Ver­än­der­ten Be­dürf­nis­sen pla­ne­risch ent­spre­chen

Gewandelte Lebensweisen und demografischer Wandel erfordern auch planerisches Umdenken. Dem trägt die neue SIA-Fachstelle für gender- und alltagsgerechtes Planen und Bauen Rechnung.

Publikationsdatum
14-05-2014
Revision
01-09-2015
Barbara Stettler
Architektin EPFL SIA, Verantwortliche für die Berufsgruppe Architektur BGA beim SIA

Bauen setzt den sorgfältigen Umgang mit ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Ressourcen voraus. Eben diese gesellschaftlichen und sozialen Aspekte von Nachhaltigkeit geraten leicht in den Hintergrund. Auf demografische Veränderung, neue Lebensentwürfe und kulturelle Prägungen kann und sollte auch baulich reagiert werden. Denn gewandelte Lebenskonstellationen, etwa die Bedürfnisse alleinerziehender Elternteile, alleinstehender älterer Menschen oder Jugendlicher sollten sich über kurz oder lang auch in der baulichräumlichen Gestaltung einer Stadt oder einer Agglomeration niederschlagen.

Das Projekt Lares 

Vor diesem Hintergrund wurde 2006 das Projekt «Lares» gestartet. Der lateinische Begriff bezeichnet Schutzgeister, die über Familien, Häuser, Wege oder Plätze wachen. Geleitet vom Gleichstellungsgedanken setzten sich im Rahmen des Projekts Fachfrauen für die Integration von Genderkriterien in die Planung ein. 

Hauptprojektziel war, Nutzungsanforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven differenzierter zu untersuchen und in Bauprojekten besser zu berücksichtigen. Während einer sechsjährigen Testphase beteiligten sich Lares-Fachpersonen an 30 unterschiedlichen Bauprojekten und brachten die Genderperspektive in Planungs- und Bauprozesse ein. Dabei wurden auch die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit bewusst hinterfragt und einbezogen. Sechs der umgesetzten Pilotprojekte wurden wissenschaftlich ausgewertet. Wie sich zeigte, weisen diese baulichen Vorhaben einen deutlichen Mehrwert auf. Damit die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse weiterentwickelt und verbreitet werden können, entstand die SIA-Fachstelle für gender- und alltagsgerechtes Bauen.

Gendergesichtspunkte im Planen und Bauen 

Der englische Begriff Gender kann kurz als «soziales Geschlecht» übersetzt werden. Das Thema umfasst weit mehr als die Gleichstellung und angemessene Nutzerberücksichtigung von Frau und Mann. Es bezieht sich auf Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen. Jung und Alt, in verschiedenen gesellschaftlichen Rollen und kulturellen Situationen, mit oder ohne Familie. 

Lässt man sich auf den Perspektivwechsel bewusst ein, fällt auf, wie viele unterschiedliche Lebensmodelle es gibt. Der erste Schritt zum gender- und alltagsgerechten Bauen ist die Sensibilisierung für eine differenzierte Perspektive, also die Idee, dass öffentliche Räume und Gebäude entsprechend den Anforderungen unterschiedlichster Identitäten und Lebensmodelle flexibel und adaptierbar sein sollten. 

Die Anforderungen an die gebaute Umwelt sind hoch und die Planungsprozesse meist hohem Termin- und Kostendruck ausgesetzt. Planer und Planerinnen stehen vor einem grossen gestalterischen, technischen und sozialen Aufgabenspektrum. Werden die genannten Kriterien für eine grösstmögliche Nutzungsvariabilität bereits in der Verfahrensauswahl integriert, entsteht mehr Freiraum für differenzierte Raumkonzepte. Solange die sozialen Aspekte nicht selbstverständlich in Projekte einfliessen, bieten Fachpersonen unterstützende und ergänzende Strategien und Massnahmen an. 


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