SIA-Mas­ter­preis Ar­chi­tek­tur 2017: «Wood Food»

Projekt von Gianluca Ceriani

Masterarbeit ETH Zürich | Professur Anette Gigon und Mike Guyer

Date de publication
24-05-2018
Revision
14-06-2018

Wood Food ist Valefritzes Pop-up-Gastrokonzept für das Kochen mit Holz, Feuer und Teer. Es verbindet eine Reihe von Gegensätzen zu einer spannungsvollen Kombination von Geschmäckern, Gerüchen und Optiken und bringt Menschen unterschiedlichen Stands am langen Tisch zusammen. Tradition trifft auf Moderne, neue Küchengeräte und Techniken ergänzen Altbekanntes und Bewährtes. Es bildet sich eine lokale Exotik, indem lokale und ungewohnte Produkte in höchster Perfektion verarbeitet werden. «Dreckig» wird zum neuen «Sauber», indem nichts künstlich geschönt wird, dennoch aber präzise bleibt.

Architektonisches Konzept

Der Entwurf versucht diese Gegensätze zu vereinen. Mit dem Blick zurück zum Beginn der Baukultur suchte ich nach einer modernen Urhütte, die die ländliche Waldhütte urban macht und Valefritzes diversifiziertem Zielpublikum eine entsprechende Architektur bietet. Bei der Bearbeitung des lokalen Holzes der Konstruktion wird mittels fremdländischer Brennprozesse eine ungewohnte Optik erzielt und das Holz gleichzeitig versiegelt und veredelt. Mit bewährten Konstruktionen und moderner Statik sollen unerwartete Formen geschaffen werden. Man soll sich gleichzeitig vertraut und überrascht fühlen, um bei einem mehrgängigen Essen in Nostalgie schwelgen zu können. Die Oberflächen sollen das Material zeigen und in der Kombination mit den anderen Bauteilen zu einem optischen und olfaktorischen Gesamtensemble führen. Die Inszenierung bietet dem Gast mehr als nur ein Essen; sie evoziert die Reize der Erinnerungen und Gefühle.

Der Fokus soll also, mithilfe der Architektur, dem Essen und den Geschmäckern gelten und Erinnerungen und Emotionen wachrufen. In Valefritzes Worten: Man soll sich an dieKindheit zurückerinnern, fast schon nostalgisch, an das Grillieren im Wald. Das Ziel ist eine multisensorische kulinarische Erfahrung. Das Resultat ist eine introvertierte Hütte mit feinfühlig abgestimmter Lichtführung und Materialwahl und einer Formfindung, die den Geist anregt.

Kontinuierliches Pop-up

Die Bauaufgabe untersteht dem Grundkonflikt, ein gastronomisches Konzept, dessen Erfolg wohl stark in der Exklusivität durch Kurzlebigkeit und wechselnde Locations fusst, zu einem permanenten Betrieb umzufunktionieren. Der Architektur kommt so die zentrale Aufgabe zu, Räume zu schaffen, die bis zu einem gewissen Grad anpassungsfähig sind, gleichzeitig aber sehr spezifisch bleiben, um die zuvor beschriebenen Anforderungen zu erfüllen.

Aus diesem Grund bietet sich eine Fusion der Restaurantküche mit einem Koch-Schul-Betrieb an. Tagsüber und unter der Woche können die Räumlichkeiten der Ausbildung junger Talente dienen und Events für interessierte Hobbyköche und Firmen organisiert werden. An Wochenenden, ausgesuchten Tagen und vielleicht auch sehr spontan findet der Restaurantbetrieb statt, der den angehenden Köchen eine Plattform bietet, Gelerntes umzusetzen.

Städtebau

Um die Hütte in die Stadt zu bringen und an Feuer, Brennöfen und Essen zu erinnern, wird ein Volumen gesucht, das sich aus dem dreiseitigen Grundriss des bestehenden Plaza-Gebäudes verjüngend in die Höhe entwickelt. Dem Gebäude soll ein Hut aufgesetzt werden. Er verhilft zu grösserer Aufmerksamkeit und ermöglicht es dem Gebäude, sich durch die Aufstockung auch städtebaulich zwischen den «neuen» Nachbarn behaupten zu können. Denn höhenmässig wird das Plaza mittlerweile von ihnen überragt. Durch die Verjüngung wird dem Bestand Respekt gezollt, indem sich der neue Abschluss von der Mantelfläche zurücknimmt. Aus weiterer Entfernung nehmen dann aber Prominenz und Erscheinungskraft des Gesamtgebäudes zu, wovon der dreigeschossige Bestand profitieren kann. Die historische Entwicklung des Stadtteils, die zu dieser Setzung und Grundrissgeometrie geführt hat, rechtfertigt auch ebendiese grosse Prominenz.

Programm und Architektur

Ergänzt wird das Plaza mit zwei Geschossen: einem ersten Geschoss mit der grossen Mise-en-Place-Küche, allen Nebenräumen, den Schulräumen und Lagerräumen und dem zweiten Geschoss darüber als grosser Esssaal mit der zentralen Feuerstelle, an der grilliert wird und das Essen aus der vorbereitenden Küche im Geschoss darunter weiterverarbeitet und angerichtet wird. Dem Gast wird gezeigt, wie und aus welchen Zutaten das Essen zubereitet wird.

Erschlossen wird dieses Geschoss über eine gewendelte Treppe an der nordwestlichen Seite des Gebäudes. Die Treppe reicht bis in das Erdgeschoss, wo das Gebäude von der Badenerstrasse, der Hauptverkehrsachse, betreten wird. Alternativ steht auch ein Aufzug zur Verfügung. Im Eingangsbereich des Erdgeschosses befindet sich der Empfang mit der Garderobe. Der anschliessende Wartebereich wird von einem kleinen Shop ergänzt, in dem die Wood-Food-Produkte gekauft werden können. In den darüberliegenden Bestandsgeschossen liegen die Büro- und Verwaltungsräumlichkeiten des neuen Betriebs.

