Keine Angst vorm Bio­bad

Wasserknappheit und Energieengpässe spielen den Planenden von Bädern mit biologischer Wasseraufbereitung in die Karten. Das Wasser wird nicht beheizt und im Gegensatz zu chemischen Varianten wird es so aufbereitet, dass kein Wasserwechsel nötig ist. Seit der Eröffnung des ersten Schweizer Biobads im Jahr 2000 hat sich viel getan. Ein Gespräch mit zwei Experten für biologisch aufbereitete Badegewässer: Matthias Frei und Michael Gut.

Date de publication
15-11-2023

Für alle, die dem Sommer nachtrauern, eine Rückblende: Es ist ein kühler Vormittag Ende Juni 2023. Nach einer langen Schönwetterperiode hat das Wasser im Becken der Biobadi Biberstein eine grünliche Farbe. Die Wasserqualität leidet durch einen stärkeren Algenbefall nicht, die Optik jedoch liegt nicht jedem. «Hier sieht man ein ehrliches Bild. Das ist der schlechteste denkbare Zustand. Der Filter ist auf rund 300 Badegäste ausgelegt. In den letzten Tagen zählte man hier bis zu 600 Besucher», sagen die Experten Frei und Gut. Sie haben dieses Bad als Treffpunkt ausgewählt, weil Biberstein im Jahr 2000 die erste öffentliche Anlage war, die das Badewasser biologisch aufbereitete.

Das alte Schwimmbecken wurde dazumal baulich saniert und man legte einen bepflanzten Regenerationsbereich an. «Das Badewasser wird in einem ständigen Kreislauf gehalten. Am tiefsten Punkt des Badeteils wird es abgesaugt, von groben Verunreinigungen gesäubert und dem Klärbecken zugeführt. Im Kiesfilter des Flachwasser-Klärteichs werden schädliche Keime von Mikroorganismen und den Wurzeln der Pflanzen vernichtet sowie Nähr- und Schadstoffe abgebaut», hiess es über die neue Anlage in der Schweizerischen Bauzeitung (TEC21 45/2000).

«Das hat 17 Jahre nicht schlecht funktioniert», sagt Matthias Frei. 2017 setzte man das Bad instand. Der Kiesfilter hatte sich stark verdichtet, sodass er seine Funktion nicht mehr vollständig erfüllen konnte. Mit dem Austausch des Filters hatte man von Beginn an gerechnet. Seine Lebensdauer wurde seinerzeit auf zehn Jahre angesetzt. Der Filter war aber so gebaut, dass er nicht gereinigt werden konnte. Inzwischen stehen neue ausgeklügelte biologische Filtertechniken zur Verfügung. In Biberstein ersetzte man den Kiesfilterbereich durch einen neuen Filter – unsichtbar, platzsparend und dennoch zugänglich für den Unterhalt – ist er unter einer Holzterrasse versteckt.

Der zentrale Unterschied: kein Wasserwechsel

Diesem Filter sind, vergleichbar mit einem konventionellen Bad, verschiedene Siebe und Gitter vorgeschaltet, die Feststoffe und Partikel aus dem Wasser filtern – nicht aber die Nährstoffe. Das heisst, es kumulieren sich immer mehr Nährstoffe (hauptsächlich Phosphor) im Wasser, die das Algen- oder Bakterienwachstum fördern. In einem konventionellen Bad begegnet man dieser Entwicklung durch den Zusatz von Chemikalien und durch das Wechseln des Badewassers. Nicht so in Becken mit biologischer Wasseraufbereitung. Alle Stoffe, die durch Badegäste und andere Quellen ins Wasser gelangen, müssen wieder aus dem System entfernt werden, damit keine Eutrophierung1stattfindet. Das Wasser muss nicht ausgetauscht werden. Da das Wasser im Becken bleibt, wird im Gegensatz zu konventionellen Bädern – man geht dort von ca. 30 Liter pro Tag und Badegast aus – weniger Wasser gebraucht. Frisches Wasser kommt nur ins Becken, wenn durch Verdunstung oder starke Nutzung zu viel verloren geht. Im Privatbereich gäbe es Bäder, die zehn Jahre mehrheitlich mit dem gleichen Wasser gefüllt seien, merkt Michael Gut an.

