Schritt für Schritt

Die Nachfrage im Pendler-, Reise- und Güterverkehr steigt seit Jahren. Mit FABI möchte die Bahn Angebot und Infra­struktur anpassen. Am 9. Februar 2014 wird über die Botschaft abgestimmt. Das Bahnprogramm folgt auf Bahn 2000, NEAT, HGV und ZEB. Ein Überblick.

Publikationsdatum
29-01-2014
Revision
13-10-2015

Das Eisenbahnnetz in der Schweiz hat viele Aufgaben zu erfüllen: Personenpendelverkehr in die Städte, Pendelverkehr zwischen den Städten, Personen-Fernverkehr und Güterverkehr. Ein Schwerpunkt der Schweizer Verkehrspolitik ist zudem die Verlagerung der Güter im alpenquerenden Transit von der Strasse auf die Schiene. 2012 haben rund 1.2 Millionen Lkw die Schweizer Alpen überquert.1 Eine Reduktion dieser Lastwagenfahrten auf das gesetzlich vorgesehene Verlagerungsziel – 650.000 Fahrten im Jahr 2018 – ist gemäss Verlagerungsbericht weiterhin nicht zu erreichen.2

Wohnbevölkerung, Arbeitsplatzangebot und individuelle Mobilitätsbedürfnisse nehmen in der Schweiz stetig zu; die Nachfrage im Pendlerverkehr steigt. Die Bahn versucht mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten. Das Netz, das zu weiten Teilen aus dem 19. Jahrhundert stammt, ist ausgelastet. Für jeden Angebotsausbau muss es punktuell erweitert werden. Die Lösungsansätze der letzten Jahre waren verschiedene Bahnausbauprogramme. Das jüngste heisst «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur» (FABI) und regelt eben nicht nur den Ausbau, sondern auch die künftige Finanzierung. Am 9. Februar 2014 stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Vorlage FABI ab.

So weit, so gut, doch was verbirgt sich dahinter? Im Groben geht es darum, Engpässe im Schienennetz zu beseitigen und zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Schon heute ist das Eisenbahnnetz der Schweiz eines der am dichtesten befahrenen der Welt. Heutige Prognosen besagen, dass der Personen- und Güterverkehr bis 2030 gesamtschweizerisch um weitere 60% ansteigen wird. Ausbauten der Infrastruktur seien deshalb unabdingbar, sagte Philippe Gauderon, Leiter Infrastruktur SBB, beim Trinationalen Bahnkongress in Basel im Mai 2013.

Einzelne Elemente der beiden Grossprojekte Bahn 2000 und Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) wurden aus finanziellen Gründen verschoben und die Mittel dem nachfolgenden Grossprojekt ZEB (Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur) zugesprochen. Die Finanzierung der Projekte ab 2016 kann jedoch nicht mehr aus dem Fonds für die Eisenbahngrossprojekte (FinöV-Fonds) erfolgen, da er befristet ist und die daraus finanzierten Projekte nicht beliebig erweitert werden können. Der FinöV-Fonds soll in den neu geschaffenen Bahninfrastrukturfonds (BIF) überführt werden. Mit ihm sollen Betrieb, Unterhalt und Ausbau finanziert werden. Gemeinsam mit STEP, also dem Ausbauteil, ergibt sich die Botschaft FABI. 

FABI = STEP + BIF

Als Grundlage für den Ausbauteil von FABI hat das Bundesamt für Verkehr (BAV) eine langfristige Perspektive erarbeitet, basierend auf den Fragen: Was erwarten die Kunden und Kundinnen in Zukunft vom öV-Netz? Welche Verbindungen sind notwendig, um diese Erwartungen zu erfüllen? Und welche Angebote müssen den Verbindungen hinterlegt werden? Zudem flossen die prognostizierte Verkehrsnachfrage und die Forderungen der Raumplanung nach der Siedlungsentwicklung nach innen in die Überlegungen ein.

Die Langfristperspektive zeigt, wohin sich das Angebot im Schweizer Bahnverkehr entwickeln soll: Zunächst steht dabei die Kapazitätserhöhung im Vordergrund; kürzere Reisezeiten rangieren nicht an erster Stelle, sollen aber auch nicht verhindert werden. Der Betrachtungshorizont reicht bis mindestens 2050. Angebotsseitig legte das BAV fest, wo eine Taktverdichtung gebraucht wird, wo der S-Bahn-Verkehr gestärkt werden muss und wie die Anschlüsse ins Ausland aussehen sollen. 

Erster Ausbauschritt: STEP 2025

Um die Ideen aus der Langfristperspektive zu realisieren, werden Projekte in STEP in zwei Dringlichkeitsstufen eingeteilt. Alle vier bis acht Jahre wird das bestehende Angebot mit den Prognosen für die Zukunft abgeglichen. Ausbauvorschläge werden von der Verwaltung ausgearbeitet und an den Bundesrat weitergereicht. Dieser legt sie dem Parlament zur Prüfung und Freigabe vor. Der erste Schritt enthält Projekte, die bis 2025 umgesetzt werden sollen: Bahnhofsumbauten, da zum Beispiel längere Perrons benötigt werden, um längeren Zugkompositionen Platz zu bieten und die Pendlerströme zu entflechten; neue Überholgleise, Doppelspurausbauten, Entflechtungsbauwerke oder Kreuzungsstellen, die sowohl dem Personen- als auch dem Güterverkehr zugutekommen (Karte). 

