Neue Mit­te

Die Schulanlage Auen in Frauenfeld wurde denkmalpflegerisch saniert und um drei leichte Pavillons erweitert. jessenvollenweider architektur verbessern damit die räumlichen Beziehungen der Anlage und geben ihr ein Zentrum.

Publikationsdatum
15-09-2022

Es scheint, als sei die Schulanlage Auen end­lich angekommen. Indem jessenvollenweider architektur auf einem Band zwischen den bestehenden Trakten drei gleichartige Stahlpavillons unterschiedlicher Nutzung anordneten, derer vorderster erstmals ­einen klaren Bezug zur Strasse herstellt, wurde die Anlage mit dem Ort verknüpft. Auch gegen innen schafft diese städtebauliche Massnahme einen Mehrwert: Aus Einzelbauten mit einem unstrukturierten Freiraum ­dazwischen wurde ein Ensemble mit gemeinsamem Zentrum. Die räumliche Klärung ist auch als Antwort auf die Entwicklung der Umgebung zu verstehen.

Ende der 1960er-Jahre, als die Schule gebaut wurde, lag sie am Siedlungsrand. Die Bevölkerung von Frauenfeld wuchs stetig, und so entstanden damals in den ehemaligen Vororten neue Quartiere. Im Gebiet der «kleinen Allmend», die zur Ebene gehört, die sich nördlich der Altstadt bis zur Thur erstreckt, wurden zudem städtische Freizeitanlagen erstellt. Hier befindet sich die Schulanlage Auen, ein wichtiges Werk von Alfons Barth und Hans Zaugg, Architekten der Solothurner Schule. Anfangs der 1990er-Jahre konnten sie einen weiteren, gleichartig gestalteten Baukörper hinzufügen.

Grundstein im Raster

Barth&Zaugg verstanden den Ort als Reissbrett. Sie überzogen das Grundstück mit einem genordeten Quadratraster von 8.4 m×8.4 m. Dieses Mass entspricht einer üblichen Schulzimmergrösse und basiert auf einem Grundmodul von 2.1 m. In den Schwerpunkt der Parzelle legten sie eine Fussgängerverbindung von der Thur- bis zur Auenstrasse. Entlang dieser Achse sind die Bauten aufgereiht: Vom Hauptzugang im Osten an der Thurstrasse folgen nach sechs Rastereinheiten der Haupttrakt mit den Schulzimmern und auf gleicher Höhe südlich davon, im Abstand von vier Quadraten, die Doppelturnhalle. Beide Bauten waren ursprünglich je fünf Einheiten lang. Vier Quadrate weiter beginnt das Werkstattgebäude, das vier Einheiten misst. Nach zwei weiteren Quadraten kommt die Strasse.

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Während die Lage der Volumen in städtebaulicher ­Hinsicht eher zufällig wirkt, sind die Gebäude selbst präzise aufeinander bezogen und so abgestimmt, dass ihre Breiten eine aufsteigende Reihe bilden und die Höhen ebenfalls stufenweise zunehmen: Das Werkstatt­ge­bäude ist zwei Quadrate breit und 0.5 hoch, die Turnhallen drei breit und 0.75 hoch, der Hauptbau vier tief und 1.5 hoch. Damit ist auch gesagt, dass für die Grundrisse und Ansichten dasselbe Modul zur Anwendung kam, was den gestalterischen Zusammenhalt verstärkt. Die rationale Entwurfslogik, die sich etwa im konsequent angewendeten Raster zeigt, ist typisch für die Bauten der Solothurner Schule.

Eigenständig angepasst

In dieses dreidimensionale Raumgitter sind die drei neuen, ebenfalls in Stahl konzipierten Pavillons exakt eingepasst. Gleichwohl bewahren sie ihre Eigen­ständigkeit und stehen damit in reizvollem Kontrast zum Bestand: etwa in der Höhe, die vom Modul abweicht; in ihrem beinahe weiss wirkenden Grauton, der je nach Lichtverhältnissen die Farbe der Aluminiumfassaden aufnimmt oder sich davon absetzt; vor allem aber über die offenen Ecken.

Während die Auskragungen in den Ecken die Pavillons über die Diagonale optisch mit den Altbauten verbinden, betonen die Stellung der Stützen und die gerippte Dachuntersicht die Längsrichtung der Hauptachse. Die Pavillons sind reine Dachkonstruktio­nen, die auf dem mit grossen Zementplatten belegten Band stehen. Damit sind bei ihnen Sockel- und Dachrand deutlich unterschieden, was sie besser verankert als die ortlos wirkenden Bauten der 1960er-Jahre.

