Ver­kehrs­steue­rung: die Qua­dra­tur des Krei­ses?

Seit über 40 Jahren regeln elektronische «Mitarbeiter» den Zürcher Verkehr. Sie sind Herrscher über 400 Kreuzungen mit über 6000 Lichtsignalen.

Publikationsdatum
14-04-2015
Revision
25-08-2015

Es ist unbestritten: Zürichs Lage am See, am Fluss und dazu inmitten eines wirtschaftlich prosperierenden Gebiets ist ideal – wenn da nur nicht der Verkehr wäre... 

Zum Ziel-Quellverkehr kommen die grossen Pendlerströme aus der Agglome­ra­tion, der Metropolitanregion (die von Luzern bis Schaff­hausen reicht) und die na­tio­na­len Verkehrs­ströme. Und da der See den Verkehrsstrom zwischen den gegenüber­liegenden Regionen behindert, wird Zürich (ob im Zentrum oder auf der Umfahrung) täglich zum Nadelöhr im Pendlerverkehr. Die ähnlich gelegenen Städte Luzern und Genf kennen diese Situation bestens.

Pionier bei der Verkehrssteuerung

Schon vor über 60 Jahren war man sich in Zürich der Probleme der Verkehrsregelung bewusst: Am 30.  Mai 1949 kam das erste Lichtsignal an der Kreuzung Bahnhof-/ Uraniastrasse in Betrieb. Zu Beginn der 1970er-Jahre nahm Zürich als erste Stadt weltweit eine rechnergestützte Verkehrssteuerung in Betrieb. Auch heute noch ist die Stadt international mit ihrem System der Verkehrssteuerung in den vorderen Rängen.

Vernetzte Lenkung im Sekundentakt

Über 3000 Sensoren messen im Ein-Sekunden–Takt das Verkehrs­aufkommen. Die einzelnen Gebiete verfügen jeweils über eigene Verkehrsrechner, die von der übergeordneten Leitebene koordiniert und gesteuert werden. Insgesamt werden durch diese Steuerung rund 400 Strassenknoten mit über 6000 Lichtsignalen gesteuert, knapp 200 Knoten davon befinden sich auf sogenannt koordinierten Achsen, die die Haupt­strassen­achsen bilden. Um autonom und schnell handlungsfähig zu sein, werden die Programme zur Verkehrssteuerung von der Dienstabteilung Verkehr (DAV) selbst geschrieben. 

Wie bringt man es fertig, den phasenweise übermässigen Verkehr ohne Zusammenbrüche durch Zürich hindurchzuschleusen? Diese Punkte bilden das Rückgrat der Steuerung: aktuelle Verkehrslage, Tropfenzähler am Stadtrand, vernetzte und adaptive Verkehrsnetze, koordinierte Achsen.

Abhängig von Tageszeit und Wochentag wird ein Grundrhythmus vorgegeben, der an das aktuelle Verkehrsgeschehen automatisch angepasst wird. So kann auch das Ende eines Fussballspiels oder eines Konzerts programmiert werden, oder die entsprechenden Programme schalten sich automatisch zu.

Über allem steht die Bevorzugung des ÖV. Um das System «Verkehr» für die Gesamtheit der am Verkehr teilnehmenden Personen am ökonomischsten zu betreiben, hat sich die ÖV-Vortrittsteuerung (Bus- und Trambevorzugung, separate Busspuren) bewährt – auch wenn der einzelne Autofahrer das nicht immer so sieht.1

Vernetzung heute...

Im Weiteren ist die städtische Verkehrssteuerung mit der Region vernetzt, seit 2011 sind die regionalen Leitzentralen des Kantons, der Stadt Winterthur und des Nationalstrassennetzes miteinander verbunden.

Die DAV ist in Zürich zuständig für das gesamte Verkehrsmanagement, so kann garantiert werden, dass Planung, Bau, Betrieb aus einer Hand kommen. Von den 100 Mitarbeitenden sind rund 25 zuständig für das Verkehrsmanagement, die tägliche Verkehrskontrolle in der Verkehrleitzentrale wird von nur drei Mitarbeitenden wahrgenommen.

...und in Zukunft

Die heute auf technischer Seite vorhandenen Systeme eröffnen verschiedene Möglichkeiten, wie der Verkehr in Zukunft gesteuert werden könnte. So könnten die Verkehrsteilnehmer mittels eigener Ortungssysteme aktiv an der Erzeugung sogenannter «Floating Car Data» teilnehmen, zum Beispiel mit im Handy oder im Navigationssystem vorhandenen GPS-Empfängern (als Car-to-Infrastructure-Communication). Auf einer anderen Ebene arbeitet die DAV international mit Dritten zusammen: mit Automobilkonzernen wird über COOPERS (Cooperative Systems for intelligent Road Safety) oder simTD [sicher intelligente Mobilität) diskutiert – an der Quadratur des Kreises wird also weiterhin gearbeitet.

Anmerkung

  1. Ein kurzer Vergleich: Ein volles Tram transportiert in einer Grünphase von 30–40 Sekunden etwa 300 Personen über eine Kreuzung. In der gleichen Grünphase können höchstens etwa 30–35 Personen mit Autos über die gleiche Kreuzung fahren (meist sind diese im Mittel mit nur 1.2 Personen besetzt).
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