«Nicht im­mer hint­an­stel­len»

Welche Aufgaben kommen dem Bauingenieur, der Bauingenieurin in unserer Gesellschaft heute zu? Wie ist das Verhältnis zwischen Ingenieur und Architekt? Wie sollte es sein? Auf diese und andere Fragen geht Klaus Stiglat im Buch «Bauingenieur? Bauingenieur!» ein.

Publikationsdatum
15-04-2013
Revision
25-10-2015

In Aufsätzen, Vorträgen und einem Essay macht sich Klaus Stiglat Gedanken zum Beruf Bauingenieur – untermalt mit eigenen Freihandzeichnungen in der Buchmitte. Das erste Referat hielt Stig­lat bereits vor 22 Jahren, dennoch enthält es aktuelles Gedankengut und wirft Fragen auf, die Bauingenieure heute noch täglich beschäftigen (sollten). Exemplarisch dafür stehen folgende Zitate: «… In unserem Beruf ist zunächst nicht Berechnung gefragt, sondern persönliches Stellungbeziehen, auch Zivilcourage genannt.» «Keine Statik kann eine lebhafte Fantasie bzw. die Intuition des Ingenieurs ersetzen.» Und: «Wir (die Ingenieure und Ingenieurinnen, Anm. d. Red.) sind bei Projekten, z. B. denen des Verkehrsbaus und anderen mehr, keine Neutren, wir sollten unsere Stellung nicht immer hintanstellen.»

Es sind Denkanstösse, die Ingenieure aufnehmen sollten. Genauso die kernige Aus­sage im Vortrag, den Stiglat erstmals 1992 hielt: Fachzeitschriften kennen keine eingehende Auseinandersetzung mit Ingenieurbau­werken, wie sie bei Architekten als Architek­tur­kritik besteht. Der Autor setzt sich denn auch mit einer solchen Ingenieurkritik auseinander und weist auf Aspekte hin, die für eine Beurteilung notwendig wären. Er macht sich stark dafür, dass Ingenieure ihren Stil haben: «Konstruk­tion ist die Auseinandersetzung des Inge­nieurs mit den Kräften. Auch hier könnte man von «Stilen» sprechen.» Dieses Konstatieren der fehlenden Ingenieurkritik zieht sich wie ein roter Faden durch die Kapitel. So sagt er in einem Vortrag von 2006: «Unsere Werke werden der Architekturkritik unterzogen, obwohl es dieser an Verständnis und Vokabular für einen zutreffende Gesamtbewertung ermangelt. Wir selbst äussern uns aus einem Blickwinkel der kritischen Betrachtung nicht. (…) Erst eine seriöse, fundierte Kritik, die ja wahrlich nicht als Nestbeschmutzung zu ­sehen ist, wiese auf uns hin.» Wer sich also darstellt, der wird wahrgenommen.

Im Essay vom Februar 2012, dem letzten Kapitel, setzt er sich schliesslich – als ehema­liger Schriftleiter der Zeitschrift Beton- und Stahlbetonbau – konkret mit der Ingenieurkritik auseinander und beurteilt ausgewählte Brücken. Er schreibt ein Plädoyer für die Konstruktionskritik an Tragwerken und schliesst mit den Worten: «Unser nicht messbares, von der Person, dem Zeitgeist, dem Kulturkreis und der Erziehung geprägtes Gestaltungsvermögen ist das Gleichgewicht zur Theorie; beides zusammen, Inneres und Äusseres, ergeben ein stimmiges Werk. Darüber müssen wir berichten und auch streiten.»

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