Vorgänge natürlicher Gewässer nachbilden

Nachdem grobe und feine Partikel entfernt sind, sind die gelösten Nährstoffe im Biofilm zu binden. Dieser nimmt die Stoffe auf und speichert sie, insbesondere geht es um die Fixierung von Phosphor. Durch das Wachstum des Biofilms wird Phosphor in die Biomasse eingebaut und im Filterkörper gespeichert – vergleichbar mit den Vorgängen in natürlichen Gewässern. Auch dort ist der Biofilm der massgebende Organismus zur Reinigung des Wassers. Damit Phosphor von Mikroorganismen im Biofilm aufgenommen werden kann, müssen andere Nährstoffe in ausreichender Konzentration zur Verfügung stehen.

«Vor zehn Jahren wusste man noch gar nicht, was alles ins Wasser eingetragen wird und was so ein Filter leisten muss. Das Bad in Biberstein ist wahrscheinlich das bestuntersuchte Biobad in der Schweiz», sagt Matthias Frei. Vor dessen Instandsetzung führte er viele Grundlagenversuche durch, um herauszufinden, welche Faktoren verantwortlich sind, um ein gutes Filterergebnis zu erzielen: das Material des Biofilters, die Oberfläche des Materials oder die Strömungsgeschwindigkeit?

Es ging Frei aber auch darum herauszufinden, wie man die Mikroorganismen im Biofilm füttern muss, damit sie noch leistungsfähiger werden. Denn je schneller das Zellwachstum und je grösser die Kolonie, desto mehr Nährstoffe können vom Filter aufgenommen werden. «Die Versuche haben gezeigt, dass die Bakterien bei wärmeren Temperaturen besser arbeiten. Das heisst, wenn an heissen Tagen mehr Gäste im Bad sind, arbeitet auch der Filter schneller», sagt Frei.

Entschieden hat man sich bei der Instandsetzung für einen externen Filterbehälter, der die Nährstoffe über kleine Kunststoffelemente bzw. den darauf lebenden Bakterien aus dem Wasser filtert. Der aktuelle Stand der Technik fordert, dass die Biofilter gereinigt und rückgespült werden können – so auch in Biberstein. Dieses Wasser wird konventionell gereinigt. Sollte das Becken jedoch zur Reinigung einmal geleert werden, kann das Beckenwasser direkt in den Vorfluter eingeleitet werden – der Umweg über die Kanalisation und Kläranlage entfällt.

Weniger Verbrauch, dafür richtig viel Arbeit

Nicht nur im Hinblick auf den Wasserverbrauch punkten Anlagen mit biologischer Wasseraufbereitung. Sie können auch energiesparend betrieben werden. Zum einen werden die Bäder nicht beheizt. Zum anderen ist ein Biobad, hydraulisch gesehen, effizienter. Da keine Chemikalien zu Desinfektion und Regulierung des pH-Werts benötigt werden, genügen eine niedrigere Umwälzrate und weniger Einströmpunkte für den Betrieb.

Matthias Frei erklärt: «Die Planung der Anströmung und Wasserverteilung im Becken eines Naturbads ist im Vergleich zur chemischen Wasseraufbereitung differenzierter zu betrachten. Eine schnelle und möglichst gleichmässige Wasserwechselrate vom Becken zum Filter sollte zwar erreicht, jedoch muss die direkte Anströmung von Oberflächen verhindert werden. An angeströmten Oberflächen entstehen schnell Algen, da dort die Nährstoffanlieferung verstärkt wird. Im chemischen Bad ist das Gegenteil der Fall, die Oberflächen werden absichtlich stark angeströmt und mit Desinfektionsmitteln versorgt, damit Algen abgetötet werden.»

Bei diesen vielen Besonderheiten erscheint eine spezifische Ausbildung unumgänglich. Michael Gut bestätigt die Vermutung: «Die Filterwartung und insbesondere die Beckenreinigung sind herausfordernd. Inzwischen gibt es gute Weiterbildungsangebote. Zentral ist aber die Einstellung. Betreiber und Angestellte müssen die Anlage verstehen und die Philosophie leben.» So kommt es immer wieder vor, dass bei der Pflege der Grünflächen Giesswasser oder Rasendünger ins Becken läuft. Bei einem konventionellen Becken würde man das nie machen. Aber besonders auf solche Fremdstoffe reagieren die Bakterien extrem.

