektur
Hoffmann & Müller Landschaftsarchitektur, Zürich;
bbz Landschaftsarchitekten Bern, Bern

 

Bauphysik/Brandschutz
Gartenmann Engineering, Zürich

 

Badplanung
Aquatransform, Gossau

 

Fassadenplanung
GKP Fassadentechnik, Zürich

 

Signaletik
HinderSchlatterFeuz Grafik, Zürich

 

Kunst am Bau
BLESS Eine, Berlin/Paris

 

                              

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