Op­tisch an­spre­chend, öko­lo­gisch von Vor­teil

Grüne Fassaden

Grüne Gebäudefassaden liegen im Trend und besitzen grosses Potenzial zur Erhöhung der Naturvielfalt und der Erlebnisqualität im Siedlungsumfeld. Erfahrungswerte zu Unterhalt und Dauerhaftigkeit sind kaum bekannt.

Publikationsdatum
10-03-2016
Revision
25-05-2016

Wo sich rund um ein Gebäude noch unversiegelte Fläche zieht, lassen sich Kletterpflanzen direkt im Erdboden anpflanzen. Ist mangels Raum keine derartige Pflanzung möglich, lässt sich eine fassadengebundene Begrünung realisieren.

An Fassaden, die mit Pflanzen gestaltet sind, können dadurch unschöne Details verdeckt werden. Meistens jedoch sollen begrünte Fassaden die Qualität im Siedlungsraum erhöhen. In einzelnen Gemeinden werden grüne Ge­bäudefassaden sogar für den ökologischen Ausgleich von verbauten Flächen oder zur Verbesserung der ­Grünflächenziffer angerechnet. 

Erholung, Lebensqualität und Mikroklima

Naturnahe und grüne Räume, aber auch einzelne ­Naturelemente wie Sträucher oder Bäume haben für Menschen einen hohen Erholungswert. Denselben Effekt haben grüne Fassaden: Genauso wie andere Natur­objekte ziehen sie Insekten an, darunter Bienen, Fliegen und Käfer, und damit weitere Tiere, die von ihnen leben. Der Natur- und Erlebniswert wird noch verstärkt durch die Vögel, die ihrerseits durch Kleintiere oder Früchte von Fassadenpflanzen angelockt werden. Damit leisten begrünte Fassaden auch einen Beitrag zur Artenvielfalt im dichten Siedlungsraum.

In und über Städten ist es in der Regel mehrere Grad wärmer als im Umland. Baumaterialien wie Asphalt, Beton und Tonziegel heizen bei Sonneneinstrahlung stark auf und geben die Hitze über Nacht wieder ab. Begrünte Fassaden verhindern dagegen ein starkes Aufheizen des Gebäudes und schützen Wände vor der UV-Einstrahlung. Zudem geben die Pflanzen Wasser ab; die Verdunstung senkt die Umgebungstemperatur. Nicht umsonst ist im Sommer der Schatten von Bäumen ein bevorzugter Platz. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist die luftreinigende Wirkung: Der Feinstaub, etwa aus dem Verkehr, lagert sich auf Blättern und Nadeln ab und wird vom Regen wieder abgewaschen. Gleichzeitig binden Blätter und Nadeln CO2 und produzieren Sauerstoff. 

Bodengebundene Begrünung

Bei Pflanzen, die im natürlichen Boden wurzeln und an Wänden oder Fassadenkonstruktionen emporklettern, wird von bodengebundener Begrünung gesprochen. Arten, die ohne Gerüst und Kletterhilfe auskommen, sind sogenannte Selbstklimmer. Sie klettern mithilfe von Haftwurzeln oder Haftscheiben. Zu ihnen gehören Efeu und einige Arten des wilden Weins. Gerüstklet­terer hingegen benötigen eine Kletterhilfe.

Je nach Art der Pflanze – Schlinger, Ranker oder Spreizklimmer – kann diese diagonal oder senkrecht geführt werden; sie benötigen aber eine unterschiedliche Dicke, unterschiedliches Material und eine angepasste Stabilität. Der beliebte Blauregen (Glyzine) ist beispielsweise ein Schlinger, der sehr alt, hoch und schwer wird. Die Kletterhilfe muss daher stabil und gut verankert sein. Im Gegensatz dazu genügen dem Hopfen Hanfseile zum Emporwachsen, da die oberirdischen Teile einjährig sind.

Letztere sind zusammen mit den verwelkten Pflanzenresten abzuräumen und zu kompostieren. Spreizklimmer wie zum Beispiel Rosen halten sich mit Dornen fest. Starker Wind kann die Ranken jedoch leicht losreissen, daher müssen sie zusätzlich befestigt werden und brauchen regelmässige Pflege. Den grössten Pflege­aufwand verursacht das Spalierobst, da es sorgfältig aufgebunden, regelmässig zurückgeschnitten und mit Nährstoffen versorgt werden muss. 

Fassadengebundene Begrünung

Beim direkten Fassadenbewuchs dient die Fassade selbst als Vegetationsfläche. Dadurch wird eine Begrünung in grosser Höhe ermöglicht, etwa bei hohen Häusern oder wenn der Raum für eine bodengebundene Begrünung fehlt. Eine vertikale Grünfläche wird an einer vorgehängten Fassade aufgebaut. Die Pflanzen erhalten keinen Kontakt zum Baukörper. Trotzdem muss die Gebäudehülle gegen Feuchtigkeit und Durchwurzelung geschützt sein. Als Trägermaterial dienen meist Vliese oder Steinwolle, die ein Wasser speicherndes Substrat enthalten. 