Die Biobäder der ersten Generation sind besonders pflegeintensiv – auch aufgrund des damals fehlenden Wissens und einer nicht optimalen baulichen Umsetzung. Michael Gut spricht sogar von einem doppelten Aufwand gegenüber konventionellen Bädern. «Diesen zementierten Ruf aufzubrechen, ist unsere Aufgabe. Mit neuen Projekten möchten wir beweisen, dass es besser geht», sagt er und weiter «Wir sind eine junge Branche, die in den letzten Jahren viel gelernt hat. Die ersten Betreiber von Biobädern mit Edelstahlbecken hatten immer mit Algenbelag zu kämpfen. Es dauerte, bis man herausfand, dass diese Becken vor dem Einbau in der Regel mit einer phosphorhaltigen Polierpaste behandelt wurden.» Inzwischen wisse man, dass sämtliche Materialien, die eingesetzt werden, nicht biologiehemmend sein dürfen und vor allem muss verhindert werden, dass Phosphor ausgewaschen wird.

Dem Algenbelag kann inzwischen entgegengewirkt werden. Dennoch erfordert die Beckenreinigung viel Handarbeit. Frei sagt: «Bei der Entwicklung von automatischen Reinigungsgeräten sind wir noch nicht, wo wir hinwollen.» Um den Aufwand einzudämmen, ist auch die Wahl der Oberflächenmaterialien relevant. Grundsätzlich funktionieren alle Oberflächen, meinen die Experten. Raue Beläge, wie Beton oder Naturstein, sind jedoch besonders aufwendig zu reinigen. Für ein Biobad eignen sich Polypropylen oder Edelstahl, und besonders gut zu reinigen sei Holz. Im Privatbereich gibt es schon zig Beispiele. Wird das Bad überlegt gebaut, sind auch Knackpunkte wie die Ausbildung des Schwankbereichs gut zu meistern, entscheidend sei der Umgang mit Pilzen oder Bakterien im Boden, um das Holz zu schützen.

Umbauen – auch indoor

Alle, die ein Biobad mit Baden zwischen blühenden Seerosen gleichsetzen, müssen stark sein: Ist Biberstein optisch noch an einen Teich angelehnt, sind Bäder mit biologischer Wasseraufbereitung heute oft nicht mehr von herkömmlichen Freibädern zu unterscheiden.

Grundsätzlich muss das Wasser in einem Biobad gem. Badewasserverordnung nicht ganz Trinkwasserqualität erreichen. Verglichen mit natürlichen Gewässern sind die Grenzwerte aber massiv tiefer. «Hier in Biberstein entspricht die Qualität des Wassers Trinkwasser. Einzig an extrem stark frequentierten Tagen kann es sein, dass die Grenzwerte nicht ganz erreicht werden.», erklärt Frei.

Viele Bäder aus den 1980er-Jahren, insbesondere deren Badewasseraufbereitungstechnik sind heute sanierungsbedürftig. Das steigende Umweltbewusstsein der Bevölkerung auf der einen Seite und Ressourcenknappheit auf der anderen führen zu einer steigenden Nachfrage von Anlagen mit biologischer Wasseraufbereitung. Der Erfahrungsschatz im konventionellen Bäderbau ist aber noch deutlich grösser und die öffentlichen Bauherrschaften sind vorsichtig, besonders bei Hallenbädern.

Die Bemessung der Filter wäre hier einfacher, weil Temperaturschwankungen und der Eintrag von Laub oder Blütenstaub entfallen. Michael Gut und Matthias Frei warten aber noch auf eine mutige öffentliche Bauherrschaft, um ein erstes öffentliches Hallenbad mit biologischer Wasseraufbereitung zu bauen. Im privaten Bereich hingegen gibt es schon einige Beispiele.

Schwimmbäder, insbesondere Freibäder werden im sozialen Kontext enorm an Bedeutung gewinnen, davon ist Michael Gut überzeugt. Bäder sind für Gemeinden defizitär, das ist bekannt, aber das Bad zu betreiben ist ein Dienst am Bürger und der Bürgerin.

Anmerkung
 

1 Von Eutrophierung spricht man, wenn Bäche, Flüsse und Seen mit Nährstoffen wie Phosphor- und Stickstoffverbindungen überlastet werden.  

Freibad Biberstein in der Schweizerischen Bauzeitung, 2000

Freibad Biberstein in der Schweizerischen Bauzeitung, 2000