Har­te Fron­ten am Al­pen­rhein

Interessenkonflikte um Hochwasserschutz und Renaturierung

Zum Schutz vor Hochwasser soll der Alpenrhein auf dem untersten Abschnitt aufgeweitet und renaturiert werden. Die Interessen von Umweltorganisationen, Trinkwasserversorgern und Bauern liegen jedoch weit auseinander.

Publikationsdatum
17-02-2016
Revision
17-02-2016

Ein Jahrhunderthochwasser des Alpenrheins könnte im unteren Rheintal einen Schaden von über fünf Milliarden Schweizer Franken anrichten. 200'000 Menschen wären betroffen. Zwar finde statistisch gesehen ein solches Jahrhundertereignis «nur» alle 300 Jahre statt, trotzdem kann eine Hochwasserkatastrophe laut Experten jederzeit eintreffen. Die Internationale Rheinregulierung (IRR) hat deshalb das Projekt Rhesi (Rhein - Erholung und Sicherheit) gestartet. Dieses soll Defizite beim Hochwasserschutz auf der Internationalen Rheinstrecke lösen. Bauliche Massnahmen können die Abflusskapazität auf dem 26 km langen Abschnitt zwischen Oberriet SG und Bodensee stark erhöhen. Damit mehr Wasser Platz hat und die Fliessgeschwindigkeit sinkt, wird das Flussbett innerhalb der bestehenden Dämme aufgeweitet. Das Grossprojekt, an dem sich Österreich und die Schweiz beteiligen, kostet laut einer Schätzung der ETH Zürich mindestens 600 Mio. Franken. Es wurde vor zehn Jahren begonnen und soll in rund 20 Jahren Jahren abgeschlossen sein.

Vernehmlassung beendet

Die Anforderungen an Rhesi sind vielfältig: Der «neue Rhein» soll zu einem Naherholungsgebiet für die Bevölkerung werden, ohne die bestehenden Nutzungen - zum Beispiel durch die Landwirtschaft - stark zu beeinträchtigen. Zudem muss das Projekt die ökologische Situation des Rheins verbessern, schreiben die gesetzlichen Bestimmungen beider Länder vor. Mitte Februar ist nun die Frist abgelaufen, während der sich Gemeinden und Interessengruppen zu «Rhesi» äussern konnten. Wie die Vernehmlassung gezeigt hat, liegen die Interessen von Landwirten, Trinkwasserversorgern und Umweltverbänden jedoch weit auseinander.

Die Umweltverbände fordern eine umfangreichere Revitalisierung des Rheinabschnitts, als das Projekt vorsieht. «Der Rhein könnte mehrheitlich aus seinem Zwangskleid befreit werden. Bräteln und baden wären möglich», heisst es auf der Website der Umweltplattform «Lebendiger Alpenrhein», die mit ihrer Web-Initiative «Rhein raus!» Unterschriften für eine maximale Variante der Revitalisierung des Alpenrheins sammelt. Die Verbände werfen den Gemeinden vor, sie blockierten das Projekt, weil sie ihre Trinkwasserbrunnen nicht verlegen wollten oder den Verlust von Landwirtschaftsflächen fürchteten.

Das Wasserwerk Mittelrheintal wirft im Gegenzug dem WWF vor, er betreibe Stimmungsmache mit falschen Fakten. Die Aussagen seien unseriös und torpedierten den Rhesi-Planungsprozess. Die Trinkwasserbrunnen könnten nicht einfach verlegt werden, es brauche zusätzliche Untersuchungen und Tests, um die Auswirkungen der Flussbettveränderungen auf die Grundwasserströme und die Trinkwasserversorgung zu beurteilen.

Kompromisse erhofft

Wie Markus Mähr, Projektleiter Rhesi, auf Anfrage sagte, werden die Planer die unterschiedlichen Interessen der Akteure möglichst berücksichtigen. Es brauche aber Kompromissbereitschaft von allen Seiten. «Wir werden uns dafür einsetzen, dass sich niemand dazu gezwungen fühlt, den Rechtsweg zu beschreiten», sagte der Bauingenieur, der vollamtlich als Projektleiter für die IRR tätig ist. Als nächstes erarbeiten die Planer das sogenannte Generelle Projekt. Dieser Planungsschritt, der später in beiden Staaten einer Umweltverträglichkeitsprüfung Stand halten muss, soll bis Anfang 2018 abgeschlossen sein.

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