Schlan­ker, wei­ter, stär­ker

UHFB im Hochbau

Mit 200 m³ UHFB stellt die Terrassenüberdachung des Olympischen Museums den grössten Einsatz des Baustoffs im Schweizer Hochbau dar. Bei den schmalen Rippen wird das Material bis an seine Grenzen gefordert.

Publikationsdatum
20-11-2014
Revision
18-10-2015
Thomas Ekwall
MSc. EPFL Bau-Ing., MAS ETHZ Arch., Korrespondent TEC21

Mitten in der Postmoderne baute der Architekt Pedro Ramírez Vázquez 1993 das klassisch anmutende Olympische Museum in Lausanne-Ouchy. Weniger klassisch, dafür aber mit einer radikal modernistischen Formsprache wurde die Anlage von B + W architecture und den Ingenieuren Muttoni & Fernández im vergangenen Jahr weitergebaut.

Dabei sollte die grossformatige Terrasse gegen Süden aus Kapazitätsgründen überbaut werden, woraus sich für den Architekten drei Themen herauskristallisierten: Durch eine transparente Fassade sollte der prächtige Ausblick auf den Genfersee zur Geltung kommen. Zugleich sollten die 866 m2 Bankettsaal, Restaurant und Galerie möglichst natürlich beleuchtet werden. Weil das Dach auf einem bestehenden Gebäude steht, wurde eine leichte Konstruktion vorausgesetzt. 

Die Inspirationsquelle für den Dachentwurf war nicht etwa ein neuartiges Material, sondern der 1962 erstellte Ausstellungspavillon der Nordischen Länder in Venedig von Architekt Sverre Fehn, der eine passende Antwort auf diese Themen in sich birgt: Dort wurde ein zweilagiger Rost mit 100 cm hohen und 6 cm schmalen Rippen aus Stahlbeton ausgebildet, die zugleich als Tragwerk und Sonnenblenden fungieren. Im Aussenbereich der Terrasse in Lausanne sollte ein ähnlicher Effekt erreicht werden, jedoch mit zeitgenössischen und dauerhaften Materialien.

Deshalb entwarfen die Ingenieure drei Varianten für die tragenden Sonnenblenden: Brettschichtholzrippen wären wirtschaftlich gewesen, dafür aber der Holzschutz aufwendig und die Alterung des Materials sichtbar. Rippen aus extrudierten Aluminiumprofilen wären bauphysikalisch interessant, aber konstruktiv aufwendig und mit mangelnder Erfahrung seitens der Bauunternehmen verbunden. Patrizio Longo, Projektleiter bei B + W architectes: «Schlussendlich überzeugte die UHFB-Variante sowohl durch ihre Beständigkeit und Leistungsfähigkeit als auch hinsichtlich der Ästhetik: Wir wollten ein minerales Material, ganz im Einklang mit dem weissen Tassos-Marmor des bestehenden Museums.»

Montage wie im Stahlbau

Das Dach ist im Grundriss rechteckig und streng nach einem 0.75 m Rastermass gegliedert (pdf). Der Abstand zwischen den filigranen Innenstützen und der Fassade akzentuiert das grosszügig auskragende Dach. Aus bauphysikalischen Gründen mussten die Rippen im Fassadenbereich unterbrochen und mit gedämmten Edelstahlblechen statisch verbunden werden, jedoch ohne die Vorspannkabel zu unterbrechen. Ein aufwendiges Detail, vergleichbar mit den thermischen Brücken des klassischen Betonbaus.

Die Rippen wurden vorfabriziert und kom­binierten Stahlbaudetails mit Vorgängen aus dem Spannbetonbau: Im Werk wurden die Längs- und Querrippen mit maximalen Längen von 12 m hergestellt. Der Frisch-UHFB wurde in eine mehrfach verwendbare Stahlschalung gegossen. Die Querrippen wurden zusätzlich mit Hüllrohren und Anschlussbewehrung aus Duplex-Stahl EN 1.4462 versehen. Die Längsrippen wurden dagegen im Spannbett mit sofortigem Verbund durch die Spannlitzen im Werk vorgespannt.

Der trapezförmige Querschnitt liess sich einfach ausschalen, und der Beton wurde nicht nachbehandelt, sondern nach mindestens sieben Tagen auf die Bau­stelle transportiert. Dort wurden die Vorspannlitzen durch die Hüllrohre der zusammengesetzten Rippen eingefädelt und die Stossfugen mit Mörtel ausgegossen. Die ­Spannlitzen nach System Freyssinet wurden mit 195 kN vorgespannt und die Hüllrohre ausinjiziert. Die Längsrippen wurden auf die Gewindestangen der ­darunterliegenden Querträger verschraubt und ihre Montagefugen ausgegossen.

Der Querschnitt der Rippen zeigt die Vorteile des UHFB: Dank ihrer hohen Dichte und den Stahlfasern können geringe Bewehrungsüberdeckungen ohne Einbusse der Dauerhaftigkeit realisiert werden. Die Rippen sind 80 bis 100 mm breit und müssen aus statisch-konstruktiven Gründen konventionell bewehrt werden: eine mittlere Lage mit Vorspannkabel und Biegebewehrung sowie zwei seitliche Lagen für die Anschluss- und Bügelbewehrung. Somit bleibt nur noch eine minimale Bewehrungsüberdeckung von 15 mm übrig. Mit konventionellem Beton wären 35 mm erforderlich, somit wären die Rippen allein aus diesem Grund 40 mm dicker gewesen.

