Ein Kin­der­gar­ten in Sü­da­frika

Studierende des Departements Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) haben einen Kindergarten für das ­Ithuba Skills College in Südafrika geplant. In den kommenden Wochen werden die Studierenden den Bau gemeinsam mit ehemaligen Schülern des College vor Ort realisieren.

Date de publication
01-06-2012
Revision
25-08-2015

Das Ithuba Skills College wurde 2008 gegründet und liegt ca. 40km südöstlich von Johannesburg, in der Provinz Gauteng. Initiatorin der weiterführenden Schule für die Kinder des nahe gelegenen Township Magagula Heights ist die österreichische NGO S2Arch. Im Gegensatz zum kostenpflichtigen staatlichen Schulsystem bietet das College den Unterricht und mit dem Bau des Kindergartens nun auch die Tagesbetreuung der Kindergartenkinder gratis an.

Rüstzeug zum Selberbauen

Neben dem kulturellen Austausch zwischen den europäischen Studierenden und den afrikanischen Schülern steht auf beiden Seiten der Lernprozess im Zentrum, das geplante Gebäude mit den vorhandenen handwerk­lichen Fähigkeiten und Materialien zu realisieren. Dabei geht es auch um das Ausloten der Möglichkeiten, traditionelle und längst vergessene Techniken und Materialien wieder zum Einsatz zu bringen. Ziel der Initiatoren ist es, die Menschen vor Ort an diese traditionellen Techniken und Materialien zu erinnern. Es ist auch ein Versuch, Missstände – wie die herrschende Wohnungsnot – ein Stück weit zu dämpfen. Dem Wohnungsmangel etwa versucht der südafrikanische Staat mit billigen, in der Substanz schlechten Hausbauten zu begegnen. Die Baufirmen sind in der Regel staatlich. Indem die Bewohner des Township das Rüstzeug zum Selberbauen an die Hand bekommen, bietet sich ihnen ein möglicher Ausweg aus Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit. Um dies zu erreichen, ist die soziale Akzeptanz des Projekts durch die Bevölkerung notwendig.

Ithuba Skills College

Die Gebäude des Ithuba Skills College wurden von europäischen Hochschulen entworfen. Den Anfang machte 2008 die TU Graz mit einem ersten Klassenraum und einer Werkstatt sowie die Fachhochschule Salzburg/Kuchl mit einem Verwaltungsgebäude für die Lehrer. Bis heute haben Architekturstudierende weiterer europäischer Hochschulen (RWTH Aachen, FH Dessau, University of Ljubljana, TU München, TU Wien u.a.) den Ausbau des College mit ihren Projekten vorangetrieben. Neben der Planung und Realisierung sind die Hochschulen und die beteiligten Studierenden auch für die Finanzierung der Projekte sowie die Logistik und den Transport der Baumaterialien verantwortlich. Dabei werden sie von S2Arch unterstützt.

Wissenstransfer

Für das Projekt greift die Organisation auf die Erfahrung aus bereits realisierten Projekten zurück. Zunächst baute die NGO einzelne Schulhäuser innerhalb der Townships, die aber von den Bewohnern aufgrund der damit verbundenen «Bevorzugung» der Schüler nicht akzeptiert wurden. Das College als ­eigener Komplex ist autark. Eine Erkenntnis aus früheren Projekten, so der österreichische Architekt Elias Rubin, der die Umsetzung der Projekte vor Ort betreut, sei, dass sich die bauliche Struktur mit dem sozialen Gefüge entwickeln muss. Der Masterplan für das College bildet daher einen Rahmen, der für die sich wandelnden Bedürfnisse adaptierbar bleiben muss. In Ithuba, so Rubin, habe sich mit den Gebäuden die Schule und das Unterrichtsprogramm entwickelt. Man habe dabei erkannt, dass das geplante Wachstum von zwei Klassen pro Jahr die Infrastruktur überfordere. Für das geplante Folgeprojekt, die ­Ithuba School Mzamba bei Durban (Süd­afrika), habe man sich daher entschieden, die Schule nur um eine Klasse pro Jahr zu erweitern. Der Erfahrungsschatz wird von Projekt zu Projekt erweitert. Rubin sorgt dafür, dass er an die jeweiligen Universitäten und die Studierenden weitergegeben wird. Dabei sei wichtig zu vermitteln, dass die in Europa erworbenen Kenntnisse nur bedingt Anwendung finden können. Dies beginnt bei den bestehenden sozialen Strukturen, die letztlich das gesamte Projekt beeinflussen, geht weiter bei den eingeschränkten baulichen Möglichkeiten und reicht bis zu den klimatischen Rahmenbedingungen (z. B. Sonnenverlauf auf der Südhalbkugel). So sind die ersten mit ­österreichischen Hochschulen realisierten Bauten in Holz ausgeführt, ein in Österreich günstiger und schnell verarbeitbarer Baustoff. In Afrika ist Holz jedoch knapp. Daher wurde mit vor Ort verfügbaren Materialien weiter experimentiert. Inzwischen hat sich die Strohlehmbautechnik bewährt. Lehmbau ist eine traditionelle Bauweise in Südafrika, die in Vergessenheit geraten ist, dies soll sich nach dem Willen der Initiatoren jedoch langfristig ändern. Ein erstes Haus, das 2011 in Magagula Heights in Strohlehmbauweise ausgeführt wurde, zeigt für Rubin, dass das Konzept aufgehen kann.

