Im Spin­nen­netz der Ener­gie­wende

Woher kommt die Wärme, wenn fossile Energieträger nicht länger erwünscht sind? Städte und Agglomerationen koordinieren ihre Versorgungsbedürfnisse und suchen Partner zum Aufbau von lokalen Wärmeverbünden.

Date de publication
26-11-2021

Für ein «Dekarbonisieren» der Wärmeversorgung gibt es im Siedlungsbereich ­individualisierte oder gemeinschaftliche Optionen: Luft- oder Erdwärmepumpe, eventuell ergänzt mit Photovoltaik, ist die Lieblingsvariante von Einfamilienhausbesitzern, um das Eigenheim für sich allein CO2-frei zu beheizen. Bei Mehrfamilienhäusern und Quartieren bieten sich derweil gemeinsame Versorgungsmodelle an. Bisher zapften lokale oder regionale Wärmenetze dafür vor allem heisse Energiequellen an: Kehrichtverbrennungsanlagen liefern Abwärme vornehmlich für Stadtquartiere; Biomassezentralen versorgen ländliche Wohngegenden und Dorfkerne. Nun sind auch thermische Netze, die erneuerbare Energien mit geringerer Temperatur verteilen, auf Wachstumskurs: Jedes siebte Wärmeverbundnetz in der Schweiz stellt klimafreundliche Energie wahlweise aus dem Abwasser, den Oberflächengewässern, dem Grundwasser respektive aus Erdwärme oder der Abwärme von Rechenzentren bereit. Gemäss dem nationalen Forschungsprogramm «Thermische Netze» lässt sich dereinst ein Viertel des inländischen End­energiebedarfs für Raumwärme und Warm­wasser mit diesen CO2-freien Quellen decken.1

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Charakteristisch für Niedertemperaturnetze ist: Weil das Angebot zwischen 5 und 25 °C pendelt, eignen sie sich sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen von Gebäuden. Die individuelle Energienachfrage wird zentral oder dezentral mit Wärmepumpen gedeckt. Die Energieversorgungsbranche hat den Bau und Betrieb solcher «Anergienetze» sowie das Bereitstellen von «kalter Fernwärme» als attraktives Investitionsfeld entdeckt.

Energie von Serverfarmen?

Weitere Quellen sind noch zu erkunden und energetisch auszuschöpfen. So verdeutlicht eine Bestandsaufnahme des Bundesamts für Energie, dass Serverfarmen und Rechenzentren als Abwärmeliefe­ranten zu überprüfen sind.2 Von knapp 100 Grossanlagen, die in den Ballungszentren zwischen Genfer- und Bodensee existieren, wird nicht einmal ein Drittel energieeffizient betrieben. Wie es geht, macht zum Beispiel Zürich vor. Zwei städ­tische Rechenzentren versorgen jeweils eine benachbarte Wohnsiedlung mit rund 400 Wohneinheiten. Auch Opfikon und Rümlang, im Norden der Stadt gelegene Vororte, zapfen für ein gemeinsam geplantes Neubauquartier die Abwärme einer nahe gelegenen Serverfarm an. In allen ­diesen Fällen haben die Standortbehörden vorab eine räumliche Energieplanung3 durchgeführt und so die Machbarkeit für eine gemeinschaftliche, dekarbonisierte Wärmeversorgungsinfrastruktur geprüft.

Anmerkungen

 

1 Forschungsprogramm Thermische Netze, Bundesamt für Energie 2016 bis 2021.

 

2 Rechenzentren in der Schweiz – Stromverbrauch und Effizienzpotenzial, EnergieSchweiz 2021.

 

3 Räumliche Energieplanung, EnergieSchweiz für Gemeinden, 2019.