Die Längsrippen wurden teilweise aus geschweissten Stahl-Hohlkastenprofilen anstatt aus UHFB gefertigt, einerseits, um den Hohlraum als Schacht für die Ventilation zu aktivieren, andererseits, weil die Beanspruchungen örtlich zu hoch waren. Dort war Stahl offenbar leistungsfähiger als UHFB, jedoch aus architektonischen Gründen nicht erwünscht; er wurde daher möglichst unsichtbar eingesetzt. Die UHFB-Rezeptur wurde in Absprache mit dem Lieferanten festgelegt: Jeder Kubikmeter Beton beinhaltet 200 kg Stahl­fasern mit einem Durchmesser von 0.3 mm und 20 mm Länge.

Knackpunkt Zugfestigkeit

Die planmässige charakteristische Druckfestigkeit fck > 150 MPa wurde problemlos eingehalten: 58 Druckversuche ergaben einen Mittelwert von 188 MPa und eine Standardabweichung von nur 9.8 MPa.

Die Erkenntnisse aus den Zugversuchen waren dagegen weniger erfreulich: Dort, wo der UHFB allein Zugfestigkeiten von etwa 8–12 MPa aufwies, hat man bei den Prüfkörpern des bewehrten UHFB starke Streuungen beobachtet. Im Bereich der «Fremdkörper» wie Bewehrung und Spannlitzen orientierten sich die Fasern naturgemäss parallel zu diesen. Die Matrix wirkte dadurch spröde in der dazu senkrechten, faserlosen Richtung.

Aus diesem Grund hat der Projektverfasser auf die Zugfestigkeit des UHFB teilweise verzichten müssen. Er bemass die schlaffe und die vorgespannte Bewehrung so, dass sie sämtliche Zugspannungen aus Biegung, Querkraft und der vertikalen Krafteinleitung übernahmen. Die Zugfestigkeit des UHFB wurde jedoch hinsichtlich der sekundären Zugspannungen1 und der ­kurzen Bewehrungsverankerung berücksichtigt.2

Die beliebige und unberechenbare Anordnung der Faser behindert offenbar den optimalen Einsatz dieses Materials: «UHFB eignet sich sehr gut für dünne Bauteile wie Platten und Scheiben mit geringem Bewehrungsgehalt», meint der Ingenieur und Projektverfasser Prof. Muttoni. «Sobald aber Biegebewehrung und Vorspannkabel infolge hoher Beanspruchungen unumgänglich werden, ist die Zugfestigkeit des Materials selbst nicht mehr ausreichend und zuverlässig oder am falschen Ort vorhanden. Dennoch bin ich überzeugt, dass es das richtige Material für diese Bauaufgabe war. Es hat Potenzial und sollte weiterentwickelt werden, indem zum Beispiel weniger Fasern zum Einsatz kommen. UHFB ist dann ein besserer Beton, der nach wie vor mit Bewehrung und Vorspannung versehen wird.»

Material sucht passende Konstruktion

Das Dach des Olympischen Museums beweist, dass UHFB ein leistungsfähiges Material ist, aus dem schlanke Bauteile hergestellt werden können. Durch die hohe Präzision und Festigkeit lässt er sich mit Baustahl konstruktiv gut kombinieren. Gegenüber konventionellem hochfestem Beton ist die erhöhte Zugfestigkeit besonders vorteilhaft, zum Beispiel im Bereich konzentrierter Krafteinleitungen.

Zum heutigen Zeitpunkt bleibt die Frage der Wirtschaftlichkeit offen: Der UHFB kostete etwa 5000 Fr./m3, inklusive Schalung, Bewehrung, Transport und Montage. Gemäss einer Unternehmerofferte für die anfangs erwähnte Holzvariante wären die Er­stellungskosten durch diese Materialwahl halbiert gewesen. UHFB ist dafür dauerhaft, was grundsätzlich für eine langfristige Wirtschaftlichkeit spricht. Doch im Hochbau wird das Material vorerst dort seine Anwendung finden, wo gestalterische Aspekte einen hohen Stellenwert haben.

Die Erkenntnisse aus solchen Meilensteinprojekten sind besonders wertvoll und tragen zum Fortschritt der UHFB-Bauweise bei, sei es, indem künftig das ­Material auf die Bedürfnisse einer Konstruktion abgestimmt wird oder indem eine adäquate Konstruktion für das Material entwickelt wird. Daran nehmen innovative Forscher, Tragwerksplaner und ­Materialhersteller gleichermassen teil. 

Anmerkungen
1 Sekundäre Spannungen entstehen durch Spreizkräfte infolge Vorspannung oder anderer konzentrierter Krafteinleitungen.
2 A. Muttoni, U. Brauen, J.-L. Jaquier, D. Moullet: A new roof for the Olympic Museum at Lausanne, Switzerland. UHPFRC 2013, Marseille. S. 69–76

Am Bau Beteiligte


Bauleitung
Tekhne SA


Fertigteilhersteller (ARGE)
Dénériaz SA, MFP Préfabrication, Marin-Epagnier


Vorspannung
Freyssinet SA

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