Tech­nik im Dienst der Ar­chi­tek­tur

Die Architekturvorträge an der Swissbau waren heuer dem Thema «Tec_Changes_Architecture» gewidmet. Die drei Referate und die anschliessende Diskussion hielten einige befreiende Erkenntnisse bereit. Die wichtigste: Es gibt nicht zu viele Menschen auf dieser Erde, sie sind nur zu dumm.

Publikationsdatum
21-01-2016
Revision
22-01-2016

Die Veranstaltung gehört zu den beliebtesten der Swissbau: Am letzten Messetag versammelt die Stiftung Architektur Dialoge Basel international bekannte Architekturgrössen, um zu referieren und in einer anschliessenden Podiumsdiskussion ihre Positionen zu reflektieren.

Heuer ist dies besonders gut gelungen: Der Basler Architekt Christian W. Blaser, der seit Jahren die Vorträge der letzten Tag der Swissbau organisiert, lud mit Bryan Allen, Jeanne Gang und Michael Braungart drei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten ein, die engagiert und diskussionsfreudig ihre Arbeit präsentierten.

Der junge, auf digitale Fabrikation spezialisierte Architekt Bryan Allen aus Oakland berichtete über das Projekt «Echoviren» – gemäss eigener Aussage das erste Bauwerk weltweit, das vollständig mittels eines Standard-3-D-Druckers hergestellt wurde.

Anhand des Pavillons zeigte er exemplarisch, wie die digitale Fabrikation in den Entwurfsprozess, die Gestaltung und die Konstruktion von Bauten integriert werden kann. Als Architekt sieht er sich dabei nicht in erster Linie als Gestalter, wie dies in den USA vielfach der Fall ist; vielmehr versteht er sich als Moderator, der Form, Technik und Fabrikation in Einklang zu bringen hat, um Räume und Gebäude zu realisieren.

Jeanne Gang, Architektin im Studio Gang (Chicago/New York), setzte den inhaltlichen Schwerpunkt beim Städtebau. Doch auch ihr Referat «Sustainability & Exploration of new Typologies, Materials & Techniques» verwies auf neue Rollen, die sie als Architektin im Dienst der Öffentlichkeit einnimmt.

Eindrücklich erläuterte sie, wie es ihr beim Aqua Tower in Chicago – einem Hochhaus mit offenen Balkonen – schliesslich gelang, der Bauherrschaft die wellenartig geschwungenen Bodenplatten aus Beton schmackhaft zu machen: indem sie nachwies, dass die unregelmässige Form grössere Toleranzen zuliess und somit Kosteneinsparungen ermöglichte. Das eigentliche Ziel, Sichtbeziehungen zwischen den Balkonen und zwischen Hochhaus und Stadtraum zu generieren, wurde quasi en passant erreicht.

Ähnlich schaffte sie es bei der Aufwertung der Ufer des stark verschmutzten Chicago Rivers, das Projekt so breit in der Bevölkerung abzustützen, dass die Finanzierung schliesslich auch als politisch opportun eingestuft wurde.

Als Letzter sprach Michael Braungart, Gründer und wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts, der mit seiner Firma EPEA den Begriff «Cradle to Cradle» ins Leben gerufen hat. Er plädierte für ein grundsätzliches Umdenken. Der Ansatz, der heute in der ökologischen Bewegung und insbesondere beim Bauen gelebt werde, sei in seinem Wesen negativ und defizitorientiert: Das Ziel sei, die schädlichen Folgen menschlicher Aktivität zu minimieren, etwa durch Sparen, Isolieren, Kompensieren.

Viel erfreulicher sei ein positives, ressourcenorientiertes Denken: Anstatt die Schäden zu minimieren, beispielsweise durch eine Senkung des CO2-Ausstosses, könnte man auch Nutzen generieren, etwa mit Bauten und Materialien, die wie Bäume die Luft filtern und verbessern. Braungart wartete nicht nur mit einem rhetorischen Feuerwerk auf, sondern auch mit ganz konkreten Beispielen aus der Baubranche und mit Produkten, die man direkt an der Messe besichtigen konnte.

Die Podiumsdiskussion, moderiert von der Autorin dieser Zeilen, war geprägt vom beschwingten Optimismus der drei Referenten. Wenn die Auftraggeber nicht von sich aus nach innovativen Ideen verlangten, so der Grundtenor, müsse man sie eben dazu bringen. Denn wenn eine Idee gut genug und das öffentliche Interesse geweckt seien, würde sich schon jemand finden, der das Projekt realisieren wolle, um sich damit zu profilieren.

Neue Technologien, intelligent in den Dienst einer menschenfreundlichen Architektur eingesetzt, seien für alle ein Gewinn. Zudem könne der Auftraggeber von der bereits erfolgten Forschungsarbeit profitieren, sodass die Realisierungsphase entsprechend kürzer – und günstiger – ausfiele. Insbesondere Jeanne Gang, die mit diesem Prinzip auch grössere Bauvorhaben realisiert, vertrat diese aufgeschlossene Haltung sehr überzeugend.

Das Publikum war begeistert und inspiriert. Ein schöner Ausklang für die grösste Baumesse der Schweiz!

 

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