We­ge zum Schutz

Umsetzung durch die Behörden

Kantone und Gemeinden können historische Gärten und Anlagen mithilfe der ICOMOS-Liste durch Schutzbestimmungen langfristig sichern. Wie das geschehen kann, zeigt ein Pilotprojekt in Aarau.

Publikationsdatum
19-03-2015
Revision
06-10-2015

Der zunehmende Siedlungsdruck macht es notwendig, die historischen Zeugen der Schweizer Gartenkultur langfristig zu sichern. In verschiedenen Kantonen dient die ICOMOS-Gartenliste bereits als Arbeitsgrundlage für die Nutzungsplanung und die Erstellung von Denkmalinventaren. Doch das ehrgeizigste und zugleich wichtigste Ziel – die rechtliche Sicherung schützenswerter historischer Gärten und Anlagen – haben bis heute nur wenige ­Kantone erreicht. Die in privater Initiative erstellte ­ICOMOS-Liste ist nicht rechtsverbindlich und bildet lediglich eine Grundlage für weitergehende, vertiefende Inventare und Schutzmassnahmen. Daher lanciert das Bundesamt für Kultur in den Jahren 2014  bis 2016 ­Pilotprojekte in Gemeinden, die ihre historischen ­Objekte sichern wollen. 

Das erste derartige Projekt läuft seit Dezember 2014 in der Stadt Aarau. Bereits seit 2012 und voraussichtlich noch bis 2017 revidiert die Gemeinde ihre allgemeine Nutzungsplanung. In einem ersten Schritt hat sie die Strategie in einem Raumentwicklungsleitbild festgelegt. Es sieht unter anderem vor, charakteristische Quartierstrukturen zu stärken, wertvolle Bausubstanz und prägnante Landschaftselemente zu erhalten; aus­serdem sollen Frei- und Strassenräume aufgewertet werden. In einem zweiten Schritt werden der Zonenplan sowie die Bau- und Nutzungsordnung überarbeitet. 

Für Bauvorhaben in Gartenstadtquartieren hatte der Stadtrat schon im Jahr 2012 Richtlinien festgelegt, denen eine Ortsbildstudie zugrunde lag. Künftige Sied­lungs­entwicklungen sollen so behutsam angegangen werden. Prägende Elemente und der Gesamtcharakter bleiben nach Möglichkeit erhalten, insbesondere die charakteristische Durchgrünung als zentrales Merkmal der Gartenstadtquartiere. Die Hauptelemente dieser Richtlinien werden in die laufende Revision aufgenommen.

Als Nächstes rückt die Stadt Aarau den Fokus nun auf ihre historisch bedeutenden Gärten und Anlagen. In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Kultur sollen die Planungsgrundlagen um ein entsprechendes Inventar ergänzt werden. Gemeinsam mit dem Bauinventar kommunal wertvoller Bauten ergibt sich somit eine systematische Übersicht aller Kulturobjekte. 

Um dieses Inventar der historischen Gärten und Anlagen zu erstellen, wurde zunächst der Bestand an bedeutsamen Objekten erfasst. Der Perimeter umfasst das gesamte Stadtgebiet, als Zeitgrenze wurde 1980 festgelegt. Die angewendete Methode macht sich die Erfahrungen aus dem städtischen Bauinventar zunutze; weiteren Input lieferten die Arbeitsgrundlagen der ­Projektgruppe «Inventar der historischen Gärten und Anlagen des Kantons Aargau» des Aargauer Heimatschutzes und der Aargauer Landschaftsarchitekten. Letztere haben in privater Initiative seit 2012 Inven­tare für die Testgemeinden Obersiggenthal, Lenzburg und Reinach erstellt. Auf diese Vorarbeiten kann bei der Arbeit am Inventar der Kantons­hauptstadt zurückgegriffen werden.

Gärten und ihre Eigenheiten

Das Inventar erarbeitete im Auftrag der Stadt Aarau eine private Firma, der eine Begleitkommission zur Seite gestellt wurde. Als Nächstes muss die Gemeinde definieren, in welcher Form die Ergebnisse in die revidierte Planungs- und Nutzungsordnung einfliessen. Die künftigen Schutzbestimmungen müssen die spezifischen Eigenheiten der Gärten und Anlagen berücksichtigen, ebenso die wichtigsten Wechselwirkungen der Objekte mit ihrem Umfeld. Einzelne öffentliche Anlagen wie der Friedhof Rosengarten sind nicht nur Gartendenkmäler, sondern strukturieren als prägende Elemente das Ortsbild. Andere Gärten bilden eine Einheit mit historisch wichtigen Bauten. Weitere Anlagen sind allein durch ein herausragendes Objekt bedeutend, man denke etwa an Einzelbäume. Bisweilen ist vor allem der freie und unbebaute Raum wertvoll und schützenswert. 

