Small Ci­ties – Big Buil­dings

Swissbau 2012

Grosse Neubauten, die den Massstab gewachsener urbaner Strukturen sprengen, stossen in aller Regel auf Skepsis. Umsichtig geplant, können sie jedoch die Entwicklung ganzer Stadtgebiete wie Katalysatoren beschleunigen – oder überhaupt erst auslösen. Dieser Chance widmeten sich die Architekturvorträge der Swissbau am 21. Januar 2012.

Publikationsdatum
22-01-2012
Revision
01-09-2015

Jacques Herzog (Herzog & de Meuron, Basel), Winy Maas (MVRDV, Rotterdam) und Richard Burdett (Urban Age Institute, London) präsentierten Projektbeispiele und konfrontierten in der anschliessenden Podiumsdiskussion ihre Erfahrungen. Richard Burdett, ehemals architektonischer Berater des Londoner Bürgermeisters und heute unter anderem für die Olympic Parc Legacy Company tätig, beschäftigt sich zurzeit intensiv mit der Entwicklung einer der ärmsten Gegenden Londons. Das im Osten des Zentrums gelegene Areal, auf dem dieses Jahr die Olympischen Spiele stattfinden, soll in den nächsten Jahrzehnten zu einem Entwicklungsmotor für ein von rund 200'000 Menschen bewohnten Gebiet werden. Die von der öffentlichen Hand finanzierte Olympia-Infrastruktur – u.a. Pärke, Wohnbauten, Energiegewinnungsanlagen und einzelne Sportbauten, deren Nutzung auch nach den Spielen gewährleistet ist – soll die Grundstücke für private Investoren attraktiv machen. Die Olympiade, betont Burdett, ist eine «good excuse» für die öffentliche Hand, durch gezielte städtebauliche Interventionen soziale Missstände zu lindern. Die Rechnung scheint aufzugehen: Die Aufwertung des Quartiers hat eine kräftige Eigendynamik entwickelt.

Winy Maas, Frontmann des Rotterdamer Architekturbüros  MVRDV, stellte Projekte seines Teams in verschiedenen europäischen Städten vor. Trotz aller kultureller Unterschiede stach eine Gemeinsamkeit heraus: Praktisch überall, wo grosse Bauten und hohe Dichte geplant werden, haben sie sich der vorherrschenden Kleinmassstäblichkeit – oder gar, wie es Maas formulierte, der «cuteness» – der Umgebung anzupassen. Dies müsse jedoch keineswegs zu Kleinkariertheit führen, denn: «With smallness you can be big!» Voraussetzung ist allerdings eine Auseinandersetzung mit den spezifischen Qualitäten, die in der jeweils vorliegenden «cuteness» liege. Die Aufteilung von Grossbauten in mehrere Baukörper und die Auflösung der Volumina in poröse, multifunktionale Gebäude gehören zu den Ansätzen, die die Rotterdamer vorschlagen.

Jacques Herzog widmete sich der Chance, Basel zu jener Stadt werden zu lassen, die sie eigentlich sein könnte: eine trinationale Metropole mit rund 1.5 Millionen Einwohnern. Ein Ort, an dem diese Idee zurzeit konkretisiert wird, ist «New Basel»: Weil im Basler Rheinhafen im Jahr 2029 Baurechte auslaufen und der Hafen sich auf die Containerschifffahrt ausrichtet, wird ein riesiges Areal am Rheinufer frei. Dessen Reorganisation war 2009/2010 Gegenstand einer Testplanung im Auftrag des Kantons Basel-Stadt und der Schweizerischen Rheinhäfen. Das Ergebnis, das Anfang Januar der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ist eine ambitionierte Vision für ein urbanes «New Basel» samt einer dicht bebauten Insel im Rhein. Die langfristige Entwicklung des Areals soll mit den Planungen auf deutscher und französischer Seite koordiniert werden. Auch Herzog bekannte sich zur Vorsicht und Rücksichtnahme, die seine beiden Vorredner für urbanistisch relevante Eingriffe postuliert haben: Die im Bau befindliche Erweiterung der Messe beschert der Stadt zwar einen riesigen Hallenbau, der jedoch volumetrisch auf den differenzierten Charakter und die Massstäblichkeit der Umgebung Rücksicht nimmt.

Nach so vielen Inputs war die Diskussion viel zu kurz. Die Frage der Verdichtung wurde unter verschiedenen Aspekten berührt – die Rolle der Architekten, die antistädtische Haltung konservativer Kräfte, die Qualität der europäischen (Klein-)Städte und die Frage, wie man in demokratischen Gesellschaften städtebauliche Strukturen weiterbauen könne, die durch autoritäre Systeme gelegt wurden. Ein sehr anregender und bereichernder Abschluss für die Swissbau!

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