Vom grossen Saal im obersten Geschoss führt eine zweite gewendelte Treppe in die darunterliegende Bar, in der man sich in einem diskreteren und weniger rauchigem Umfeld einen Digestivo zu Gemüte führen kann. Die Raumeinteilung in diesem ersten Dachgeschoss beruht einerseits auf der Übernahme bestehender tragender Wände und natürlich auf der sehr speziellen dreieckigen Grundrissform. So werden Raumschichten entlang der Fassade angeordnet, an deren Enden, in den abgerundeten Ecken, gemeinschaftliche Räume die spitzen Winkel aufnehmen. In der Mitte des Geschosses, quasi dem Herz, befindet sich die Küche.

Küche

Die Gliederung der Küche beruht auf einem idealen betrieblichen Ablauf. Von der verkehrsruhigeren Grüngasse wird die Küche beliefert. Ein separater Warenlift führt die Güter in einen Warenannahme- und Qualitätskontrollraum. Auf direktem Weg können so die einzelnen Kühl- und Lagerräume erreicht und die Kühlkette eingehalten werden. In unmittelbarer Nähe zur klassischen Mise-en-Place-Küche befinden sich die Bereiche zur Vorbereitung der Esswaren, zum Rüsten, für die warme Küche und und die Patisserie. Ein Bereich für Sondergeräte und flexible Arbeitsflächen ergänzt das Ensemble.

Von der Anrichte führt eine grosszügige gewendelte Treppe direkt in die Showküche darüber, mit dem grossen, zentral gelegenen und in verschiedene Bereiche unterteiltem Grill, dem Herz der Wood-Food-Küche. Umgeben wird er von Arbeitsflächen für vier bis acht Köche und speziellen Öfen und Küchengeräten. Eingefeuert wird der Ofen grundsätzlich aus dem unteren Geschoss, dem «Maschinenraum». Von dort wird auch die grosse Menge an Zuluft beigeführt, die notwendig ist, um einerseits einen feuersicheren Betrieb zu gewährleisten und andererseits den Saal ausreichend zu entlüften. Weitere Abzugsventilatoren unterstützen die Luftqualität im Saal. Die olfaktorischen Konsequenzen eines fehlenden Rauchabzugs sind wesentlicher Teil des Konzepts und dienen bewusst und direkt dem Anspruch an ein «multisensorisches Erlebnis». Der allfällige Funkenflug wird ausserdem durch den grossen Radius der Showküche aufgenommen, und es werden mit dem Schwarzblechboden und dem Aluminium- und Chromstahlmobiliar nur gegen Feuer unempfindliche Materialien verwendet.

Konstruktion

Die Aufstockung ist eine reine Holzkonstruktion mit bewährtem Trockenausbau mit in hohem Mass vorfabrizierten Bauelementen. 28 optisch hervortretende Holzträger mit jeweils individuellem Schnitt bestehen aus verleimtem, CNC-gefrästem Brettschichtholz. Sie definieren präzise die entworfene volumetrische Form und wirken als eine Art Sparren. Ihr Querschnitt verhält sich dem Kräfteverlauf entsprechend und wird aus gestalterischen Gründen leicht überdimensioniert. Beplankt werden die Träger mit einer Holzschalung, die mithilfe einer Nut-Kamm-Verbindung die Aussteifung der Aufstockung sicherstellt. Es folgt ein klassischer Dachaufbau mit einer Unterkonstruktion für vorbewitterte, dunkle Titan-Zink-Schindeln, die sich optimal eignen, die freie, doppelt gekrümmte Dachform einzudecken.

Formfindung

Die eigentliche Form des Dachs entstammt einer Volumenstudie, die verschiedene Faktoren im Projektverlauf in Perspektiven und Schnitten unterschiedlich gewichtet hat. Hütten, Brennöfen, Heissluftballone, Vulkane, Lebensmittel wie Knoblauch und Zwiebeln sowie orientalisches und asiatisches Kochgeschirr sind bildliche Referenzen, passend zur Aufgabenstellung, die mit praktischen Fragen der Nutzung, konzeptioneller Klärung und dem Übergang zum und Verständnis des Bestands einen Einklang suchten. Zusammen mit den städtebaulichen Überlegungen und Proportionenstudien hat sich am Schluss die vorliegende Form herauskristallisiert. Es ist die Form für Wood Food. Erst das Innere gibt preis, was sich unter der Cloche befindet.


SIA-Masterpreis Architektur

Der SIA-Masterpreis Architektur, den der SIA seit den 1960er-Jahren jährlich verleiht, zeichnet Abschlussarbeiten der drei universitären Hochschulen Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) und der Accademia di architettura di Mendrisio (AAM)  aus. 80 bis 130 Masterprojekte werden pro Prüfungssession eingereicht. An der ETH finden jedes Jahr zwei Sessionen statt, an EPFL und AAM eine. Für jede Schule gibt es eine Jury aus sechs Architektinnen und Architekten: dem Präsidenten des Fachvereins Architektur und Kultur (A & K) sowie je einem Vertreter/einer Vertreterin des A & K aus den drei Sprachregionen, der Berufsgruppe Architektur (BGA) und der SIA-Sektion des Kantons der Hochschule, also Waadt, Zürich oder Tessin.

Die prämierten Projekte des SIA-Masterpreis Architektur 2017 finden Sie hier. Die Masterarbeiten der Auslobung 2016 gibts im gleichnamigen E-Dossier.

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