Das Aarauer Inventar der historischen Gärten und Anlagen ist als behördenverbindliches Hinweis­inventar konzipiert. Die Umsetzung der Schutzmassnahmen im Rahmen der Nutzungsplanung ist ein po­litischer Prozess, bei dem verschiedene Interessen gegeneinander abzuwägen sind. Denn jede Schutzmassnahme schränkt den Handlungsspielraum der Eigentümer ein. Wird in privates Eigentum eingegriffen, muss dies in einem ausgewogenen Verhältnis zur Bedeutung des Objekts und zu seinen Schutzzielen geschehen. Eine Abstufung ist daher sinnvoll. 

Damit bedeutende Gärten und Anlagen möglichst unversehrt fortbestehen, müssen sie umfassend geschützt werden. Gleichzeitig können für bescheidenere Objekte, die in erster Linie für Ortsbild und Quartierstruktur wichtig sind, weniger einschneidende Massnahmen vorgesehen werden. Nur wenn die Betroffenen nachvollziehen können, aus welchen Gründen an welchem Ort welche Schutzbestimmun­gen gelten, werden diese auch akzeptiert. Es kommt also darauf an, dass die Inventareinträge die Objekte in ihrer Eigenart würdigen und die besonders schützenswerten Elemente und Strukturen benennen. 

Um die Öffentlichkeit mit ins Boot zu holen, muss die Stadt als Nächstes massgeschneiderte und tragbare Schutzmassnahmen vorschlagen. Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung werden zeigen, inwiefern die wissenschaftlich begründeten Einschätzungen des Inventars akzeptiert werden. Aufgrund der Resultate ent­scheidet der Stadtrat über die Art der Umsetzung. 

Wie geht es weiter 

Das Aarauer Beispiel weist den Weg zu einem verbindlichen Schutz historischer Gärten und Anlagen und kann weiteren Gemeinden als Vorbild dienen. Dabei sind jeweils lokale Gegeben­heiten zu berücksichtigen. Der Schutz von Gartendenkmälern ist Sache der Gemein­wesen, als Instrumente stehen das kantonale Raum­planungs- und das Denkmalschutzrecht zur Verfügung. Wer im Einzelnen zuständig­ ist und wie die Unterschutzstellung genau zu erfolgen hat, ist in jedem Kanton anders geregelt. So variiert etwa die Aufgabenteilung zwischen den politischen Ebenen und den Verwaltungseinheiten; die Rechtswirkung eines kantonalen oder kommunalen Inventars ist je nach geltender Rechtsordnung entweder behördenverbindlich (Hinweisinventar) oder direkt eigentümerverbindlich (Schutz­inventar).

Bis 2016 lanciert das Bundesamt für Kultur weitere Pilotprojekte in Gemeinden, die ihre historischen Gärten langfristig sichern wollen. Es unterstützt sie finanziell dabei, die nötigen Grundlagen zu erarbeiten, und begleitet den Prozess beratend von der Bestandsaufnahme bis zum verbindlichen Schutz. Die Erfahrungen aus den Pilotprojekten werden in Berichten aufbereitet, ­Methode und Vorgehensweise dokumentiert und auf der Website des Bundesamts für Kultur aufgeschaltet. Dies ist zugleich ein Beitrag zum Gartenjahr 2016, das unter dem Titel «Raum für Begegnungen» von einer Trägerschaft von Fachorganisationen vorbereitet wird. Mit dem Gartenjahr 2016 sollen Bevölkerung und Fachwelt für die Bedeutung von Freiräumen im Zug urbaner Verdichtung sensibilisiert werden. 

Weiterführende Informationen
 

www.gartenjahr2016.ch (online ab 22. April 2015) Bundesamt für Kultur und ICOMOS Suisse (Hrsg.): Gartendenkmäler in der Planung. Leitfaden für Behörden und Fachleute. Bern 2014.

www.bak.admin.ch/gartendenkmäler Stadt Aarau: Revision der allgemeinen Nutzungs­planung. Raumentwicklungsleitbild. Vom Stadtrat beschlossen am 23. Juni 2014.

www.aarau.ch/­documents/2014-06-23_Raumentwicklungsleitbild.pdf Stadt Aarau: Gartenstadtquartiere Aarau.
 

Richtlinien für Bauvorhaben vom 1. Dezember 2012. www.aarau.ch/documents/AAGA_Richtlinien.pdf
 

Walter Engeler: Das Baudenkmal im schweizerischen Recht. Untersuchungen zum materiellen Baudenkmalbegriff und dem Verfahren der Unterschutzstellung. 
St. Gallen 2008.

Verwandte Beiträge