Sub­sti­tut ver­sus Uni­kat

Mehr Augenmass, weniger Grabenkämpfe: Eine neue Publikation von Berner und Zürcher Denkmalpflege zeigt den beispielhaften Umgang mit «Energie und Baudenkmal». Leider verzettelt sie sich in alten Rivalitäten.

Publikationsdatum
18-03-2015
Revision
08-10-2015

Am Zürichberg steht ein fünfstöckiges Wohnhaus von 1907. Mit einem Energieverbrauch von 62 kWh/m2 liegt es sogar unter dem Standard eines 20 Jahre alten Gebäudes. Die gelb leuchtende Fassade und der rote Dachrand verraten aber, dass das denkmalgeschützte Objekt erst vor kurzem saniert worden ist. Dach, Keller und teilweise die äussere Gebäudehülle wurden neu gedämm, an Lukarnen und Erkern kam ein Aerogel-Dämmputz zum Einsatz.

Auch historische Schulhäuser und Betriebsgebäude werden in Zürich seit einiger Zeit wirksam instandgesetzt – baukulturell hochwertig und von der Denkmalpflege akzeptiert. Tauglich scheint eine Strategie zu sein, die einen Mix an Dämmmassnahmen im Innen- sowie partiell im Aussenbereich erlaubt. Vor nicht allzu langer Zeit rieben sich Energie- und Baufachleute in grundsätzlichen Konflikten zwischen energetischer Erneuerung und Schutz von Kulturdenkmälern auf; inzwischen sind gut gemachte, nachahmenswerte Beispiele nicht mehr selten. Dies beweist, dass ein konstruktiver Austausch untereinander gepflegt werden muss und möglich ist. 

Nun präsentieren die kantonalen Denkmalpfleger aus Zürich und Bern eine umfangreiche Publikationsreihe zu «Energie und Baudenkmal». Sie zeigt guten Willen, bleibt aber leider zwischen Grabenkampf und hilfreichen Ratschlägen stecken. Korrekt wird auf den geringen Anteil der geschützten Bauten innerhalb des Schweizer Gebäudeparks verwiesen, weshalb die Wirkung auf die Energiebilanz zu Recht relativiert werden darf. Doch was die mehrseitige Anweisung zum energiesparenden Nutzerverhalten bezweckt oder das Zitat: «Energie ist substituierbar, ein geschütztes Haus ein Unikat», ist schwer nachvollziehbar und erleichtert die gemeinsame Suche nach Lösungen kaum. 

Dass eine Aufklärung über energetische Sanierungsvarianten aus Sicht der Denkmalpflege wertvoll und unerlässlich ist, beweisen die thematisch gegliederten Einzelbände erst ab der zweiten Hälfte: Die bauphysikalischen und denkmalpflegerischen Abhandlungen über Fenster, Türen, Gebäudehüllen und Dachlandschaften sind lesenswert, informativ und anschaulich illustriert. Mehr davon ist nötig, damit das Augenmass den gangbaren Weg zwischen «Dämmeifer» und Respekt vor Baudenkmälern bestimmen kann.

Angaben zum Buch
 

Kantonale Denkmalpflege Bern und Kantonale Denkmalpflege Zürich (Hrsg.), Energie und Baudenkmal. Ein Handbuch. Teile I – IV: Gebäudehülle; Fenster und Türen; Haustechnik; Solarenergie


Download unter www.denkmalpflege.zh.ch/publikationen

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