The Bel­ly of the Ar­chi­tect

Publikationsdatum
24-11-2016
Revision
24-11-2016

Früher hielt ich den Modulor-Menschen für eine kunstvoll abstrahierte Massfigur. Doch als er mir an der Fassade der Unité d’Habitation in Marseille begegnete, kam er mir nicht mehr so abstrakt vor. Zwar ist der Kopf stilisiert, und die Hände fehlen, aber … der Mann hat einen geradezu naturalistischen Sixpack! 
Dass der Bauch in der Architektur eine zentrale Rolle spielt, war mir schon vorher klar. Ich habe aber nie geahnt, dass damit die Muskulatur gemeint ist und nicht der Magen: Vom Herd in Gottfried Sempers Urhütte über die Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky bis hin zu den Profiküchen in heutigen Luxusvillen dreht sich alles ums Essen. Auch die funktionalistischen Küchen der Unité sind darauf ausgelegt, mit möglichst wenig Krafteinsatz möglichst viele Mahlzeiten zuzubereiten. Zudem fällt auf, dass Architekturschaffende oft Gourmets sind – sie lieben die Künste und so auch die Kochkunst. Die wiederum ist nicht der direkteste Weg zum Sixpack. Doch auch Bodybuilding hat mit Bauen zu tun, wie der Name ja sagt.
Was nun? Hat Corbu der ­griechischen Klassik ausser Mass- und Gestaltungsprinzipien auch diesen wohlproportionierten Athleten entlehnt? Nicht nur den hehren Geist, sondern auch das trainierte Bauchfleisch …? Menschlich wärs.

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