Ur­ba­ne Po­ten­zia­le, wie zu­kunfts­fä­hig ent­wi­ckeln sich un­se­re Städ­te?

Swissbau Future Forum, 18.1.2012

Die Visionen und Entwicklungsstrategien von Christophe Girot, renommierter Landschaftsarchitekt und Professor für Landschaftsarchitektur an der ETH Zürich, stehen im Kontext zu den Beobachtungen des Trendforschers Matthias Horx.

Publikationsdatum
19-01-2012
Revision
25-08-2015

Christophe Girot bemerkte eingangs seines Referats, dass die Einstellung der Menschen zur Natur noch nie so diffus und mit so grossen Unsicherheiten verbunden gewesen sei wie heute. Die zentrale Frage sei, weshalb uns eine klare Haltung gegenüber der Natur abhanden gekommen ist. Girot sieht dies darin begründet, dass unser Naturbild nicht mehr zeitgemäss ist und auf der Vorstellung vergangener Generationen basiert. Es sei kaum noch in der Wirklichkeit verankert und nicht kompatibel mit modernen Städten. Zuerst müsse diese Einstellung und die damit verbundene Scheinheiligkeit ernsthaft hinterfragt werden. Erst in einem zweiten Schritt könne man eine neue Topologie und symbolische Naturordnung schaffen.
Der Paradigmenwechsel geht nach Girot in die Richtung, dass die Natur ein integrierter Bestandteil der Stadt werden muss. Als gelungene Beispiele aus der Vergangenheit, bei denen durch direktere, meist nichtdemokratische Entscheidungsprozesse solche Planungen einfacher zu realisieren waren, zeigte er den Central Park in New York, den Park von Versailles oder die Buttes-Chaumont in Paris. Als aussichtsreiche zeitgenössische Landschaftsgestaltungen führte er die High Line in New York an, die den Wohnwert des Quartiers wesentlich steigerte, oder die Bemühungen der chinesischen Regierung, die die Umgestaltung ihrer Städte zur städtebaulichen Priorität erklärt hat. Landschaftsarchitekten haben in diesem Land eine zentrale Funktion und übernehmen die Neu- und Umgestaltung ganzer Quartiere.
Girot betonte, dass er an der ETH eine Entwurfsmethodik lehrt, die es zukünftigen Landschaftsarchitekten ermöglichen soll, neue Lösungen zu finden. Damit könne viel erreicht werden, denn die der Stadt immanente Landschaft sei das ultimative Luxusgut kommender Generationen.

Die Zukunft gehört der Stadt

Im Gegensatz zu Girots kritischem Ansatz begann Matthias Horx seinen Vortrag «Die Zukunft gehört der Stadt» mit Erläuterungen zu Megatrends als robusten langfristigen Entwicklungen und machte darauf aufmerksam, dass die meisten heutigen Städte in Europa nicht mehr wachsen. Er bemerkte, dass in einigen Jahren die Klage über das Bevölkerungswachstum durch diejenige über das Schwinden ersetzt werde – insofern werde um dieses Thema viel zu viel Aufhebens gemacht.
Horx analysierte unterschiedliche Phasen des urbanen Wachstums anhand dafür repräsentativer Städte: Schanghai ist einer vertikalen Urbanität zuzuordnen, Tokio eine nicht mehr wachsende Stadt, Mumbai ein explodierendes Beispiel mit Millionen von Migranten, Lagos mit seinen Flüchtlingen eine wuchernde und Detroit eine vergehende Stadt. Weiter erläuterte er, dass die Lebensqualität vieler Städte in Europa auf dem mittelalterlichen Stadtkonzept basierte, das einzelne Lebensaktivitäten (Wohnen, Handeln, Kommunizieren, Schützen und Produzieren) innerhalb einer Stadtmauer vereinte. Diese Bereiche seien später durch die Umgestaltung im Zuge der Industrialisierung zerschnitten worden. Dadurch seien neue Zonen wie Kommerz, Ghetto oder Wohnen ausgebildet worden, bei denen es keine Integration der Lebensbereiche mehr gebe.
Anschliessend erläuterte er anhand seines eigenen Wohnhauses mögliche alternative Energie- und Wohnmodelle, die er direkt in städtebauliche Lösungsansätze übersetzt. Man mag sich zum Schluss fragen, ob die Herleitung von komplexen städtebaulichen Lösungsansätzen aus den Darstellungen seines privaten Gartenhaus-Experiments eine etwas vereinfachte Betrachtungsweise des Themas darstellen.

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