Je­des Haus hin­ter­lässt Spu­ren

Schadstoffquellen

Die Gewässerqualität wird über die Gehalte an Spurenstoffen gemessen und bewertet. Doch wie werden die Quellen erfasst? Der Mitautor einer Ökobilanzstudie über Gebäude zeigt, dass Bauzusatzstoffe stärker zu beachten sind.

Publikationsdatum
14-04-2016
Revision
25-05-2016

Was als Mikroverunreinigungen in den Gewässern anzutreffen ist, stammt oft aus diffuser Herkunft. Vor einigen Jahren liessen allerdings Erkennt­nisse der Eawag, des Wasserforschungsinstituts des ETH-Bereichs, aufhorchen, dass Siedlungsgebiete als Quelle von Biozideinträgen ebenso relevant sein können wie die Landwirtschaft.1

Bei Letzterer ist vor allem der Pflanzenschutzmitteleinsatz schuld daran; demgegenüber tragen Gebäude zur ­Gewässerbelastung bei, weil das Regenwasser aus Bauteilen wie Fassade und Dach unterschiedliche Stoffspuren auswaschen kann.

Aber auch Baustoffzutaten, die als Schadstoffe zuerst in die Luft entweichen oder in den Boden gelangen, können sich weiter in die Gewässer ausbreiten. Auf ein einzelnes Gebäude bezogen, sind die Mengen zwar gering; doch im gesamten Baubestand können sich diese zu bedeutenden Konzentrationen aufsummieren. In einer Auftragsarbeit für die Stadt Zürich und das Bundesamt für Umwelt sind daher erstmals die Stoff­emissionen während der Nutzung von Gebäuden ermittelt worden.2 

Das Vorgehen dafür ist: Anhand der chemischen Eigenschaften von einzelnen Stoffen oder Stoffgruppen lassen sich deren charakteristische Emissionswege bestimmen. Und ausgehend von der Zusammensetzung verschiedener Bauteile werden ­jeweils die stoffbezogenen Umweltauswirkungen identifiziert, quantifiziert und hinsichtlich gesetzlicher Vorschriften bewertet.

Die Bilanzierung aggregiert unterschiedliche Umweltauswirkungen (Gewässerbelastungen, Emissionen von Treibhausgasen, Freisetzung humantoxischer Substanzen) und wird mit «Umweltbelastungspunkten» bemessen.

Den direktesten Weg vom Gebäude in Gewässer und Böden finden Schadstoffe, die löslich sind und ­daher vom Regenwasser verfrachtet werden können. Einige Baustoffe enthalten auswaschbare Biozide, zum Beispiel als Filmschutzmittel oder Konservierungsmittel in Farben und Lacken.

Kunststoffprodukten oder Zellulosedämmstoffen sind vergleichbar umweltgefährdende Flammhemmer beigemischt, die dem Brandschutz dienten. Dabei handelt es sich oft um wasserlösliche Substanzen mit Brom oder Borsäure. Auch Schwermetalle sind relevant; vor allem Zink und Kupfer respektive Bauteile mit Zink- oder Kupferblech sowie verzinktem Stahlblech. Für die Umweltgefährdung der oben erwähnten Stoffe jedoch gilt: Sind sie am Gebäude vor der Witterung geschützt, können allfällige Emissionen in die Gewässer und Böden verhindert werden.

Als Problemstoffe hat die AHB-Ökobilanz ebenfalls vergangene Sünden aufgedeckt: In früher verwendeten Bauprodukten finden sich Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die bis heute in die Luft gelangen und dort mithelfen, die Ozonschicht abzubauen. Aus älteren Polymerbitumenbahnen kann zudem Mecoprop ausgewaschen werden: ein Herbizid, das als Wurzelschutz beigemischt ist. Neuere Produkte können das Pflanzengift weiterhin enthalten, geben davon allerdings deutlich weniger an das Regenwasser ab. 

Produktinhalt meist unbekannt

Für Zusatzmittel und Hilfsstoffe gilt generell, dass sie aus allen Bauteilen ausgewaschen werden können, selbst aus Beton. Daher stellt sich für die verwendeten und verbauten Produkte die Frage, wie viel davon in die Um­welt gelangt, wie schnell sie abgebaut werden und wie toxisch sie für Lebewesen im Boden oder in Gewässern sind.

Solche Schadstoffemissionen zu bestimmen, die in der Nutzungsphase von Gebäuden auftreten, ist allerdings alles andere als trivial. So ist zum Beispiel die vollständige Zusammensetzung von Baustoffen nie bekannt (vgl. TEC21 25/2015) respektive die Rezeptur oft nicht nachvollziehbar deklariert.

Zudem sind die Emissionen während der Nutzung nur für die wenigsten Baustoffe über eine lange Zeit gemessen worden. Daher können die meisten Emissionsmengen nur aus kurzfristigen Messungen oder anhand von theoretischen Überlegungen abgeleitet werden. Entsprechend unsicher ist die Abschätzung, welche Stoffe und wie viel davon aus einem Bauteil während der Gebäudenutzung tatsächlich ausgewaschen werden oder anderweitig entweichen.

