Spek­trum der Er­schüt­te­run­gen von Bohr­pfäh­len

Ein Tunnel der projektierten Walliser Autobahn A9 liegt nah bei einer erschütterungssensiblen Produktionsstätte für Medizinaltechnik. Die zu erwartenden Vibrationen wurden vorab durch Versuchspfähle simuliert. Zwei Beteiligte berichten über die begleitenden Messungen.

Publikationsdatum
26-02-2015
Revision
06-10-2015

Im Wallis wird derzeit die ­Autobahn A9 auf einem rund 32 km langen Abschnitt zwischen Leuk-Susten und Visp zur Ausführungsreife projektiert. Sie wird die Hauptverkehrsader des Kantons bilden. Etwa die Hälfte des Trassees verläuft in Tagbau- und bergmännischen Tunnels. Die Ortschaft Raron wird künftig in einem im Grundwasser liegenden Tagbautunnel mit einer Länge von 1000 m durchfahren.

An den knapp unter Terrain liegenden Tunnel schliessen beidseitig Zufahrtswannen an, sodass dieser Planungsabschnitt insgesamt 1460 m lang ist. Im Norden grenzt das Eisenbahntrassee an den Projektperimeter, im Süden Industrieanlagen und Privatbauten. Im Südwesten befindet sich rund 3.5 m von der Baugrube entfernt ein erschütterungssensibler Produk­tionsstandort für Medizinaltechnik. Erschütterungen durch den Tunnelbau dürfen die Produktion nicht beeinträchtigen. 

Der Baugrubenabschluss zum Bau des Tagbautunnels wird grösstenteils als zweifach ausgesteifte überschnittene Bohrpfahlwand mit einem Pfahldurchmesser von 1.3 m ausgeführt, der Tunnel als Rahmentragwerk in Form eines Doppelquerschnitts mit gemeinsamer Mittelwand. Im Eckbereich wird der Tunnelrahmen dauerhaft biegesteif an die Pfahlwand des Baugrubenabschlusses angeschlossen, um die Auftriebssicherheit im Endzustand kosteneffizient sicherzustellen.

Das Bauwerk liegt in weichem Lockergestein, das durch frühere Flussläufe der nahen Rhone geprägt ist. Unter künstlichen Auffüllungen und einer feinkörnigen Deckschicht besteht der Baugrund aus einer heterogenen Wechselfolge von siltigen, sandigen Ablagerungen und Rhoneschottern. 

Strenge Vorgaben 

Um die Produktionsqualität der ­Medizinaltechnik sicherzustellen, gelten strenge Vorgaben im Hinblick darauf, welche äusseren Einwir­kungen akzeptabel sind. Neben Lärm- und Staubbelastung beeinträchtigen insbesondere Erschütterungen die Produktion. 

Die Bauherrschaft beschloss daher, die möglichen Störfaktoren im Vorfeld zu bestimmen. Um einen Produktionsunterbruch während des Baus auszuschliessen, definierte man einen konservativen Grenz­wert von v = 1 mm/s. Wegen dessen geringer Grösse war eine verläss­liche – rechnerische oder empirische – Abschätzung der zu erwartenden Erschütterungen aus den Pfahl- und Nebenarbeiten nicht möglich.

Vor Beginn der Bautätigkeit am Hauptlos wurden daher im Winter 2012/13 unmittelbar vor der Industrieanlage Versuchspfähle ausgeführt, deren Herstellung messtechnisch begleitet wurde: fünf Gruppen à fünf Pfähle mit einer Länge von rund 24 m und einem Überschnitt zwischen 0.1 m und 0.15 m. Da neben der eigentlichen Pfahl­herstellung die Pfahlkopf­bearbeitung zum Entfernen des Überbetons als kritisch gilt, untersuchte man vier Verfahren: Abspitzen, Fräsen, chemisches Expansionssprengen und Minisprengungen.

Alarm und SMS

Die messtechnische Überwachung der Erschütterungen (Messung der Schwinggeschwindigkeitskomponenten und der Frequenzen) erfolgte mittels neun Geophonen, wovon vier entlang der Pfahlarbeiten und fünf in der Produktionsstätte an sensiblen Punkten installiert waren. Während der Pfahlherstellung wurde auf der Baustelle eine Überwachungsmethodik mit definierten Verfahrensabläufen bei Überschreiten des vorgängig festgelegten Alarmwerts von vA=1 mm/s, bzw. Meldewerts von vM =3 mm/s installiert.

Bei Überschreiten der Werte wurden die Geräteführer mittels Alarmleuchten und die örtliche Bauleitung sowie der Projektverfasser automatisch per SMS benachrichtigt, um die Ursache der Erschütterung eruieren und Gegenmassnahmen einleiten zu können.

Kritisches Ergebnis

Die maximale auf die Pfahlarbeiten zurückzuführende Schwinggeschwindigkeit betrug v=4.78 mm/s. Innerhalb der Anlage ergab die ­maximal gemessene Erschütterung v=  2.49 mm/s an Messstelle 9; sie lag folglich über dem Grenzwert. Die dominante Frequenz der Erschütterungsimmissionen lag im Bereich von f=10–30 Hz. Die weiteren Erschütterungen mit deutlichen Schwinggeschwindigkeiten waren vor allem auf Unregelmässigkeiten während der Herstellung der Bohrpfähle zurückzuführen. So führte ein Abrutschen der Verrohrung im Bohrloch zu einer eindeutig mess­baren Erschütterungsimmission, ebenso wie die Arbeiten zur Erstellung des Arbeitsplanums für das Drehbohrgerät. 

Die Arbeiten zur Pfahlkopfbearbeitung führten nie zur Überschreitung des Alarmwerts. Neben dem chemischen Expansionssprengen ist vor allem das Abspitzen erschütterungsarm. Die Fräsarbeiten und die Minisprengungen verursachten stärkere, jedoch ebenfalls unkritische Erschütterungen. 

Dämpfen hilft

Die Messungen zeigen, dass für die auf dem Baufeld angetroffenen Verhältnisse die Herstellung von Bohrpfählen inklusive Nebenarbeiten erschütterungsarm ist. Das gemessene Mittel der Immissionen liegt bei rund vm=0.7 mm/s und ­damit als frequenzbewertetes Erschütterungssignal im für Menschen spürbaren, für Bauwerke jedoch vernachlässigbaren Bereich. 

Trotz Überschreiten des Melde- und Alarmwerts kann ein positives Fazit gezogen werden: Infolge der Baugrunddämpfung waren keine produktionseinschränkenden Immissionen zu verzeichnen. Während der Dauer der Arbeiten an den Versuchspfählen lief die ­Produktion in der Industrieanlage uneingeschränkt weiter. Die Messungen belegen, dass sich die Er­schütterungsimmissionen mit ­zunehmendem Abstand deutlich ­reduzieren; somit lässt sich die Bohr­pfahl­herstellung in diesem Fall als unproblematisch beurteilen. 

Verwandte Beiträge