Sei­ten­blick: Recht­liche Grund­la­gen

Date de publication
18-03-2022
Oliver Streiff
PD Dr. iur. / Dipl. Arch. ETH/ AAK Anwälte und Konsulenten, AG und ZHAW, Zürich

Fragen, wo die schweizerische Rechtsordnung einen unterstützenden und wo einen behindernden Rahmen für die Wiederverwendung von Bauteilen und deren Entwicklung hat, sind nicht abschliessend beantwortet. Tendenzen zeichnen sich allerdings ab. Zwischen der Wiederverwendungspraxis und der Rechtsordnung bestehen drei Verbindungslinien:

Eine erste ergibt sich durch die unterschiedlichen Werkzeuge, die das Recht zur Verfügung stellt. Handlungsspielräume eröffnet das Vertragsrecht. Bei Planer- und Werkverträgen herrscht eine weitgehende Vertragsfreiheit. Engagierte Parteien können damit spezifische Risiken, etwa bezüglich Materialauswahl oder -eigenschaften, frei und ausgewogen verteilen, ­beispielsweise durch eine Neuinterpretation der Nutzungsvereinbarung. Die Baubewilligung und die bauproduktebezogene Leistungserklärung dagegen sind als Instrumente des öffentlichen Rechts weniger elastisch. Auch die Behörden verfügen aber über fachlich oder politisch bedingte Handlungsspielräume (Ermessen), die sie beispielsweise bei Interessenabwägungen auszufüllen haben.

Eine zweite Verbindungslinie ergibt sich über den Begriff des Risikos. Wiederverwendung bringt, wie das Bauen insgesamt, Risiken mit sich, die durch öffentliches Recht reguliert oder durch Privatrecht verteilt werden. Im Bereich der Regulierung steht bei Bauwerken die Sicherheit und der Schutz der Gesundheit im Vordergrund. Beide Aspekte fordern u.a. Generalklauseln im kantonalen Baurecht und im Bauprodukterecht ein. Die technischen Normen konkretisieren diese allgemein gehaltenen Vorgaben. Hinsichtlich der Umweltrisiken sind auch die abfallrechtlichen Bestimmungen zentral. Sie sind allerdings linear auf die Entsorgung von Bauteilen durch Verwertung oder Ablagerung ausgerichtet.

Eine dritte Linie ergibt sich über rechtliche Zielvorgaben und Prinzipien: Verfassungsrechtlich im Vordergrund steht das Vorsorgeprinzip und das Programm der Nachhaltigkeit. Auffallend sind weitere punktuelle, untergesetzliche Zielgrössen, so das Verwertungsmodell für Aushub- und Abbruchmaterial in der Abfallverordnung, aber auch die Grundanforderungen in der Bauprodukteverordnung des Bundes. In diesem Anforderungskatalog ist die Wiederverwendbarkeit des ­Bauwerks als Entwurfs- und Bauprinzip normativ verankert, bisher allerdings ohne praktische Relevanz. Insgesamt fehlen griffige Zielvorgaben für die Einführung von Anreizen oder Pflichten zur Wiederverwendung.

Ein facettenreiches Bild: Möglichkeiten gehen Hand in Hand mit Beschränkungen, die auf den Schutz der Menschen und ihrer Umwelt gerichtet sind.