Teil­zeit ver­sus Füh­rungs­auf­ga­ben?

Workshop: «SIA – Der fortschrittliche Berufsverband»

Wie geht das konkret: Vereinbarkeit von Beruf und Familie und berufliche Gleichstellung? Der von SIA und der Fachstelle UND initiierte Workshop mit acht Planungsunternehmen brachte spannende Fragen und Antworten.

Publikationsdatum
28-04-2016
Revision
28-04-2016

Es ist kein schlechtes Zeichen, wenn der Tisch zu klein ist für alle und beinahe die Stühle ausgehen – so war es, als der SIA und die Fachstelle UND Anfang April Vertreterinnen und Vertreter von acht Planungsunternehmen ­und SIA-Mitglieder aus der ganzen Schweiz nach Zürich eingeladen hatten – vom Architekturbüro bis zur Umwelttechnikfirma. Rund ­25 Personen sassen schliesslich um den grossen Tisch im Zürcher Kurs­lokal des SIA. Der Anstoss für den halbtägigen Workshop war vom Netzwerk «Frau und SIA» gekommen. 

Im vergangenen Jahr hatte der SIA Firmenmitglieder gesucht, die bereit sind, innerhalb des Unternehmens Aufgaben der Gleichstellung pilothaft zu bearbeiten, worauf sich eine Reihe von Unternehmen gemeldet hatten. Vertreter von drei der acht teilnehmenden Unternehmen berichteten am Workshop nun über ihre Erfahrungen mit gelebter Gleichstellung und familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen. 

«Der Frau-Mann-Anteil unter unseren Mitarbeitern hat für mich keine besondere Bedeutung», sagte Sybille Theiler, Mitinhaberin des Luzerner Architekturbüros Lüscher Bucher Theiler, wo 50 % der Beschäftigten weiblich sind. Was sie stärker beschäftigt, ist die Frage, wie viel Teilzeit und damit familiengerechte Pensen in einem Architekturbüro praktikabel sind. Ihr vorläufiges Fazit: Eine Projektleitung ist nur mit einem 80-, allenfalls 70-Prozent-Pensum machbar. Für die «Lösung planerischer Teilauf­gaben» kann sie sich auch ein 40-Prozent-Pensum vorstellen. 

Schon etwas länger wird Teilzeitarbeit beim Thuner Umweltplanungsbüro Impuls AG praktiziert. Vor einiger Zeit, so berichtete Myrtha Montani, Biologin und Mitinhaberin der Firma, hatten die Inhaber jedoch das Gefühl, dass die Produktivität merklich sinke. «Sind wir mit der Teilzeitarbeit jetzt an eine Grenze gestossen?», fragte sich die Geschäftsleitung. Im Rahmen des Projekts von SIA und Fachstelle UND ging man der Sache nach. 

Das Prinzip «Geben und Nehmen»

Das Ergebnis steht für Montani unter dem Motto «Geben und Nehmen» – wenn Mitarbeiter die Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeiten, Teilzeit und Arbeit im Homeoffice wünschten, setze das hohe Verbindlichkeit, gute Organisation und viel Eigenverantwortung voraus. «Niemand sollte in die Ferien gehen und bei seinem Projekt alles stehen und liegen lassen.» Als man in der Firma daran ging, Büroeffizienz und Belange der Mitarbeitenden besser abzustimmen, waren «solche Haltungsfragen für uns zentral».

Aus ihrer Sicht sind 50 % ein sinnvolles Mindestpensum, und es gibt einen Wochentag, an dem alle im Büro sein müssen: «Die wöchentliche Bürositzung ist obligatorisch.» Bei der Rekrutierung der Mitarbeitenden achte man auf einen guten Mix: «Nicht nur geschlechtsspezifisch, auch in Hinblick auf das Alter und das berufliche Profil der Mitarbeitenden», wie Montani erklärt. Damit fahre man sehr gut. 

Sind Kollegen ohne Überstunden suspekt?

Von einer Frauenquote von 50 % ist man im Zürcher Ingenieurbüro TBF + Partner weit entfernt. Dafür hat das jüngst stark gewachsene Büro mit seinen aktuell 170 Mit­­­ar­beitenden mit Betriebsökonom ­Nicola Tidoni einen engagierten Human-Resources-Verantwortlichen.

Problematisch findet Tidoni die Vorbehalte, die in der Ingenieurbranche gegen Teilzeitarbeit be­stünden. «Ein Projektleiter, der weniger als 20 Überstunden im Monat macht, bei dem kann irgendetwas nicht stimmen» – fasste Tidoni sarkastisch eine unausgesprochene, aber verbreitete Haltung in der Branche zusammen. An diesem Workshop dominierte die Frage des Arbeitspensums stark den Austausch, wodurch andere Aspekte der Frauenförderung etwas in den Hintergrund gerieten.

Unter allen Berufsgruppen des ­­SIA liegt der Frauenanteil heute bei ­­gut 13 % – das ist nicht sehr hoch, aber nahezu eine Verdopplung gegen­­über den 7.6 % Frauenanteil ­im Jahr ­2005, als die Thuner Stadt­plane­rin Beatrice Aebi mit einigen Mitstreiter­innen «Frau und SIA» gründete, zunächst als sogenannte Spezial­kom­mission. 

Von der Fundiertheit und Offenheit des Austauschs waren alle Workshopteilnehmenden angetan, und am Ende stand ausser Frage: Diese Art von Erfahrungsaustauch wollen wir fortsetzen!

Weitere Informationen
Der oben stehende Artikel ist eine Kurzversion des Berichts vom Workshop «SIA – Der fortschrittliche Berufsverband» – eine ausführ­liche Textfassung finden Sie unter www.sia.ch/fortschrittlicher-berufsverband

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