Nur der von Osten her betrachtet erste Pavillon, in dem sich die Aula, ein kleines Bistro und ein Zugang zu den unterirdisch erschlossenen Turnhallen befinden, hat eine klimatische Hülle. Diese ist nach innen versetzt, sodass die Stahlstruktur ausdrucksbestimmend bleibt. Gerade umgekehrt verhalten sich die Bauten von Barth&Zaugg. Die filigranen Curtain-Wall-Fassaden verhüllen das Tragwerk, das innen jedoch sichtbar ist.

Weil die Stützen von der Hülle abgekoppelt sind und damit die Mantellinie ausserhalb des Rasters liegt, ­entstehen schmale Eckfelder, die beim neuen Pavillon mit gerundeten Gläsern interpretiert werden. Leider ist diese schöne Variation einer transparenten Ecke nicht konsequent gelöst, Sockelblech und Sturz sind aussen rechtwinklig ausgeführt.

Dialog von Alt und Neu

Die fein detaillierte Stahlkonstruktion und die sorgfältige Materialisierung verleihen der Aula einen festlichen Anstrich. Über die dunkelroten Vorhänge, die die Farbe der technischen Installationen im Bestand aufnehmen, wird auch auf dieser Ebene ein Dialog zwischen Alt und Neu etabliert. Ganz im Sinn der doppelten Aufgabe, galt es doch die kultur- und architekturhistorisch bedeutende Anlage zu sanieren und zu erweitern.

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Zur Erweiterung gehört die Verlängerung des Sporttrakts um ein Feld, sodass neu eine Dreifachturnhalle zur Verfügung steht. Diese Ergänzung geschah «unsichtbar», das heisst: in der Architektursprache von Barth&­Zaugg. Die modulare Bauweise ist für ein solches Vorgehen prädestiniert. Der zeitliche Abstand erwies sich aber als grosse Herausforderung. So mussten die neu­en Fensterprofile thermisch getrennt ausgeführt, aus denkmalpflegerischen Gründen aber gleich dimensioniert werden. Auch die vergrösserte unterirdische Verbindung zwischen Hauptbau und Turnhalle ist, wie alle bestehenden Bauteile im Erdreich, in Sichtbeton ausgeführt.

Wegen des Denkmalwerts der Anlage erfolgte die Sanierung der Bestandsbauten äusserst behutsam. Ziel war ein möglichst weitgehender Erhalt der Originalsubstanz und eine Wiederherstellung ihrer bauzeitlichen Wirkung, was hervorragend gelang. So konnten die feinen Fassadenprofile gereinigt und mit neuen Gläsern bestückt, die nichttragenden Zwischenwände gleichwertig ersetzt, ein Lift im Sanitärbereich eingebaut und die Böden erneut mit einem Kunststoffbelag versehen werden. Natürlich brauchte es Kompromisse. Insgesamt spürt man aber weiterhin die nüchtern-­rationale Atmosphäre der 1960er-Jahre.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 29/2022 «Stahl macht Schule».

Gesamtsanierung und Erweiterung Schulanlage Auen, Frauenfeld

 

Bauherrschaft
Sekundarschulgemeinde, Frauenfeld

 

Architektur/Gesamtleitung
jessenvollenweider architektur, Basel

 

Baumanagement
Roland Grandits, Frauenfeld

 

Tragkonstruktion
ZPF Ingenieure, Basel

 

HLKS-Planung
ARGE Büro 3 & Hydro Plus Engineering, Amriswil

 

Bauphysik
Zehnder & Kälin, Winterthur

 

Landschaftsarchitektur
Andreas Geser, Zürich

 

Lichtplanung
Preluce, Frauenfeld

 

Fassadenplanung
Fiorio Fassadentechnik, Zuzwil SG

 

Stahl- und Metallbauunternehmen
Pfister Metallbau, Mauren TG; Tuchschmid, Frauenfeld; Krapf; Engelburg SG; Oppikofer, Frauenfeld

 

Planung
2014–2018

 

Realisierung
2017–2020

 

Grundfläche (SIA 416)
14 300 m2

 

Baukosten (BKP 2)
31.1 Mio. Fr.

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