Stil be­wah­ren, En­er­gie spa­ren

Beispiele aus der Praxis

Zwei Gebäudesanierungen in Zürich zeigen auf, wie die Zusammenarbeit von Energieberatern mit Architekten und Bauherrschaft aussehen kann. Je nach finanziellen Mitteln, Gebäudezustand und Zielen sind unterschiedliche Vorgehensweisen sinnvoll.

Publikationsdatum
09-07-2014
Revision
18-10-2015

Ein Wohnhaus im Zürcher Seefeld mit Baujahr 1893 und ein zweites im Riesbach-Quartier aus den 1960er-Jahren wurden energetisch saniert. Die Hauptmassnahme beim ersten Gebäude bestand aus einem neuen Dachaufbau anstelle des alten Estrichs. Ergänzend zur Gasheizung wurde eine Solarthermieanlage eingebaut. Beim Ge­bäude im Riesbach-Quartier erfolgte eine Gesamt­dämmung der Hülle. Eine Wärmepumpe mit Erdsonden sorgt für Wärme, die dafür nötige Elektrizität wird mit der Photovoltaikanlage produziert. 

Die beiden Beispiele veranschaulichen, wie unterschiedlich eine individuelle auf das Gebäude und die Wünsche der Bauherrschaft zugeschnittene Sanierung angegangen werden kann. Das Ergebnis wird mass­geblich durch die Zusammenarbeit zwischen Energieberatern, Architekten und Bauherrschaft gesteuert. 

Laubenganghaus aus den 1960er-Jahren

Das 1963 vom damaligen Stadtbaumeister Albert ­Heinrich Steiner erbaute Wohnhaus im Zürcher Riesbach-Quartier bedurfte 2010 einer Sanierung. Sein Sohn Hannes Steiner legte Wert auf die Wahrung des architektonischen Ausdrucks; insbesondere sollten die Proportionen und die schlichte Gestaltungssprache beibehalten werden. Deshalb entschied er sich, bei der Primärstruktur nur minimale Eingriffe vorzunehmen.

Das Heizungssystem und die Fenster waren veraltet und einige Fassa­denteile in schlechtem Zustand – so mussten die Metallstützen der Laubengänge ersetzt werden. Der Architekt Peter Stöckli führte zusammen mit dem Energie-Coach Andreas Edelmann die Sanierung aus. Aus steuertechnischen Gründen und aus Rücksicht auf die Mieterschaft, die während der Umbauzeit im Haus wohnen bleiben konnte, wurde sie in drei Etappen gegliedert. 

In einem ersten Schritt 2010 wurde die Kellerdecke mit Glaswolle isoliert und im zweiten das Flachdach mit Polyurethan gedämmt. In der dritten Phase erfolgte die Dämmung der Aussenwände, ein Fenster­ersatz und die Installation einer Lüftungsanlage. Die 14-cm-Isolation der Aussenwände verschmälerte die Laubengänge. Um dem durch bessere Belichtung optisch entgegenzuwirken, ersetzen Glaspaneele die alten Eternitbrüstungen. Auch die neue Tiefe der ­Laibungen bei den Wohnungstüren erforderte An­passungen – neben den neuen Türen wurden neu dimensionierte Kunst­steinlaibungen angebracht.

Die Kältebrücken, die durch die durchlaufenden Betonböden der Lauben ­entstehen, sind hingegen weiterhin vorhanden. Das ­offene Treppenhaus blieb ungedämmt, es wäre sonst zu schmal geworden. Stattdessen wurde es in die beiden Gebäudteile integriert und thermisch geschlossen. Dafür konnte auf die Dämmung der beiden Stirnfassaden verzichtet werden. Im Hauseingang vor der Treppe ­besteht nach wie vor eine thermische Lücke gegen das Erdreich hin. Im Gegensatz zur Gebäudehülle sind die Wohnungen im Originalzustand belassen – Küchen, Bäder, Böden und Zimmertüren wurden bloss neu ­gestrichen. Neue Schiebefenster aus Holz und Metall führen auf die Loggien. 

Der Energie-Coach Andreas Edelmann zeigte auf, wie der Heizwärmebedarf je nach Massnahmen um bis zu 75% reduziert werden könnte. Über drei Erdwärmesonden mit einer Tiefe von 220m mit Wärmepumpe wird das Heizsystem bedient. Die alten, mit Gas beheizten Radia­toren funktionieren, nachdem sie ausgespült und entschlackt wurden, wieder einwandfrei. Aufgrund der Vorschläge des Coachs entschied sich der Bauherr für eine 151-m2-Photovoltaikanlage mit 20 kWp auf Annex- und Hauptdach. Ein Überschuss aus der Photovoltaikanlage fliesst in das öffentliche Netz.

Zusätzlich liefern die Erdsonden, die an einen Wassererwärmer angeschlossen sind, Energie. Der Endenergieverbrauch konnte von 210 kWh/m2a Erdgas auf neu noch 6 kWh/m2a Strom gesenkt werden, eine Reduktion um 97%. Mit diesen Installationen wird der Bau praktisch zum Null­energiehaus. Die Berechnungen, die Edelmann anstellte, führten ausserdem dazu, dass in den Wohnungen eine kontrollierte Lüftung mit Abluftventilatoren und Nachströmöffnungen eingebaut wurde.

