«Mit un­se­ren Stof­fen kann man Ge­schich­ten bau­en»

Textilien für gehobene Ansprüche

Der St. Galler Textilhersteller Jakob Schlaepfer ist bekannt für seine opulenten Dessins. Die Produkte sieht man auf roten Teppichen ebenso wie auf Sofas. TEC21 sprach mit Kreativchef Bernhard Duss über Mode, Verrücktheit und die Grenzen der Kreativität.

Publikationsdatum
23-06-2016
Revision
23-06-2016

TEC21: Herr Duss, seit vergangenem September sind Sie für die Interior-Kollektion bei Jakob Schlaepfer zuständig. Wodurch zeichnen sich die Textilien Ihres Unternehmens aus? 

Bernhard Duss: Jakob Schlaepfer gibt es ­seit 1904. Wir sind eigentlich ein Kleiderstoffhersteller, arbeiten für Haute Couture und Pret-à-porter Lux und kommen aus der Tradition der St. Galler Stickerei. Ende des 19. Jahrhunderts hat man hier die maschinelle Spitzenherstellung erfunden.

In den 1960er-Jahren haben die damaligen Inhaber Jakob Schlaepfer zu einem Unternehmen für luxuriöse Haute-­Couture-Stoffe entwickelt und vor allem angefangen, Pailletten maschinell zu sticken. Dafür sind wir bis heute bekannt. Wir waren aber schon immer nicht nur ­auf Stickerei fokussiert, decken ein breites Feld ab: ­Wir mischen die Techniken, kombinieren sie neu und entwickeln auch unsere eigenen Maschinen. Bei uns geht es darum, alles zu nutzen, was man für die Textilgestaltung brauchen kann.

TEC21: Neben den Stoffen für die Haute Couture bieten Sie seit 2008 auch eine Interior-Kollektion an. Was sind die Unterschiede zur Mode?

Bernhard Duss: Alle unsere Kreationen haben einen starken Hintergrund in der Mode. Bei uns im Haus gibt es keine Konkurrenz und keine Berührungsängste zwischen den Ressorts, unsere Textildesignerinnen sind jeweils in beiden Bereichen tätig. Dementsprechend gibt es viele Stoffe, die ihren Anfang in der Mode gefunden haben und dann für den Wohnbereich adaptiert wurden – aber auch umgekehrt.

Generell muss es bei den Einrichtungsstoffen etwas robuster sein, wegen der längeren Haltbarkeit. Aber wir machen hier auch verrückte Sachen, alles andere gibt es ja schon zur Genüge. Wenn sich Leute für unsere Stoffe entschliessen, dann suchen sie das Luxuriöse. Unsere Produkte werden oft als Eyecatcher verwendet, in Kombination mit etwas Einfachem. Im Einrichtungsbereich sind wir mit einer Kollektion pro Jahr eher klein. Eine Kollektion beinhaltet etwa zehn Neuheiten, sowohl bei den Stoffen als auch bei den Tapeten.

TEC21: Wo werden die Stoffe hauptsächlich eingesetzt?

Bernhard Duss: Vorwiegend im Dekobereich. Unser Angebot reicht von Stoffen mit Stickereien über Metallstoffe aus verwebten Drähten zu Besonderheiten wie ­Reflektormotiven auf Seidentaft, die sich je nach Licht und Standpunkt verändern. In der aktuellen Kollek­tion haben wir auch einen Stoff mit einer Gravur auf Reflektormaterial oder transparente Vorhänge aus superleichtem, mit Aluminium oder Messing beschichtetem und zusätzlich bedrucktem Monofil­gewebe. Mit 10 g/m2 ist es das leichteste Gewebe, das es gibt.

Ein Schwerpunkt liegt auf der Paillettenstickerei für Interieurs. Unsere Pailletten sind Eigenentwicklungen. Wir verwenden eine grosse Auswahl an Pailletten, mit unterschiedlichen Farben und Oberflächen, matt, strukturiert oder holografisch glänzend. Mit unseren Stoffen kann man Geschichten bauen.

TEC21: Sie haben vorher die Tapeten erwähnt. Worum geht es da?

Bernhard Duss: Seit 2010 führen unsere eigene Tapetenkollektion, unter anderem inspiriert von den Bildtapeten des 19. Jahrhunderts, die wir neu interpretieren. Dafür arbeiten wir mit drei unterschiedlichen Grundmaterialien: einem matten Vlies, einer gesprenkelten Hologrammfolie und einer stark holografierenden Oberfläche. Alle Muster können wir auf alle Ober­flächen drucken. Daneben entwickeln wir vermehrt projektbezogene Tapeten auf Kundenwunsch, vor allem für den Objektbereich.

TEC21: Die Textilien sind sehr opulent, oft auch verspielt und wirken wie Haute Couture für die Wohnung. Wie gehen sie mit Sicherheitsnormen um, die im Hinblick auf die Kreativität eher bremsend wirken? 

Bernhard Duss: Da gibt es eine Grenze. Wir werden immer wieder gefragt, ob es diesen oder jenen Stoff auch flammhemmend in Trevira CS gibt.Wir haben einige wenige im Programm, aber bei vielen unserer Techniken lässt sich das nicht umsetzen. Trotzdem findet man unsere Stoffe auch in öffentlichen Bereichen. Es kommt darauf an, wo und wie sie eingesetzt werden. 

TEC21: Inwiefern ist Nachhaltigkeit bei Ihnen ein Thema?

Bernhard Duss: Unser Beitrag besteht in der langen Nutzungsdauer, den kurzen Wegen und der regionalen Wertschöpfung. Aber will man wirklich nachhaltig sein, bekommt man nicht all diese Farb- und Material­explosionen. Die Umweltfreundlichkeit von Textilien aus Recyclingmaterial ist wegen der dabei verbrauchten grauen Energie ohnehin umstritten. Unsere Produkte sind nachhaltig, weil man gezielt kauft und sie lang behält. 

TEC21: Gibt es aktuelle Forschungsprojekte?

Bernhard Duss: Momentan haben wir haben ein Forschungsprojekt mit der Hochschule für Kunst und Design Luzern zum Thema «Dreidimensionaler Farbauftrag auf Stoff». Daraus ist unser neuestes Produkt «hyper­tube» entstanden, Stoffe für die aktuelle Haute-Couture-Kollektion: Es handelt sich um Spitzenmotive in Schwarz oder Weiss, die aus Silikon gespritzt werden – eine zeitgenössische Neuinterpretation der St. Galler Spitze.

Ende Mai hat an der Oberen Zäune 6 in Zürich der Showroom von Jakob Schlaepfer mit Stoffen und Tapeten aus der Interior-Kollektion eröffnet.
Öffnungszeiten: Di–Fr 10–18.30 Uhr, Sa 10–16 Uhr.
Weitere Infos: jakobschlaepfer.com

Magazine

Verwandte Beiträge