Schö­ne neue Ar­beits­welt

In den Büroalltag ist in den letzten Jahren Bewegung gekommen. WLAN, Telearbeit¹ oder Multi-Space-Büros² stellen die klassischen Typologien wie Grossraumbüros oder Zellenstrukturen infrage. Einen Blick auf aktuelle und zukünftige Büros wagte am 14. Juni 2012 die Tagung «Büro- und Arbeitswelten heute und morgen» der Hochschule Luzern.

Publikationsdatum
14-06-2012
Revision
01-09-2015

Der Einstieg ins Thema war ein theoretischer: Charles Imbacher (balanced performance agency) zeichnete das Bild der Generation der «Digital Natives», die zum Arbeiten in Büro-Hubs einchecken und dort einen Arbeitsplatz jeweils nur temporär mieten – Bürofläche und Infrastruktur, die, effizient genutzt, keine Fixkosten für den Arbeitgeber generiert. Vorerst bleibt das für die meisten noch Zukunftsmusik, und so plädierte Imbacher für eine Mischung aus Heim- und Büroarbeit, die aber neben einer guten Selbstorganisation des Arbeitnehmers auch eine Kultur des Vertrauens vonseiten des Arbeitgebers bedinge.

Wunsch und Wirklichkeit

Dieses optimistische Bild korrigierten anschliessend drei Vorträge aus der Praxis von Toni Lengen, Christian Hadorn (UBS) und Stefan Pöschel (Witzig, The Office Company). Anhand von aktuellen Büro-Umstrukturierungen bei PricewaterhouseCooper, SAP und UBS zeigten sie, was es braucht, um neue räumliche Strukturen realisieren zu können, und wichtiger: warum es dies braucht.
Für die meisten Unternehmungen dieser Grössenordnung steht aus Kostengründen eine bessere Ausnutzung ihrer Flächen im Vordergrund; oft werden auch Unternehmensbereiche, die organisatorisch zusammengehören, aber räumlich getrennt sind, zusammengefasst. Dazu kommt der im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter («War of Talents») wichtige Prestigefaktor. Eine gut organisierte und durchdachte Umorganisation generiert aber auch positive Nebeneffekte, wie eine höhere Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen, eine bessere Vernetzung untereinander oder eine gestiegene Produktivität.
Berichterstattungen über Vorzeigeprojekte wie das Google Headquarter in Zürich erwecken zwar den Eindruck, die glückliche neue Bürowelt mit Gemeinschaftsräumen für Kommunikation, Sport und Entspannung sei bereits an der Tagesordnung. Tatsächlich sind gemäss Toni Lengen aber noch rund 70% aller Büroflächen in der Schweiz konventionell organisiert. Eine interne Untersuchung der UBS zeigte, dass die Arbeitsplätze durchschnittlich nur während 43% der Arbeitszeit tatsächlich besetzt sind (generell geht man von 50% aus) – bei den rund 26'000 Arbeitsplätzen des Unternehmens in der Schweiz kommt man dabei auf eine beeindruckende Zahl an ungenutzten, aber eingerichteten Büros.

Es menschelt

Die Entwicklung geht daher zu Multi-Space-Büros mit Standardarbeitsplätzen, Kommunikationszonen, Sitzungszimmern und Fokusräumen für konzentriertes Arbeiten. Um Fläche zu sparen, wird zudem oft eine Shared-Desk-Strategie verfolgt, bei der den Mitarbeitern kein fixer Arbeitsplatz mehr zugeteilt ist. Die drei Praxisbeispiele zeigten, welche Faktoren für einen erfolgreichen Wechsel von Einzel- auf Multi-Space-Büros wichtig sind:

  • eine detaillierte Bedürfnisanalyse: Wo findet die Arbeit statt (zu Hause, auf dem Arbeitsweg, im Büro, bei Kundenbesuchen)  Daraus ergibt sich dann das Raumprogramm. Bei den Beispielen UBS und SAP konnten so die fixen Arbeitsplätze um ein Drittel reduziert werden.
  • Das Konzept muss der Unternehmenskultur entsprechen: Eine stark hierarchisch geführte Unternehmung wird mit offenen Bürozonen und Shared Desks nicht funktionieren.
  • Die gesamte Geschäftsleitung muss das Projekt mittragen und gegenüber den Mitarbeitenden vertreten.
  • Um eine Kultur des Vertrauens zu etablieren, muss es verbindliche Spielregeln geben, z.B. in Bezug auf die Erreichbarkeit bei Telearbeit oder die zeitlich begrenzte Nutzung der Fokusräume
  • Neue Bürostrukturen werden am besten in 1:1-Modellen vermittelt. Dabei können die Mitarbeitenden die neue Situation testen und Verbesserungsvorschläge machen
  • Der wichtigste Punkt, der in allen Vorträgen immer wieder betont wurde, war das Change Management: Wie wird der Wechsel kommuniziert, wie können sich die Mitarbeitenden einbringen, wie wird Ängsten begegnet? Ohne eine sorgfältige und engagierte Projektbegleitung mit einem zuverlässigen Ansprechpartner ist die Chance gross, dass das Projekt von der Mehrheit abgelehnt wird.

