Wie viel Tech­nik braucht ein Haus?

Low Tech | No Tech

Die Energieeffizienz der Gebäude ist zuletzt deutlich gestiegen. Geltende Vorschriften sichern bei Neubauten hohe Standards. Aktuelle energiepolitische Forderungen gehen weiter. Ist eine hohe Technisierung der Bauten nötig, oder gibt es Alternativen? Eine Tagung der SIA-Berufsgruppen Architektur und Technik widmet sich diesem Thema.

Publikationsdatum
24-08-2017
Revision
24-08-2017

Die Entwicklung der letzten Jahre führte zu einem vermehrten Einsatz von Gebäudetechnik. Kompakte Gebäudeformen, optimierte Gebäudehüllen und hohe interne Wärmelasten bedingen einen Ausgleich und eine laufende Steuerung und Regelung des Innenklimas. Die Digitalisierung bietet überdies neue Möglichkeiten, um das Klima in Gebäuden noch besser zu steuern. Ein geregeltes Innenraumklima ist im täglichen Umfeld zur Gewohnheit geworden. Autos, Busse und Züge bieten diesen Standard. Warum sollen gerade Gebäude davon ausgenommen sein?

Trotz der Vorzüge der technischen und digitalen Unterstützung stösst deren Anwendung immer noch oder wieder vermehrt auf Vorbehalte: allgemeine Skepsis gegenüber der Technisierung, gepaart mit einer Ablehnung jeglicher Fremdbestimmung. Es gibt aber auch ganz konkrete Befürchtungen, ob die Anlagen und Systeme aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebenszyklen langfristig tauglich sind. Ist es tatsächlich möglich und praktikabel, alle Komponenten vorzeitig auszuwechseln?

Mit Skepsis wird auch die Störungsanfälligkeit der Gebäudetechniksysteme beobachtet, die im Unterschied zum Auto stets Unikate sind. Die Kritik entzündet sich zudem daran, dass jede weitere Steigerung der Energieeffizienz einen weiteren Einsatz von Gebäudetechnik auslöst: Komfortlüftung mit Kühlung, Luftbefeuchtung, Storensteuerung etc. scheinen unumgänglich. Diese Anlagen erfordern einen aufwendigen Unterhalt, was ein entsprechendes Know-how im Betrieb voraussetzt. Das Ideal, höchste Energieeffizienz und Nutzerzufrieden­heit nur mit baulichen Massnahmen zu erzielen, bleibt meist unerreicht.

Weniger Technik – mehr Energieeffizienz

In jüngerer Vergangenheit sind vermehrt Anstrengungen zu erkennen, neue Wege zu beschreiten. Die baulichen Potenziale werden aktiviert und in die Berechnungen einbezogen. Die Mittel selber sind nicht neu, sondern einfach und bekannt: beispielsweise eine wirksame Verschattung der Fassaden zur Reduktion des sommerlichen Wärmeeintrags oder eine effektive Nachtauskühlung, um die inneren Lasten abzutragen. Eine geschickte Kombination von Massnahmen führt zu einer nennenswerten Reduktion der Gebäudetechnik.

Im Rahmen einer Fachtagung wollen die beiden Berufsgruppen Architektur (BGA) und Technik (BGT) die Grenzen dieser Fragestellung ausloten: Inwiefern ist es möglich, mit baulichen Massnahmen Gebäudetechnik zu reduzieren? Kann den üblichen Komfortansprüchen noch entsprochen werden, oder muss man hier Abstriche in Kauf nehmen? Die Veranstaltung gliedert sich in zwei Teile: Der erste widmet sich den Zielsetzungen und Strategien, im zweiten werden vier gebaute oder geplante Projekte vorgestellt, die mit unterschiedlichen Ansätzen arbeiten.

Ziel der Tagung ist es, die bisher eher wenig beachteten Low-Tech- oder sogar No-Tech-Lösungen in den Vordergrund zu rücken. In ihnen steckt grosses Innovationspotenzial: Die Energieeffizienz und die Nutzerzufriedenheit von Gebäuden könnte nochmals deutlich gesteigert werden. Dies könnte dazu motivieren, über die gesetzlichen Vorgaben zur Energieeffizienz hinauszugehen.

Tagung Low-Tech | No-Tech

9. November 2017, 13 Uhr, Haller-Pavillon, Brugg
Referenten: Christoph Wieser, Dozent Hochschule Luzern (HSLU); Adrian Altenburger, Präsident Zentralkommission für Normen SIA; Werner Binotto, Kantonsbaumeister St. Gallen; Sabrina Contratto, Baumschlager Eberle, mit Peter Widerin, T.A.U.; Roger Bolts­hauser, Boltshauser Architekten, mit Martin Rauch; Michael Fischer, Herzog & de Meuron, mit Tobias Fiedler, Transsolar; Jens Studer, Schneider Studer Primas Architekten, mit Marco Waldhauser, Waldhauser + Hermann.

Info: www.sia.ch/tech

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