Ver­dich­ten mit viel­fäl­ti­ger Qua­li­tät

Bei der Siedlungstransformation lassen sich soziale, bauliche und energetische Ansprüche miteinander kombinieren, zeigt das Vorhaben «Côté Parc» in der Stadt Genf.

Publikationsdatum
28-12-2022

«Côté Parc» nennt sich ein Projekt in Genf, das ein bebautes Gebiet mitten in einem grossen Park vielfältig verdichten will. Der Entwicklungsplan für diesen Standort im Quartier Petit-Saconnex sieht vor, zwei bestehende Gebäude umzubauen und umzunutzen sowie mit einem Neubau zu ergänzen. Dieser Komplex wird über 200 Wohnungen umfassen – und ein zusätzliches Apartmenthotel beherbergen. Die Nachbarschaft zum grosszügigen Grünraum und zu sozialen Einrichtungen sind gute Voraussetzungen für ein urbanes, durchmischtes Leben. Die Transformation schafft Platz für zusätzliche Nutzungen wie die Gastronomie oder die Kinderbetreuung.

Auch die Partner der Standortverdichtung setzen sich heterogen zusammen: Landeigentümerin ist die Maison de retraite du Petit-Saconnex MRPS, die ein Alterszentrum betreibt und freie Flächen in einem Baurecht für 99 Jahre weitergibt. Zur baulichen Umsetzung und Finanzierung der Standortverdichtung zog sie eine Totalunternehmung sowie einen privaten Immobilienfonds bei.

Sanfte Mobilität erwünscht

Die Genfer Stadtbevölkerung wünscht den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Förderung des Velo- und Fussverkehrs. Dementsprechend sanft gehen die Projektträger mit ihrem Mobilitätskonzept vor: Für Fahrräder ist viel Platz reserviert, wohingegen bestehende Autoparkplätze aufgehoben und nur teilweise in den Untergrund – in eine Tiefgarage – verlegt werden. Zugutekommt diese Rochade auch Fussgängern, die sich mitten im neuen Viertel weitgehend ungehindert bewegen können. Für Generationen, die das bestehende Alterszentrum bewohnen, bietet das eine unverzichtbare Aufenthaltsqualität. Der 6 ha grosse Park darum herum wird zusätzlich aufgewertet. Auch hier wird Neues realisiert, unter anderem kommen ein Obstgarten und Baumalleen dazu. Die Spazierwege werden instand gesetzt, und erstmals wird ein Gesundheitsparcours eingerichtet.

Ein «2000-Watt-Areal»

Zwar sind die Anforderungen für das Zertifikat «2000-Watt-Areal» zu erfüllen. Doch die Standortverdichtung soll sich mindestens so sehr auf soziale Qualitäten beziehen wie auf nachhaltige Baukonzepte. Für ein Projekt dieser Grösse ist allerdings zwingend, die Optionen für die Energieversorgung vertieft zu evaluieren. «Côté Parc» bietet gute Anknüpfungspunkte für ein klimafreundliches Versorgungskonzept. Zwar ist der Standort an das städtische Fernwärmenetz angeschlossen, das Abwärme und Erdgas verteilt. Doch die Dächer sind bereits mit Photovoltaikanlagen bestückt. Und die Neubauten leisten weitere Schritte hin zur Energiewende: Der Gesamtbedarf an thermischer Energie wird über ein solar angetriebenes Geothermiesystem gedeckt. Der vor Ort erzeugte Solarstrom versorgt Wärmepumpen, die ihre Grundwärme mit Sonden aus dem Erdreich beziehen.

Weitere Beiträge zum Thema sind im digitalen Dossier «Immobilien und Energie» abrufbar.

Dieses System löst auch den Energiebedarf für die Kälteversorgung des geplanten Hotels effizient. Das Freecooling-Verfahren braucht nicht mehr als die bereits installierten Erdwärmesonden. Knapp die Hälfte der 41 vor Ort installierten Sonden sind so konzipiert, dass der Wärme- und Kälteaustausch mit dem oberflächennahen Erdreich nachhaltig funktioniert.