Die technische Umsetzung dürfte unproblematisch sein; die erforderlichen Arbeiten unter Betrieb auszuführen ist jedoch anspruchsvoll. Auch Massnahmen zu den Taktverdichtungen gehören zu den Projekten, die dem Bahnprogramm STEP zugeordnet werden. In städtischen Gebieten – etwa zwischen Basel und Liestal – ist der Viertelstundentakt geplant, auf anderen Strecken wie Zürich–Chur, Bern–Luzern oder Biel–Neuenburg der Halbstundentakt. Das Versprechen an die Passagiere: mehr Züge, mehr Platz, höhere Pünktlichkeit und mehr Sicherheit. 

Bahn 2000 machte den Anfang 

Die Botschaft «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur» fügt sich in eine lange Reihe von Bundesbeschlüssen zum Bahnbau ein. Einige Programme werden parallel ausgeführt, was es nicht einfacher macht, den Überblick zu behalten. 

Am 6.12.1987 haben die Stimmbürger die Vorlage zu «Bahn 2000» angenommen. Die heute weitgehend abgeschlossenen Vorhaben hatten das Ziel, schnellere und direktere Zugverbindungen in der ganzen Schweiz anbieten zu können. Idee des Projekts war es, einen vorteilhaften Fahrplan zu bestimmen und dann die dazu nötigen Infrastrukturausbauten anzugehen. Der Integrale Taktfahrplan zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Züge aus allen Richtungen zur vollen und/oder halben Stunde an den wichtigsten Bahnhöfen treffen, wodurch ein Umsteigen fast ohne Wartezeiten möglich wird.

Möglich ist das aber nur, wenn die Fahrt zwischen den Knoten knapp unter 30 oder 60 Minuten dauert. Wo das nicht der Fall war, wurden neue Strecken erstellt oder alte ausgebaut. Das bekannteste Projekt der ersten Etappe war die Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist, die 2004 eröffnet wurde. Die Idee zur zweiten Etappe «Bahn 2000» scheiterte jedoch. 

Lötschberg, Gotthard und Ceneri

Am 27.9.1992 stimmte das Schweizer Stimmvolk dem Bundesbeschluss über den Bau der schweizerischen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) zu. Das Grossprojekt soll den Eisenbahntransitverkehr in Nord-Süd-Richtung verbessern, hauptsächlich um den alpenquerenden Schwerverkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Diese Arbeiten laufen bekanntermassen noch. Die Fertigstellung des Gotthard-Basistunnels ist auf 2016 terminiert, die des Ceneri-Basistunnels – klammert man eine mögliche Zeitverzögerung durch den derzeitigen Rekurs aus – auf 2019. 

Der Lötschberg-Basistunnel ist seit 2007 in Betrieb, wobei die Fertigstellung der zweiten Röhre aus finanziellen Gründen zurückgestellt wurde. Die fehlende Finanzierung war auch der Grund, warum der Hirzeltunnel zur Anbindung der Ostschweiz fallen gelassen und der Zimmerbergtunnel zwischen Thalwil und Zug zurückgestellt wurden. 

Den Lärm in den Griff bekommen

Weit fortgeschritten ist das Grossprojekt Lärmsanierung der Eisenbahnen. Es richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 24. März 2000 (BGLE). Ziel ist es, bis Ende 2015 netzweit mindestens zwei Drittel der Bevölkerung, die schädlichem oder lästigem Eisenbahnlärm ausgesetzt ist, zu schützen. Dies in erster Priorität durch die Sanierung des Rollmaterials und in zweiter Priorität durch bauliche Massnahmen wie den Bau von Lärmschutzwänden oder die Sanierung einzelner Stahlbrücken. Ende September 2013 hat das Parlament den nächsten Schritt beschlossen: Mit weiteren Massnahmen soll der Bahnlärm weiter reduziert werden. Kernelement ist dabei, dass ab 2020 Lärmgrenzwerte für alle Güterwaggons gelten. 

Anschluss ans europäische Netz

Das Bundesgesetz über den Anschluss der Ost- und Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz (HGV) vom 18. März 2005 soll dazu beitragen, einen möglichst grossen Anteil des internationalen Strassen- und Luftverkehrs auf die Schiene zu verlagern. Rund 30 Projekte in der Schweiz, in Deutschland und in Frankreich werden derzeit realisiert oder sind bereits abgeschlossen.

