«Von der Ein­spa­rung dürf­te nicht viel üb­rig blei­ben»

Leserbrief

Zur Wettbewerbskritik «Erfrischend radikal» in TEC21 7–8/2017 erreichte die Redaktion eine Leserzuschrift. Sie plädiert dafür, bei unkonventionellen Entwürfen die Kostenschätzungen nicht überzubewerten.

Publikationsdatum
24-03-2017
Revision
27-03-2017

«2003 wurde die ‹Normalien für kubische Berechnungen›, die SIA-Norm 116 mit den für Laien schwierig verständlichen Volumenzuschlägen, abgeschafft und durch die rein geometrische SIA-Norm 416 ersetzt. Jüngeren Kollegen sind mittlerweile ‹gewichtete Volumenzuschläge› für den Einbezug von ‹Aussen-Geschossflächen› bei kubischen Kostenschätzungen unbekannt. Ausgelagerte Verkehrsflächen ermöglichen heute aufgrund der SIA-Norm 416 äusserst kompakte Gebäudevolumen und so vermeintlich reduzierte Baukosten. Diese Fehleinschätzung ist wohl schon der Jury des olympischen Studentenwohnrings ‹Vortex› an der Uni Lausanne unterlaufen. Dort wird mittlerweile, unter Ausschluss des Architekten, über eine Totalunternehmerausschreibung eine konstruktive Lösung gesucht, die den Bau termin- und kostengerecht ermöglichen soll. Nötigenfalls auf Kosten der preisgekrönten Architektur?

Das Wettbewerbsprojekt ‹Grosser Bär› in TEC21 7–8/2017 für ein Schulhaus in Oberwinterthur hat einen ähnlichen Ansatz mit seiner komplett ausgelagerten Erschlies­sung. Dies soll, so der Kommentar von Andreas Kohne, ‹eine konkurrenzlose Wirtschaftlichkeit› ermöglichen. Der ‹Grosse Bär› ist gewiss konstruktiv einfacher als der Lau­sanner ‹Vortex›, dennoch ist auch hier die umlaufende Erschliessungsfläche mehr als doppelt so gross wie eine zentrale innenliegende Erschliessung (siehe zweitplatziertes Projekt). Ist man sich bewusst, dass schon der Rohbau der Tragkon­struktion ca. 30 % der Baukosten beträgt und noch umfängliche Schlosser­arbeiten für Geländer dazukommen, dürfte von der erhofften Einsparung nicht viel übrig bleiben. Bedenkt man dazu die aufwendige ‹rundumlaufende Faltschiebeverglasung›, bleibt am Ende wohl nur der tatsächlich ‹erfrischend radikale› Komfort der künftigen Benutzer.

Volumenbezogene Kostenschätzungen sind meist tendenziell richtig, benötigen aber eine kritische Beurteilung der spezifischen Eigenschaften des Entwurfs, ins­besondere wenn unkonventionelle Lösungen vorgeschlagen werden. Ansonsten können solche Kostenschätzungen total irreführen. Im Übrigen wurde das Konzept der ­aussenliegenden Erschliessung bei einem kleinen Schultrakt der Steiner-Schule in Crissier von Localarchitecture schon überzeugend realisiert. Es handelt sich dabei jedoch um eine flexible Unterrichtsform, und die Erschliessung ist wind­geschützt südorientiert.»

 

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