Nor­men als Par­ti­tur der Bau­kul­tur

Schränken Normen per se Innovation und ­Kreativität der Planenden ein? Markus Friedli, Leiter Normen des SIA, ist überzeugt, dass dem nicht so ist. Gedanken zur Entwicklung der Normungspolitik 2017–2020.

Publikationsdatum
10-03-2016
Revision
10-03-2016

Im Leitbild zur Entwicklungsphase der SIA-Normungspo­litik 2017–2020, die an der kommenden SIA-Delegiertenversammlung in Zug am 22. April 2016 zur Abstimmung kommt, geht es nicht zuletzt um die Frage, wie wirksam die derzeitige Normungspolitik ist. 

Als der Verfasser dieses Beitrags im Sommer 2015 begann, die Fassung der Normungspolitik für den Zeitraum der nächsten vier Jahre zu erarbeiten, war eines schon zu Beginn der Überlegungen klar: Unabhängig vom inhaltlichen «Was» und «Wie» ist ein blosses Fortschreiben des Bisherigen weder hinsichtlich der aktuellen und der sich abzeichnenden kommenden Herausforderungen noch als Ideen- bzw. Konzeptträger vertretbar − allein schon wegen der bereits in den letzten Jahren eingetretenen Veränderungen.

Vielmehr stehen drängend grund­sätzliche Fragen an: Braucht es künftig überhaupt noch eine Normungspolitik des SIA? Oder ist dieses strategische Instrument angesichts der digitalen Revolution, des «Building Information Modeling» und anderer in kurzen Intervallen eintretender Umbrüche obsolet? Gibt es noch feste Punkte der Übereinkunft im Sein und Tun für die vielseitige (Bau-)Gemeinschaft des SIA? 

Die Antwort auf eine solch ungeklärte Perspektive liegt darin, dass gerade sie nach agilen Systemen und konzeptionellen Setzungen verlangt. Normen und Ordnungen sind kein Heiligtum oder Selbstzweck, sondern Handlungshilfen und Werkzeuge im Planen und Bauen auf der Höhe der Zeit; sie lösen planerische Aufgaben und sind ein technischer, gesellschaftlicher und kultureller Parameter. 

Eine gemeinsame Sprache

Das führt dazu, dass in der Normungspolitik 2017 bis 2020 noch einmal grundsätzlich definiert wird, was eine Norm ist und wie sie erarbeitet wird, wie das SIA-Normenwerk aufgebaut ist und wie der SIA seine Normen pflegt. Oder anders verstanden: Normen bilden eine möglichst klare, nachvollziehbare und praxisorientierte Verständigungsgrundlage – eine gemeinsame Sprache aller Baubeteiligten.

Sprachen sind ein Kulturgut – Normen sind Lehrgerüste der Baukultur! Wird dieses Axiom richtig verstanden und gelebt, so gleichen Normen der Partitur zu einer Musik; sie zeichnen die Li­nien auf, auf denen der Bauherr, der Architekt und Ingenieur oder Unternehmer als Baukulturschaffender seine «Noten» setzt und eine Melodie spielt – ob diese Musik gut ist oder nicht, liegt nicht in der Verantwortung der Normen oder der Normungspolitik. 

Normen schränken die Innovation und Kreativität von Baukulturschaffenden nicht ein!

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