Se­nio­ren statt Kin­der

Umbau und Verdichten

Ein Schulhaus samt Zivilschutzanlage in Alterswohnungen zu verwandeln, ist keine alltägliche Aufgabe. Trotzdem können Architekten und Ingenieure viel daraus lernen. Auch darüber, was man vermeiden soll.

Publikationsdatum
26-02-2014
Revision
19-05-2017
Thomas Ekwall
MSc. EPFL Bau-Ing., MAS ETHZ Arch., Korrespondent TEC21

Das Schulhaus Neustadt II in Zug ist in ein Alterswohnhaus umgebaut worden, die darunter liegende Zivilschutzanlage in eine Tiefgarage. Das Ergebnis ist, wie jeder gelungene Umbau, ein Unikat. Es ist die gebaute Reaktion auf die Gegebenheiten des Altbaus, den städtebaulichen Kontext und die Forderungen der Bauherrschaft. Doch im Grunde war die Aufgabenstellung an die Architekten und Ingenieure alles andere als ungewöhnlich: Gebäude aus den 1960er-Jahren, die es zu dämmen, aufzustocken und umzunutzen gilt, sind in der Schweiz keine Seltenheit. 

Was geschieht, wenn ein solches Gebäude mit der neuen, energetisch optimierten Fassade einen komplett neuen Ausdruck erhält? Wie erreicht man, dass die Verdichtung der Stadtzentren nicht lediglich mehr Bauten und Menschen auf weniger Raum beschert, sondern auch einen Gewinn an Lebensqualität bringt. Ist es möglich, die neue Tragstruktur so auf die alte abzustimmen, dass möglichst wenig Abfangkonstruktionen nötig sind? Und was tun, wenn sich herausstellt, dass die bestehende Bausubstanz für die gewünschte Umnutzung gänzlich ungeeignet ist.

Radikale Lösungen für typische Probleme

Das Projekt Neustadt II liefert spezifische, konsequent zu Ende gedachte und gerade deshalb überaus lehrreiche Antworten auf diese Fragen. Als Vertreter der «Analogen Architektur» entschied sich Miroslav Šik gegen eine angeblich «ehrliche», weil sichtbare Gegenüberstellung von alter und neuer Bausubstanz. Er verschmolz sie zu einem neuen Ganzen, das zwar seltsam alterslos wirkt, sich aber als Segen für den Ort erweist: Indem das Gebäude subtile volumetrische und gestalterische Bezüge zu seinen Nachbarbauten herstellt, wertet es die ganze Umgebung auf. 

Auch in Bezug auf die Tragkonstruktion sind Alt und Neu eng verknüpft. Dank der guten Zusammenarbeit zwischen den Architekten und dem Tragwerksplaner Thomas Boyle, die bereits 2007 beim Studienauftrag begann, sind die Grundrisse des dreigeschossigen Schulhauses und der zweigeschossigen Aufstockung aufeinander abgestimmt. Diese wurde mit einer leichten Holzkonstruktion in Elementbauweise und ohne aufwendige Abfangung ermöglicht. Die Nutzungs- und Grundrissänderungen in den bestehenden Obergeschossen wurden konventionell gelöst. Der komplette Umbau des Untergeschosses dagegen stellte Thomas Boyle vor unerwartete Schwierigkeiten, die zu findigen konstruktiven Lösungen führten.

Diese Transformation einer Zivilschutzanlage in eine Tiefgarage steht für die radikale Lösung einer typischen Aufgabenstellung. Typisch, weil Zivilschutzanlagen eine besondere Typologie aufweisen, die durch klare Richtlinien definiert ist. Diese entsprechen teilweise nicht mehr den heutigen Anforderungen, womit sich eine Neunutzung zunehmend als vernünftige Alternative anbietet. Radikal, weil in diesem Fall die alte und die neue Nutzung mit ganz unterschiedlichen räumlichen Bedürfnissen verknüpft sind.

Dank einer anspruchsvollen Planung, aber mit einfachen technischen Mitteln gelang es den Ingenieuren, einen neuen Raum zu schaffen, der kaum etwas mit der kleinteiligen Gliederung der ursprünglichen Konstruktion gemeinsam hat. Die Lösung ist virtuos, doch die Verhältnismässigkeit der Intervention ist zweifelhaft. Anstatt der angestrebten 19 Abstellplätzen wurden neun grosszügige Parkboxen realisiert. Weil bei einem Verzicht auf die Parkplätze das ganze Projekt gefährdet gewesen wäre, hat man sie trotzdem gebaut – eine beachtenswerte Ingenieurleistung für eine fragwürdige Aufgabenstellung.

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