Zwi­schen Ex­per­ti­se und Bau­me­dia­ti­on: die me­dia­ti­ve Klä­rung

Konflikte beim Planen und Bauen

Um Schadenfälle zu klären, ziehen Bauherren immer häufiger und immer schneller externe Experten hinzu. Dadurch wird es oft schwierig, im offenen Gespräch einvernehmliche Lösungen zu finden. Die Wahl geeigneter Verfahren und Experten ist entscheidend. Bauexperten mit hoher Sozialkompetenz und mediativen Fähigkeiten können helfen.

Publikationsdatum
14-07-2017
Revision
14-07-2017

Die kürzlich eingegangene Anfrage eines Architekten betrifft die eingeschossige Dachaufstockung in Holzbauweise auf ein mehrgeschossiges Wohnhaus. Die Montage sei nicht rund gelaufen, es gebe Risse in Wand- und Deckenverkleidungen. Die Bauherrschaft habe das Vertrauen in die Bauunternehmung verloren, sie spricht bereits vom Rückbau der Aufstockung. Mit der statischen Berechnung eines Experten solle nun das Vertrauen wiederhergestellt werden. Aufgrund der telefonisch verfügbaren Angaben steht rasch fest: eingeschossiger Holzbau, anerkannte Holzbauunternehmung, Bauherrschaft mit höchsten ästhetischen Ansprüchen und Vertrauens­verlust im Projektteam. Auf den Websites der beteiligten Firmen finden sich folgende Statements: «Handwerk auf höchstem Niveau», «Wir legen Wert auf faire und langfristige Zusammenarbeit», «Wir kümmern uns um Ihre Anliegen».

Mediative Klärung statt statische Berechnung

Der Schluss liegt nah: Da hilft keine statische Berechnung mit Tragfähigkeits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweisen, vielmehr sind ­umfassende vertrauensbildende Massnahmen nötig. Anstelle einer statischen Berechnung schlägt der angefragte Experte eine «mediative Klärung» vor. Architekt, Bauherr und Unternehmer analysieren und klären zusammen mit dem Baumediator, der auch Holzbauexperte ist, die Situation und finden adäquate Lösungen. Mit dieser Methode kann die Aufgabe umfassend beurteilt und das Wissen aller genutzt werden. Nach der ersten Besprechung sind die technischen Probleme erkannt: Grund für die Rissbildung sind die nicht systemgerechte Verarbeitung und Materialisierung der Verkleidungen. Erstmals wird von der ­Bauherrschaft die Lärmbelästigung von der Strasse angesprochen. Der beigezoge­ne Bauphysiker ortet den Grund in Leckagen, entstanden bei der Montage der grossen Fenster.

In der zweiten Besprechung werden die Verantwortlichkeiten bestimmt, Termine und Kostenteiler geregelt. Die Beteiligten sind erstaunt, wie schnell und einvernehmlich sich die Sache klären liess: «Ich hätte nicht gedacht, dass wir in dieser Form solche Resultate finden können.» «Ich bin froh, dass eine mediative Fachperson dabei war.» «Damit können wir für alle einen positiven Schlussstrich ziehen.»

Wie das Beispiel zeigt, werden Expertisen in Auftrag gegeben, um «urteilsbildend» zu wirken und zur Lösung des Konflikts beizutragen. An Mediation wird zu diesem Zeitpunkt meist nicht gedacht, da Mediation als aussergerichtliches Verfahren vermeintlich wenig Rechtssicherheit bietet. Dies hat sich mit der neuen Zivilprozessordnung (ZPO) von 2011 geändert. Mediation als gemeinsames Verfahren wird oft erst dann in Erwägung gezogen, wenn Expertisen oder Gutachten nicht zielführend sind und bereits Konflikte ausbrechen: gestörte Zusammenarbeit, Baustopp oder gar das Scheitern des Projekts, unklare Zusatzkosten oder Verzögerungen.