Mit dieser unkonventionellen und wenig aufwendigen Massnahme wurde der Minergie-Standard erreicht – den man ursprünglich gar nicht angestrebt hatte. Die Beratung half, einen Überblick über die Möglichkeiten zu erlangen. Insbesondere bei der Photovoltaikanlage wurde ersichtlich, wie nach der Isolation der Gebäudehülle und dem Umstieg auf erneuerbare Energieträger die gute Energiebilanz noch verbessert werden konnte.

Dass sich die Sanierungsmassnahmen auf die Gebäudehülle und die Energiegewinnung konzentrierten, während im Innern der Originalzustand beibehalten wurde, wirkt aus architektonischer Sicht überzeugend – und unterstreicht die sorgfältige Zusammenarbeit zwischen Architekt, Energieberater und Bauherrschaft. 

Beispiel Handwerkerhaus im Seefeld

Das zweite Sanierungsbeispiel – ein Gebäude im Zürcher Seefeld-Quartier – erwarb die Bauherrschaft Andreas Gehring und Katharina Hagenauer im Jahr 2002. Ende des vorletzten Jahrhunderts für Handwerkerfamilien gebaut, verfügt es über relativ kleine Räume und einen soliden, aber schlichten Innenausbau.

Im Jahr 1959 liess der damalige Besitzer die Holzöfen aus den Wohnungen entfernen und eine Ölheizung installieren. Im Rahmen der Badezimmerrenovation wurden Durch­lauf­erhitzer für die Warmwassergewinnung eingebaut. Bereits 1984 ersetzten eine Gas- die Ölheizung und Kunststofffenster die alten Kastenfenster. 

Als die Bauherrschaft das Haus kaufte, hatte es ein Unterhaltsdefizit. Besonders das Dachgeschoss war undicht, und Fenster und Heizsystem mussten erneuert werden. Man wollte eine «Seefeldisierung», also eine luxuriöse Totalsanierung mit stark erhöhten Mietzinsen, verhindern. Daher entschied man sich für einen Umbauprozess in Etappen, bei dem die Mieter nicht ausziehen mussten und der finanzielle Aufwand verteilt werden konnte.

2010 wurde der Architekt Peter Moor mit Umbauarbeiten beauftragt. Er renovierte die Erdgeschosswohnung und die Fassade im Erdgeschoss. Nach diesem Eingriff kam Karl Viridén vom Energie-Coaching ins Spiel. Er machte eine Bestandsaufnahme des Baus und leitete seine Empfehlungen davon ab. Es zeigte sich, dass mit relativ wenigen, gezielten Massnahmen verhältnismässig viel Energie gespart werden konnte. Grosses Einsparpotenzial bestand beim ungedämmten Dach. 

Deshalb wurde entschieden, den Estrich ab der Traufe durch einen Aufbau zu ersetzen. Der neue Dachstock ist als Holzelementdach konstruiert, und seine Zugbänder aus Stahl verlaufen im Unterlagsboden. Somit konnte der Raum stützenfrei über 10m gebaut werden. Er hebt sich von den darunterliegenden ­kleinteiligen Strukturen im Haus ab. Der Raum ist nach neuestem Standard gedämmt und der verglaste Aufgang auf die Terrasse mit einer Dreifachverglasung versehen. Die Sonnenkollektoren produzieren die Energie für ­Heizung und Warmwasser zu 57%.

Aus denkmalpflegerischen Gründen sind die Kol­lektoren ­zwischen den ­Dachfenstern angebracht, sodass sie von der Strasse her nicht sichtbar sind. Die alten Kaminschächte wurden für die Steigleitungen des Frisch- und die Fallleitungen des Solarthermie-Heisswassers bis zum Speicher im Keller genutzt. Sollte die Solarthermie­anlage nicht reichen, schaltet das System auf Gas um. Das Wasser für die Waschmaschine wird statt elektrisch über einen Wärmetauscher mit Energie aus der Solar­thermie­anlage erwärmt.

Der Innenausbau wurde bis auf einzelne Küchen und Bäder im alten Zustand belassen. Anstelle der ­abmontierten Durchlauferhitzer gab es Platz für über Putz montierte Wasserleitungen. Die neuen Wohnungstüren fertigte ein Schreiner nach dem Vorbild der alten. Für diese relativ hohe Investition entschieden sich Andreas Gehring und Katharina Hagenauer aus ästhetischen Gründen. Die Türen entsprechen dem Brandschutzgesetz und dichten die Wohnungen gegen das unbeheizte Treppenhaus ab.

Auch wenn die Kunststofffenster von 1984 gemäss Energie-Coaching in schlechtem Zustand sind, wurde aus Budgetgründen auf neue Fenster verzichtet. Diese Massnahme soll in einer dritten Runde 2015 nachgeholt werden. Weitere vorgesehene Eingriffe sind eine Tür zwischen Haupteingang und Treppenhaus und die Isolation der Aussenfassade. Letztere wird nur ausgeführt, wenn dies mit geringer Dämmungsdicke möglich ist, um die Fassade nicht zu verändern. 

Das Coaching hat aufgezeigt, wie eine Sanierung trotz beschränktem Budget in einzelnen Etappen ­machbar ist. Dies hat auch den Vorteil, dass bei auf­geschobenen Massnahmen jeweils wieder von den ­neuesten Technologien profitiert werden kann – zum Beispiel von einer dünneren Fassadendämmung.

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