Die Ergebnisse der Ökobilanzstudie zeigen ­­nun auf, dass die relevanten Auswirkungen von relativ ­wenigen Stoffgruppen verursacht werden und die Nutzungsphase für deren Umweltbelastung meistens re­levanter ist als die Erstellung und Entsorgung der ana­lysierten Stoffe. Die bedeutendsten Umweltschadstoffe sind Kupfer und Zink, die aus Metalldächern und -fassaden abgeschwemmt werden. Die Herstellung von Metallbauteilen ist bereits sehr energieintensiv; für die Umwelt noch relevanter sind dagegen die Stoffemissio­nen, die durch Verwitterung während der Nutzung entstehen.

Aus Kautschuk-Dachbahnen kann ebenfalls Zink austreten; die Umweltbelastung dieser Baustoffe ist während der Gebäude ebenfalls deutlich höher als in der Herstellung. Und zudem führen Putze und Farben mit biozidhaltigem Filmschutz in den Gewässern zu Mikroverunreinigungen. Biozide werden auch im Holzbau für den Bläueschutz eingesetzt.

Beim Vergleich verschiedener Bauteile ist jeweils die verbaute Menge zu berücksichtigen: So ist die Umweltbelastung von Fassadenanstrichen, die nur einige Mikrometer dick sind, geringer als bei einem Wandputz in Millimeterdicke. Eine Fassade aus Titanzinkblech, Kupferblech oder verzinktem Metallblech verursacht wiederum rund 25-mal mehr UBP pro m2 als eine verputzte und gestrichene Fassadenfläche mit biozidhaltigem Filmschutz.

In der Ökobilanz nicht berücksichtigt sind die aktuell diskutierten, mechanisch abgescheuerten Kunststoffbestandteile von Gebäuden. Noch ist zu wenig bekannt, welche Bauprodukte dafür verantwortlich sind. Ihre Auswirkungen auf die Umwelt sind ebenfalls weitgehend unerforscht.

Regeln für Verwitterungsschutz

Für die Stoffemissionen von Gebäuden sind zwar keine quantitativen Vorgaben einzuhalten, ausser es wird eine Zertifizierung für ein Nachhaltigkeitslabel angestrebt. Für die Konzeption sowie die Materialwahl existieren allerdings einfache Regeln, wie umweltschädliche Stoffemissionen in die Gewässer zu vermeiden sind: 

  • Von grossflächigen Dacheindeckungen und Fassadenabdeckungen mit Titanzinkblech, verzinktem Stahlblech oder Kupferblech ist abzuraten. 
  • Flachdächer sollten nur mit Bitumen- oder Kautschukbahnen abgedichtet werden, die nachweislich keine Emissionen verursachen. 
  • Bitumendichtungsbahnen ohne Wurzelschutz sind biozidfrei, weshalb es zu keinen Emissionen kommen kann.
  • Für Bitumendichtungsbahnen mit Wurzelschutz ­oder Elastomerdichtungsbahnen sind Herstellernachweise zur «Biozidfreiheit» zusätzlich einzufordern. 
  • Die Fassaden sollen konstruktiv derart geplant re­spektive die Oberflächenmaterialien so ausgewählt werden, dass weder ein Filmschutz im Putz respektive Farbanstrich noch ein (Pilz- und) Bläueschutz für die Holzschalung erforderlich ist. 

Gute Beispiele aus der Praxis sind dagegen Hausfassaden mit natürlich vergrauter, umweltfreundlicher Holzschalung. Unbehandelte Fassaden verändern sich jedoch abhängig von Witterungsexposition und Sonnen­einstrahlung, weshalb die Bauherrschaft darauf gezielt hinzuweisen ist.

Für verputzte Aussenwärmedämmsysteme stehen derweil hydrophile Dickschichtputze ohne Biozidzugabe zur Verfügung. Diese Fassadenvariante wurde beispielsweise bereits vor acht Jahren für ein Einkaufszentrum in St. Gallen eingesetzt: Der Dickschichtputz besitzt eine hohe Flächenmasse, was die Abkühlung in der Nacht und dadurch die Kondensation deutlich reduziert.

Zudem saugt sich der Deckputz bei Regen dank offenporiger Struktur mit Wasser voll. Im Endeffekt steht weniger Feuchtigkeit für das allfällige Wachstum von Mikroorganismen zur Verfügung; der chemische Biozidschutz, der zusätzlich die Umwelt gefährden kann, wird folglich obsolet. Allerdings ist die Bezeichnung «Dickschichtputz» nicht eindeutig: Hinweise auf «Filmschutz» oder «herbizide Ausrüstung» bezeichnen ein Putzsystem, das Biozide enthält; frei davon sind daher nicht alle Deckputzsysteme.

Anmerkungen

1 «Significance of urban and agricultural land use ­for biocide and pesticide dynamics in surface waters», Wittmer et al.; Water Research, May 2010. http://dx.doi.org/10.1016/j.watres.2010.01.030.

2 «Ökobilanzierung der Nutzungsphase von ­Baustoffen», Büro für Umweltchemie; Auftraggeber: Stadt Zürich, Bundesamt für Umwelt, Kt. Zürich 2015. www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen

Magazine

Verwandte Beiträge