Wem kann ich heute noch vertrauen?

«Wir leben in einer Zeit der medialen und kommunikativen Verwirrung. Overnewsed but underinformed. Wem kann ich eigentlich noch trauen?», sagte kürzlich Markus Spillmann in einem Interview in der NZZ. Bauexperten, die Mediatoren sind, schätzen zunächst die Ausgangslage ein und schlagen erst dann das passende Verfahren vor, um den Konflikt zu lösen: Mal ist eine Expertise zielführend, mal eine Baumediation. Mit gezielten Fragen, Einfühlungsvermögen und mediativen Kompetenzen gewinnt der Mediator das Vertrauen der Beteiligten und findet gemeinsam mit ihnen den passenden Weg.

Welche Fähigkeiten zeichnet eine Fachspezialistin und Mediatorin aus? Gut zuhören können, das Projekt in seiner Breite und seine Beteiligten erfassen, die angefragte Lösung hinterfragen und wenn nötig eine alternative Lösung anbieten. Das kann auch bedeuten, dass der Auftrag an eine geeignetere Fachperson weitergegeben wird.

Ein Beispiel aus dem Bereich Denkmalpflege zur Veranschaulichung: Eine geschützte Schulhausanlage aus den 1970er-Jahren sollte erweitert werden. Der ausgeschriebene Ideenwettbewerb wurde sistiert, da Zweifel an der richtigen Einschätzung der Anlage durch die öffentliche Denkmalpflege-Fachstelle laut wurden. Dies führte dazu, dass die geforderten neuen Raumprogramme nicht so umgesetzt werden konnten wie von der Gemeinde und den Nutzern gewünscht.

Die Auflagen der Denkmalpflege wurden als zu restriktiv empfunden. Das Planungsbüro, das das Verfahren begleitete, fragte einen externen Denkmalpflegegutachter an, der auch Mediator ist, um die blockierte Situation zu lösen. Man entschied sich für ein externes Gutachten, bei dem nochmals die genauen Bedürfnisse der Gemeinde und Nutzer eruiert und die Positionen der Denkmalpflege erfragt wurden. Der Experte hörte alle Parteien an. Sein Gutachten sowie die darauf folgenden Gespräche mit allen Beteiligten schufen eine von allen Seiten ak­zeptierte fachliche Grundlage. Sie zeigte Varianten für eine Weiter­entwicklung auf, die sowohl die ­Ansprüche der Nutzer als auch den denkmalpflegerischen Schutz berücksichtigte. Durch die media­tive Position der Gutachterin konnte die Situation deblockiert und das Projekt fortgeführt werden.

Baumediator ist Experte und Mediator

Bei der Wahl zwischen Expertise oder Mediation zur Konfliktlösung ist das Profil der Fachperson zentral. Zielführend ist der Beizug einer Fachperson mit mediativem Hintergrund. Sie kann entscheiden, welches Vorgehen sich für eine Anfrage eignet. Sie weiss auch um die Bedeutung der eigenen Rolle: die des verlässlichen Experten, der professionell zwischen «knallharten» Fakten und den weichen Faktoren, die in den Konflikt hineinwirken, wechselt. Damit gibt es eine klare Aufgaben- und Rollentrennung: Experten, die Gutachten erstellen und wenn möglich mediativ auf die Beteiligten wirken, oder Mediatoren, die eine Mediation durchführen – eventuell auf Grundlage einer Expertise von Dritten. Die Mehrfachkompetenz, Fachspezialistin und Mediator, sichert eine zielorientierte und ­passende Beratung. Damit können für alle Konflikte, vom bestrittenen Honorar bis zum blockierten Gross­projekt, massgeschneiderte und deeskalierende Lösungen gefunden werden. Dieses Vorgehen ist kostengünstig, beziehungsschonend und schnell.

Aus Gründen der Vertraulichkeit sind die Beispiele anonymisiert und verändert.
 

Verwandte Beiträge