Ur­bane Nis­chen

Trotz aller Diversität scheinen sich in New York in einem Punkt alle einig zu sein: Ohne Sneakers an den Füssen braucht man hier nicht vor die Tür zu gehen. Das hat nun ungeahnte Auswirkungen auf die Gewerbeflächen der Stadt.

Date de publication
11-07-2022

Der Trend zum bequemen Schuhwerk liegt einerseits an den enorm langen Strecken – da muss jede potenzielle Druckstelle von vornherein ausgeschlossen werden. Andererseits ist es in der Geschäftswelt obsolet geworden, der eigenen Gewissenhaftigkeit über gepflegtes Schuhwerk Ausdruck zu verleihen. Die Pandemie mit ihren Zoom-Konferenzen, bei denen die Füsse meistens nicht auf dem Bild zu sehen sind, und während der sich ein Hang zur Gemütlichkeit ausgebreitet hat, mag ihren Teil dazu beigetragen haben.

Dieser Beitrag ist Teil unserer Sommerserie «Hella in New York». TEC21- Redaktorin Hella Schindel berichtet für uns während drei Monaten in loser Folge über Trouvaillen aus dem Big Apple.

Mit der Verabschiedung vom Lederschuh geht ein weiterer Verlust einher. Denn Sneakers sind nicht mit Politur zu pflegen. Moderne Waschmaschinen verfügen über ein eigenes Programm für Sportschuhe. Auf der Strecke bleiben die zahllosen Schuhputzer, die bis dato viele Nischen in der Stadt für ihre Dienstleistungen nutzten. Ein Gewerbe, das gerade Neuankömmlingen ohne Sprachkenntnisse den Einstieg in eine gesicherte Existenz ermöglicht hat.

Der kleine Rest von Bankern und Geschäftsleuten, der noch auf traditionelles Schuhwerk setzt und nicht vollständig aufs Homeoffice umgesattelt hat, stellt keine Geschäftsgrundlage mehr dar. Wurden 2008 im Shoe-Shine-Imperium des Mr. Ardaix in der Grand-Central-Station noch täglich rund 700 Paar Schuhe poliert, so spezialisiert sich dieser inzwischen auf Reparaturen. Das mag sein Metier noch über die nächsten Jahre retten, das Ende ist aber in Sicht.

So spiegelt sich die veränderte Mode auch im Bild der New Yorker Strassen in den Geschäftsvierteln wider. Mit Spannung ist die neue Verwendung der nun frei gewordenen Räume zu erwarten. Auf den sprichwörtlichen Erfindungsreichtum, der im Überlebenswillen der New Yorker wurzelt, war bisher immer Verlass.

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