Den Bestand maximal ausnutzen

Das BAV überführte die in der zweiten Etappe «Bahn 2000» vorgesehenen Projekte in das Programm «Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur» (ZEB). Bund und SBB unterzeichneten die erste Umsetzungsvereinbarung für ZEB am 29. Juni 2011. Mit dem ZEB-Gesetzentwurf bezweckt man, die Kapazitäten für den Personenfern- und den Güterverkehr auszubauen und die Zahl der Vollknoten zu erhöhen. Dazu zählen auch Projekte im Zusammenhang mit dem Ausbau der NEAT-Zufahrten und der Durchmesserlinie Zürich.


Die SBB werden zum Beispiel die Zugfolgezeiten auf verschiedenen Abschnitten der Achse Basel–Chiasso verkürzen, um dadurch die Kapazität im Hinblick auf die Eröffnung des Gotthard- und Ceneri-Basistunnels zu erhöhen. Die Teilprojekte des Grossprojekts ZEB sind in Umsetzung oder in Planung.

Mehr Platz für den Güterverkehr

Beim «4-Meter-Korridor» handelt es sich um eine Güterverkehrsvorlage. Ein Ja zu FABI ist Voraussetzung für dessen Realisierung. Die SBB sollen im Auftrag des Bundes die Gotthard-Achse ausbauen, damit ab 2020 auch Sattelauflieger, Wechselbehälter und Container mit einer Eckhöhe von vier Metern transportiert werden können. Für den durchgängigen 4-Meter-Korridor von Basel ins Tessin müssen rund 20 Tunnels ausgebaut und diverse Anpassungen an Fahrstrom- und Signalanlagen, Überführungen und Perrons vorgenommen werden.

Das grösste Projekt ist der Bözbergtunnel im Kanton Aargau. Als beste Variante erwies sich hier der Neubau eines Doppelspurtunnels. Von dem höheren Lichtraumprofil kann – durch die Nutzung von Doppelstockwagen – auch der Personenverkehr profitieren. Die Vorlage wurde vom Parlament bereits in beiden Räten diskutiert, und die Differenzbereinigung steht kurz vor Abschluss.

Die Nachfrage wächst weiter

Mit einem Anteil von 17% der Personenverkehrsleistung und 39% der Güterverkehrsleistung am gesamten Verkehr belegen die Schweizer Bahnen einen internationalen Spitzenwert bezüglich Modal Split. Das erwartete Bevölkerungswachstum hat eine höhere Nachfrage nach Infrastrukturdienstleistungen zur Folge. Gemäss dem mittleren Referenzszenario des Bundesamtes für Statistik wächst die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz bis 2060 auf 8.992.000 Personen.

Geht man davon aus, dass die Schweiz ein attraktives Einwanderungsland bleibt, ist nicht auszuschliessen, dass die tatsächliche demografische Entwicklung dem oberen Szenario entspricht – gemäss Bundesamt für Statistik 11.3 Mio. Einwohner. Das Bevölkerungswachstum wird sich vermutlich auf die Ballungsräume konzentrieren. Daher wird die Nachfrage nach Infrastrukturdienstleistungen vor allem zwischen den Agglomerationen steigen. Zu bedenken ist zudem, dass neue Infrastrukturen wirtschaftliches Wachstum begünstigen; dies führt zu höherer Nachfrage, die ihrerseits zusätzliche Infrastrukturkapazitäten erforderlich macht.

Es drängen sich Fragen auf: Wie beeinflussen sich Bahninfrastrukturausbau und Strassenausbau künftig? Geht der Ausbau immer weiter? Müsste der Verkehr irgendwann gesamthaft plafoniert werden, um das Mobilitätsverhalten zu steuern? Fragen, die an dieser Stelle offen bleiben. 

Abkürzungen
BAV:
Bundesamt für Verkehr
BGLE: Bundesgesetz über die Lärmsanierung der Eisenbahnen
BIF: Bahninfrastrukturfonds
FABI: Finanzierung und Ausbau der BahninfrastruktuR
FinöV: Bundesbeschluss über Bau und Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs
HGV: Bundesgesetz über den Anschluss der Ost- und Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz
LSVA: Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe
NEAT: Neue Eisenbahn-Alpentransversale
STEP: Strategisches Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur
ZEB: Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur

Gegenvorschlag akzeptiert
FABI ist der direkte Gegenentwurf des Bundesrats zur Initiative «Für den öffentlichen Verkehr». Der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) und weitere Organisationen reichten die Initiative im September 2010 ein. Da die Ziele der Initiative mit dem Gegenvorschlag erfüllt sind, zogen die Urheber sie im Juli 2013 zurück. 

Anmerkungen

  1. Mit den bisherigen Massnahmen werden pro Jahr 650.000 bis 700.000 Fahrten vermieden: namentlich der NEAT, der Erhebung der LSVA, der Beibehaltung des Nachtfahrverbots für Lkw und einer gezielten Unterstützung des Schienengüterverkehrs bis zur Eröffnung der NEAT.
  2. Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Verlagerungsbericht Juli 2011 – Juni 2013 vom November 2013.
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