Wettbewerb für die Energie

Die lokale Energieversorgung war sogar Gegenstand eines Wettbewerbs, der Dienstleister suchte, die dafür die Gesamtverantwortung übernehmen wollen. Der Gewinner ist ein öffentliches Energieunternehmen aus der Deutschschweiz, das sich nicht nur um die Dimensionierung und den Bau des Systems kümmert, sondern auch den Betrieb garantiert. Zu diesem Contracting gehören technische und administrative Belange ebenso wie die Finanzierung. Insofern wird «Côté Parc» zu einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) gebündelt. Der erwartete Jahresstromverbrauch von über 100 000 kWh bietet weitere Opportunitäten für den rentablen Betrieb: Um Strom extern einzukaufen, darf sich der ZEV-Betreiber direkt auf dem freien Markt umschauen. Zwar birgt ein solcher Handel das Risiko, vom Dekarbonisierungspfad abzukommen. Doch das Entwicklungsziel für alle Beteiligten ist eine nachhaltige Transformation. Deshalb ist definiert, dass auch die extern beschaffte Energie aus erneuerbaren, unabhängig zertifizierten Quellen stammt.

Was heisst das für die künftigen Bewohner des Parkviertels? Zum einen erhalten sie die Stromabrechnung vom ZEV-Organisator und nicht wie die Nachbarn von den Genfer Stadtwerken. Und zum anderen: Sie bezahlen weniger, da solarer Eigenstrom etwa ein Drittel günstiger ist als eine Kilowattstunde aus dem öffentlichen Netz. Der lokale Preis ist für 40 Jahre garantiert, unabhängig davon, wie sich die Preise am Energiemarkt entwickeln. Das stabile Tarifangebot gab den Ausschlag für den ausgewählten ZEV-Betreiber.

Technische und gesetzliche Voraussetzung für die autonome Abrechnung ist eine eigenständige Infrastruktur: Die einzelnen Gebäude sind untereinander mit Leitungen für die internen Stromflüsse verbunden. Transformatoren und digitale Messzähler ergänzen das Mikrogrid, das über einen Sammelpunkt für die Einspeisung von Strom in und aus dem öffentlichen Netz verfügt. Das interne Verteilnetz ist erweiterbar, um weitere Gebäude des Ausgangsbestands oder zusätzliche Strombezüger zu integrieren. So ist die Einrichtung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge geplant. Wie viele installiert werden, ist noch nicht bestimmt. Die Transformation des Standorts zum «Côté Parc» ist eben angelaufen. Noch dauern die Arbeiten an; die Bewohnerinnen und Bewohner werden Anfang 2024 erwartet.

«Côté Parc», Petit-Saconnex GE
 

Bauherrschaft:
Investissements Fonciers, Lausanne

Immobilienentwicklung/Totalunternehmer: Losinger Marazzi, Genf

ZEV- und Wärme-Contracting:
ewz, Elektrizitätswerk Stadt Zürich

Architektur: Burckhardt+Partner architecture et planification générale, Genf; BCMA architectes, Genf; FdMP architectes, Genf; Atelier Descombes Rampini, Genf

Gesamtfläche der Photovoltaikpaneele:
ca. 1300 m2

Solare Spitzenleistung: 290 kWp

Erwartete jährliche Solarenergieproduktion: 285 000 kWh

Eigenverbrauchsanteil der Solarenergie: 25 %

Geothermie:
41 Sonden mit einer Tiefe von 250 m

Mit Unterstützung von energieschweiz und Wüest Partner sind bei espazium – Der Verlag für Baukultur folgende Sonderhefte erschienen:

Nr. 1/2018 «Immobilien und Energie: Strategien im Gebäudebestand – Kompass für institutionelle Investoren»

Nr. 2/2019 «Immobilien und Energie: Strategien der Vernetzung»


Nr. 3/2020 «Immobilien und Energie: Strategien der Transformation»


Nr. 4/2021 «Immobilien und Energie: Mit Elektromobilität auf gemeinsamen Pfaden»

Nr. 5/2022 «Immobilien und Energie: Strategien des Eigengebrauchs»


Die Artikel sind im E-Dossier «Immobilien und Energie» abrufbar.

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