Heute sind verschiedene Systeme auf dem Markt, die eine flächige vertikale Begrünung erlauben. Allenfalls müssen die Anlageteile vor Ort zusammengebaut, mit Substrat gefüllt und bepflanzt werden, oder sie werden fertig geliefert und montiert. Wasserverteilung und Düngung erfolgen über entsprechende Leitungen und ein ausgeklügeltes Steuerungssystem. Dies ist notwendig, weil die oberen Fassadenbereiche sonst schnell austrocknen und das Wachstum in den unteren Bereichen dank mehr Schatten und mehr Feuchtigkeit grösser ist.

In jedem Fall muss die vertikale Bepflanzung optimal auf Licht- und Klimaverhältnisse abgestimmt und die Bewässerung sorgfältig geplant sein. Nur so lassen sich abhängig von Pflanze und Klima vertikal optisch ansprechende, grüne Pflanzenwände komponieren, in den verschiedensten Grüntönen und mit unterschiedlichen Blütenfarben. 

Auch die althergebrachten Pflanzenkistchen, Tröge und Töpfe, in denen sich Pflanzen ziehen lassen, sind Teil der Fassadenbegrünung. Hängepflanzen bilden auf eher kleiner Fläche etwa blühende, vertikale Polster. Gerüstranker wie zum Beispiel einjährige Bohnen klettern dagegen am Balkongeländer oder an einer kleinen Kletterhilfe nach oben. Für diese Art der Begrünung braucht es meist keine speziellen baulichen Massnahmen.

Vor- und Nachteile begrünter Fassaden

Allgemein wirken grossflächige Fassadenbegrünungen isolierend, verbessern das Raumklima, schützen sowohl vor Hitze als auch gegen Kälte und haben ein gewisses Rückhaltevermögen für Regenwasser. Allerdings können fassadengebundene Begrünungen aus Konstruk­tionsgründen solche Vorzüge wohl besser erfüllen als bodengebundene Systeme. Der ökologische Beitrag für die Tierwelt bei fassadengebundenen Begrünungen ist hingegen nicht näher untersucht.

Da an solchen Fassaden spezielle Verhältnisse herrschen, sind sie nur für wenige Pflanzen- und Tierarten als ganzjähriger Lebensraum geeignet. Öfters fehlen wichtige Strukturen wie dürre Pflanzenstängel oder welke Blätter, an denen Insekten überwintern könnten. Zudem ist der natürlich gewachsene, grosszügig durchwurzelbare Boden ein wichtiger Bestandteil im gesamten ökologischen Haushalt. Nur hier kommen Mikroorganismen vor, die verwelkte Blätter und Blüten, abgestorbene Wurzeln und andere Pflanzenteile zu Humus umwandeln und viele andere Tiere mit einem Nahrungsangebot beliefern.

Die verfügbaren Systeme vereinfachen das Erstellen von fassadengebundenen Begrünungen. Trotzdem bleibt der Aufwand für Planung, Realisierung und Pflege relativ gross. Allenfalls lässt sich dies kompensieren, wenn die nicht sichtbaren Fassadenabschnitte nur reduziert gestaltet werden. Zudem sind keine Erfahrungswerte bekannt, wie solche Begrünungen und die Bewässerungsanlagen einen frostreichen, kalten Winter überstehen. Deshalb aber auf Fassadenbegrünungen zu verzichten wäre sicher falsch. 

Was kann schiefgehen?

Jede Pflanzenart hat ihre Standortpräferenzen, bevorzugt Sonne oder Schatten, braucht mehr oder weniger Nährstoffe und ist auf eine passende Kletterhilfe angewiesen, wenn es sich um bodengebundene Begrünung handelt. Selbstklimmer brauchen riss- und fugenlose Wände, da sie sonst Schäden verursachen können. Bei Aussenisolationen muss die Verankerung der Kletterhilfe thermisch durchdacht werden, um Wärmebrücken zu vermeiden.

Zudem müssen die Material aufeinander abgestimmt sein. Metallene Kletterhilfen halten eher weniger lang als hölzerne und fallen unbewachsen weniger auf. Einmal bewachsen, wirkt Holz hingegen stimmiger in Kombination mit den Pflanzen. Zentral für alle Varianten einer Fassadenbegrünung ist die Standortwahl: Licht, Wind und Wetter bestimmen hauptsächlich das Pflanzenwachstum und können durch die Umgebung, den Schattenwurf oder die Sonnenlichtreflexion von Nachbarbauten stark beeinflusst werden.

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