Bauen vor Ort

Der Ablauf bei der Planung und Realisierung der einzelnen Projekte ist vergleichbar: In der Regel folgt bei den Universitäten auf einen einsemestrigen Entwurf ein Baupraktikum, in dessen Rahmen ein ausgewähltes Projekt umgesetzt wird. Die Bauzeit vor Ort ist witterungsbedingt auf die trockenen Wintermonate beschränkt und muss zudem für die Studierenden in einem realistischen Zeitraum stattfinden. In der Regel erfolgt der Bau in sechs bis acht Wochen, was ebenfalls Einfluss auf den Entwurf hat. Der Einsatz von seriellen Bauteilen, die mit den handwerklichen Fähigkeiten der Studierenden und der Oberstufenschüler des College verarbeitet werden können, sind daher ein wesentliches Entwurfskriterium. Die Bauten sind einfach, die Installationen auf das notwendige Minimum reduziert. Die Klimatisierung der Gebäude muss über die jeweiligen baulichen Konzepte gelöst werden.

Betreuung für die Kleinsten

Der Kindergarten des College wurde von Masterstudierenden der ZHAW Winterthur entworfen und wird im Juni/Juli 2012, wie alle zuvor realisierten Projekte, gemeinsam mit ehemaligen Ithuba-Schülern gebaut. Nach einem einsemestrigen Entwurfskurs, an dessen Ende die Auswahl des zu realisierenden Projekts stand, folgte im Frühjahr 2012 die Konstruktions- und Ausführungsplanung, an der sich alle Studierenden des Kurses beteiligten.
Der Kindergarten basiert auf dem Raum-im-Raum-Prinzip und gliedert sich in zwei Bereiche: eine bedienende äussere Schicht, die Nebennutzungen und Sanitäreinrichtungen aufnimmt und den eigentlichen Unterrichtsbereich im Zentrum. Die äussere Hülle besteht aus transluzenten und transparenten Kunststoffplatten, die als Schiebeelemente ausgebildet sind. Sie lassen sich je nach Witterung öffnen oder schliessen und ermöglichen auch im geschlossenen Zustand die Belichtung der Zwischenzone, die durch Vorhänge in unterschiedliche Raumbereiche unterteilt werden kann. Die innere Hülle, die den Unterrichtsbereich begrenzt, besteht aus Backstein. Sie dient vor allem zur Regulierung des Raumklimas. War zunächst der bereits erprobte Strohlehmbau angedacht, so zeigt sich nach Überprüfung des energetischen Konzepts, dass eine innere Hülle aus Backstein für ­diesen Fall geeigneter sein kann. Die gegenüber ­einer Lehmwand grössere Masse der Backsteinwand und die dadurch bedingte ­höhere Wärmespeicherfähigkeit gewähre, so die ­Untersuchung, die in Zusammenarbeit mit Matthias Schuler vom Stuttgarter Energietechnikbüro Transsolar durchgeführt wurde, in Hinblick auf das Raumklima eine bessere Kon­ditionierung. Neu ist das Baumaterial für die Schüler des College nicht, sie haben bereits bei früheren Projekten mit Backstein Erfahrung sammeln können. Eine Herausforderung dürfte für alle Beteiligten die Umsetzung der Tragkonstruktion werden. Sie besteht, wie auch die Träger des Daches, aus Stahl. Um sich vorzubereiten, haben die Studierenden Schweisskurse besucht. Mithilfe der Einheimischen – auf dem Areal gibt es eine Metallwerkstatt – werden sie nun den Stahlbau fertigen. Eine kleine Gruppe ist seit Ende Mai 2012 vor Ort, um die benötigten Baumateria­lien in den lokalen Baumärkten einzukaufen und die Logistik und Organisation der Baustelle und des Bauablaufs vorzubereiten.

Bautagebuch aus Südafrika

Die Studierenden fliegen am 2. Juni für acht Wochen nach Südafrika. TEC21 wird das Projekt auf espazium.ch begleiten und regelmässig vom Baufortschritt berichten. Die Berichte stammen von den Studentinnen und Studenten und werden auch von den Erfahrungen erzählen, die sie vor Ort beim Aufbau machen: Ist die Umsetzung wie geplant möglich? Was muss anders gelöst werden, welche Erfahrungen bringt der Austausch mit den Schülern des College 

Möglichkeiten

Ithuba ist ein Zulu-Ausdruck für «Möglichkeiten». Neben der Volksschule können die Schüler des Ithuba College die weiterführende Schule, vergleichbar mit einem Gymnasium, besuchen und klassische Kenntnisse wie Englisch, Mathematik und Naturwissenschaften erlernen. Schülern mit handwerklicher Begabung werden zudem praktische Fähigkeiten («skills») wie mauern, tischlern und Elektroinstallation vermittelt. Im College werden momentan 350 Kinder unterrichtet und ausgebildet. Noch ist der Schulbetrieb von S2Arch finanziert; Ziel ist es, das Projekt ab 2013 auch über staatliche Mittel zu finanzieren. S2Arch steht für «social, sustainable architecture». Der gemeinnützige Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, europäische Universitäten und andere Bildungseinrichtungen zu vernetzen, um in Südafrika kommunale Gebäude wie Kindergärten, Schulen oder Bibliotheken mit den späteren Nutzern zu planen und zu bauen und damit Lernprozesse auf beiden Seiten – Wissenstransfer – zu ermöglichen. Informationen: http://sarch.twoday.net/

Informationen
Website des Projekts der ZHAW unter: www.zke.zhaw.ch/ithuba
Projektbeteiligte ZHAW: Zentrum Konstruktives Entwerfen, Masterstudio mit 12 Studierenden.
Dozenten Stefan Zopp, Beat Waeber und Daniel Meyer; Projektleitung vor Ort Niko Nikolla und Toni Winiger; Leiter ZKE Christoph Wieser

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