Dabei muss man sich bewusst sein, dass Widerstände normal sind. Durchschnittlich sind es jeweils etwa 16% der Mitarbeitenden, die gegen ein Projekt opponieren. Überraschenderweise sind Widerstände nicht generationenimmanent, sondern hierarchiebedingt: Das in den Vorträgen als «Lehmschicht» (undurchlässige Schicht zwischen Mitarbeitenden und Topmanagement) bezeichnete mittlere Management legt offenbar grossen Wert auf das als Statussymbol empfundene Einzelbüro.
Ein weiterer bedenkenswerter Punkt ist die Einbindung in die globalen Strukturen grosser Konzerne. Während in der Schweiz, in Deutschland oder in Grossbritannien Multi-Space-Büros oft begrüsst werden, hat sich das Konzept z.B. in den USA oder im Nahen Osten noch nicht durchgesetzt.

Investition Büro

Der Nachmittag der Tagung war dem Büro als Immobilie gewidmet. Aus Investorenseite ist in der Schweiz der Raum Genf und besonders der Raum Zürich interessant. Felix Thurnherr (ImmoCompass AG) und Robert Hauri (SPG Intercity) präsentierten Betrachtungen zur Entwicklung der Büroflächen in der Schweiz hinsichtlich Mieten sowie Angebot und Nachfrage. Die (für Planer und Immobilienbranche) gute Nachricht: Trotz Telearbeit stirbt der Bürobau nicht aus. Im Gegenteil: In den nächsten sechs Jahren wird die gebaute Bürofläche um 700'000mzunehmen.
Von der Seite der Immobilienentwickler wurde deutlich, dass Investitionen in eine Umorganisation der Büroflächen bisher ausschliesslich von Grossunternehmen getätigt werden. Kleinere Firmen bilden entweder Bürogemeinschaften und mieten gemeinsam grosse, günstige Flächen, oder sie quartieren sich zur Untermiete in einer grösseren Firma ein. Offene Flächen mit von mehreren Firmen gemeinschaftlich genutzten Serviceräumen haben sich bisher nicht etabliert.
Thematisiert wurde auch das Abwägen zwischen Individualisierung und Flexibilität beim Bau eines Gebäudes: Jede Bürofläche soll im Fall einer Umnutzung eine Vielzahl an Räumen zulassen, gleichzeitig geht die Entwicklung bei der Gebäudetechnik hin zu mehr Individualität – jede Mitarbeiterin soll Sonnenschutz oder Belüftung auf ihre Bedürfnisse abstimmen können. Das bedingt viele Anschlüsse, Leitungen, Steuerungen – ein unlösbarer Konflikt.
Den Abschluss der Tagung machte der Vortrag von Dieter von Arx, stellvertretender Leiter des iHome Lab der Hochschule Luzern. Hier untersuchen die Forscher, wie intelligente Gebäudetechnologien unseren Alltag erleichtern können. Zwar wirkte vieles davon visionär, manches verspielt (wie der smarte Rollator), einiges beängstigend. Angesichts der vormittäglichen Anekdoten aus der Praxis, die von allzu menschlichen Abgrenzungsversuchen und Machtspielen handelten, wäre es aber wohl manchmal wünschenswert, das Gebäude entscheiden zu lassen.

Anmerkungen

  1. Im Gegensatz zur Heimarbeit, bei der der Arbeitsplatz im eigenen Heim angesiedelt ist, ohne externen Arbeitsplatz in einer Firma, ist die Telearbeit als Ergänzung zur Tätigkeit im herkömmlichen Büro gedacht.
  2. Das Multi-Space-Büro ist nach Funktionen, nicht nach Hierarchien aufgeteilt. In der Regel gibt es feste Arbeitsplätze, eine offene Kommunikationszone, Sitzungsbüros in verschiedenen Grössen sowie Fokusräume für konzentrierte Einzelarbeit.

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