Wir sind in Sor­ge

Der Fall eines freigestellten Professors am Departement für Architektur der ETH Zürich, dem mehrere Frauen sexuelle Belästigung vorwerfen, gibt derzeit zu reden. Jüngste Berichte lassen vermuten, dass der Fall nur die Spitze eines Eisbergs ist. Der SIA wendet sich an die Verantwortlichen.

Publikationsdatum
21-11-2018
Revision
22-11-2018

Sehr geehrter Herr Dekan des Departements Architektur Philip Ursprung,
sehr geehrter Herr Präsident der ETH Zürich Lino Guzzella

Im Oktober 1855 hat die damalige «eidgenössische polytechnische Schule», Vorgängerin der heuti­gen ETH Zürich, die «Bauschule» als eine von sechs Abteilungen gegründet. Seitdem ist die ETH Zürich Heimat ganzer Generationen von Architektinnen und Architekten geworden. Viele von uns sind stolze Alumni und Alumnae, die sich ihrer Hoch­schule ein Leben lang verbunden fühlen und tagtäglich für deren Werte einstehen.

Nun sind wir in Sorge – in Sorge um das Ansehen unserer Alma Mater. Die Vorkommnisse in Zusammenhang mit einem Pro­fessor am Departement für Architektur, dem mehrere Frauen sexuelle Belästigung vorwerfen, erschüttern uns. Wir begrüssen, dass Sie nun eine Untersuchung eingeleitet haben. Den beschuldigten Professor haben Sie freigestellt. Leider erst, nachdem die Medien den Fall publik gemacht haben.

Jüngste Medienberichte – wie der Beitrag «Machokultur auf dem Hönggerberg» in «Die Wochenzeitung» vom 18. Oktober – legen nun zumindest die Vermutung nahe, dass der Fall nur die Spitze eines Eisbergs ist. Gemäss ETH-Fachstelle für Chancengleichheit «Equal!» ist der Fall des suspendierten Architekturprofessors nicht der erste seiner Art. In der Vergangenheit sei es zu weit schlimmeren Fällen als dem ak­tuellen gekommen, heisst es in dem Bericht. Gleichzeitig mehren sich Stimmen von betroffenen Studentinnen, die über ähnliche Erfahrungen berichten.

Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung, bis deren Verschulden nachgewiesen ist. Dennoch fordern wir Sie heute auf, Transparenz zu schaffen und die Frage zu beantworten: Wie gravierend sind die Themen «Machtmissbrauch» und «sexuelle Belästigung» am Departement für Architektur? Ein von einer unabhängigen Stelle erstellter, öffentlich zugänglicher Bericht wäre ein wichtiger erster Schritt, um glaub­haft darzulegen, dass Sie als Verantwortliche das Thema ernst nehmen und die Missstände beseitigen wollen. Dringend sollten Sie die Position der Studierenden, die sexuelles Fehlverhalten und Machtmissbrauch melden wollen, stärken – mit entsprechenden Anlaufstellen und klaren Prozessen, die im Verdachtsfall kon­sequentes Handeln seitens Departements- und Hochschul­leitung umfassen sollten.

In diesem Zusammenhang wie­der­holen wir unser Anliegen, mit dem wir bereits Ende 2016 und Mitte 2017 an Sie herangetreten sind und das Ihrerseits bis heute unbe­antwortet geblieben ist: die Er­höhung der Anzahl der Professorin­nen im Departement für Architektur. Ein höherer Frauenanteil im Lehrkörper würde massgeblich zu einem gleichberechtigten Miteinander auf dem Hönggerberg beitragen.

Gern bieten wir Ihnen, geschätzte Herren, in den ge­nannten Bereichen die Unterstützung durch unser Kompetenz­zentrum für Genderfragen und Diversität «Frau und SIA» an, das sich seit nunmehr 15 Jahren für faire Geschlechterbeziehungen in der Bauplanungsbranche einsetzt.

Stefan Cadosch, Präsident SIA;
Daniel Meyer, Vizepräsident SIA

 

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