Zer­stör­te Ver­gan­gen­heit, va­ger Aus­blick

Publikationsdatum
29-08-2012
Revision
25-08-2015

Anlässlich der Architekturbiennale in Venedig ist im Palazzo Bembo an der Rialto-Brücke die Ausstellung «Traces of Centuries» des chinesischen Künstlers Ying Tianqi (geboren 1949) zu sehen. Präsentiert vom chinesischen Kunstkritiker Wang Lin und von den niederländischen Kuratoren Karolyn de Jogh und Sarah Gold, zeugt die Ausstellung von der kritischen Auseinandersetzung des Künstlers mit der aktuellen Entwicklung chinesischer Städte. Insbesondere beschäftigt ihn die rasante «Erneuerung» von Altstädten, die teilweise auf eine mehrere Jahrtausende alte Geschichte zurückblicken und innert weniger Tage dem Erdboden gleichgemacht werden. Wie gehen die vertriebenen Einwohnerinnen und Einwohner mit dem brutalen Verlust ihres angestammten Lebensraumes um? Wie verkraftet eine Kultur, in der Ahnenkult und Traditionen eine zentrale Rolle spielen, das abrupte Verschwinden ihrer gebauten Identität 
Zerstörung, Verlust und Trauer beherrschen auch andere Werke von Ying Tianqi, der bereits an der Kunstbiennale von 2011 in Venedig ausgestellt hat. In der aktuellen Ausstellung geht es um die Demolierung des historischen Kerns der Stadt Wuhu. Neben beklemmenden künstlerischen Installationen zeigt Ying Tianqi auch dokumentarische Aufnahmen und lässt Zeugen zu Wort kommen. Und schliesslich stellt er die für die Betroffenen unmittelbar drängende, letztlich aber das ganze Land tangierende Frage: «Wie weiter ». Dass die Antwort nur tastend erfolgen kann, verhehlt er nicht.

Im Gegensatz zu dieser engagierten Stellungnahme wirkt die zweite Ausstellung ein Geschoss weiter oben im selben Palazzo eher bruchstückhaft. Die von Valeria Romagnini und Rene Rietmeyer ausgerichtete Schau «Future Steps» präsentiert Projekte zahlreicher Architekturbüros aus aller Welt. Der rote Faden ist allerdings nur schwer auszumachen, auch wenn die Mehrzahl der Arbeiten mehr oder weniger direkt dem Thema des «Common Ground» im Sinne einer gemeinsamen – physischen oder kulturellen – Lebensgrundlage gewidmet ist beziehungsweise sich mit der Bedrohung natürlicher Ressourcen auseinandersetzt. Zudem schwankt die Qualität der Projekte beträchtlich. Weniger wäre hier mehr gewesen, zumal die einzelnen Präsentationen mit sehr wenig Platz auskommen müssen. 

Ausstellung «Traces of Centuries and Future Steps»
Dauer: 27. August bis 25. November 2012
Ort: Palazzo Bembo, Rialto, Venedig
www.palazzobembo.org

 

 

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