Mehr Si­cher­heit in Tun­neln

Kompetenzzentrum International Fire Academy

Bereits bei der Planung von Tunnelanlagen können die ­Einsatzbedingungen für Feuerwehren optimiert werden. Das Know-how, welche Parameter ­­für die Intervention bei Bränden in unterirdischen ­Verkehrsanlagen von ­Bedeutung sind, ist bei Planern gefragt. 

Publikationsdatum
28-04-2016
Revision
28-04-2016

Zwei Aspekte sind bei der ­Sicherheit von Tunnelan­lagen zu unterscheiden: die Fluchtmöglichkeiten für Tunnel­nutzer (Selbstrettung) und die Einsatzbedingungen für Ereignisdienste wie Feuerwehren (Fremdrettung).

Nach den Erkenntnissen des Ausbildungszentrums «International Fire Academy» (vgl. Kasten «Feuerwehrausbildung», unten) ist weder zu garantieren, dass sich alle Tunnelnutzer selbst in Sicherheit bringen können, noch wäre eine ­Feuerwehr mit Sicherheit in der Lage, alle Tunnelnutzer zu retten. Daher braucht es das Zusammenspiel beider Prinzipien: Je mehr Menschen sich selbst retten können, desto geringer und damit besser zu bewältigen ist die Rettungslast für die Feuerwehren. 

Detektion, Lüftung, Zugang 

Rauch und die Rauchausbreitung stellen für Tunnelnutzer bei einem Brand in einem Tunnel die grösste Gefahr dar. Denn im Brandrauch kann jeder nächste Atemzug tödlich sein. Daher kommt es im Einsatz tatsächlich auf jede Sekunde an. Dies gilt umso mehr, als Fluchtwege sowie die Rettungs- und Angriffswege der Feuerwehren im Tunnel deutlich länger sind als in gewöhnlichen Gebäuden – mehrere hundert  statt mehrere zehn Meter. 

Um die Bedingungen für die Selbst- und Fremdrettung zu verbessern, lautet der zentrale taktische Grundsatz: Löschen, ­um zu retten. Ziel ist es, die Rauchbildung schnellstmöglich zu unter­binden. Dazu ist es erforderlich, ­den Brandherd schnell zu lokalisieren und ­ihn schnell zu erreichen.

Der Zeitbedarf hierfür wird von ­verschiedenen Parametern beein­flusst, darunter  die Art der Brand­detek­tion, das ­Lüftungsregime, die Zugangswege, ­die Kommunikation zwischen allen Akteuren der Ereignisbewältigung, die Entfernung ­und die Verkehrssituation zwischen Feuerwache und Tunnelportalen sowie die Ausstattung, das Training und die Verfügbarkeit der Einsatz­kräfte. 

Die Vielzahl der beispiel­haft genannten Variablen verdeutlicht, dass ein Einsatzkonzept individuell auf den jeweiligen Tunnel abgestimmt werden muss. Bereits beim Tunnelbau und der Ausstattung kann dazu beigetragen werden, die Einsatzabläufe zu beschleunigen bzw. unnötige Verzögerungen zu  vermeiden.

Planen für den Einsatz 

Im Einsatz können viele Details relevant sein. So entscheiden Fein­heiten bei der Montage der Wand­hydranten über die Geschwindigkeit, mit der die Schlauchleitungen angeschlossen werden können. Mit den Feuerwehren sollte auch eine eindeutige Kennzeichnung aller sicherheitsrelevanten Einrichtungen wie SOS-Nischen, Notausgänge, Wasserentnahmestellen usw. abgestimmt werden, damit Kommunikation und Koordination der Einsatzkräfte im Ernstfall schnell vonstatten gehen. 

Brennt es im Tunnel, ist ­die Orientierung überlebenswichtig. Die heute übliche optische Kennzeichnung könnte durch haptische Hilfen ergänzt werden. So empfiehlt die International Fire ­Academy deutliche bauliche Unterschiede zwischen den beiden Tunnelwänden. An den Notausgängen könnten einfache Befestigungsmöglichkeiten angebracht werden, um elastische Leinen von einer Tunnelwand zur anderen zu spannen. Dies kann vermeiden helfen, dass flüch­tende Tunnelnutzer und Feuerwehrangehö­­rige im Rauch versehentlich einen ­rettenden Notausgang überlaufen.

Die Abstände zwischen den Notausgängen sollten zudem zu den Einsatzmöglichkeiten der Feuerwehren passen – geeignet sind in der Regel 300 bis 350 m. 

Das Lüftungsregime spielt für das Vorgehen der Feuerwehren die entscheidende Rolle, da auf der Anströmseite die besten Bedingungen für den Löschangriff gegeben sind. Daher sollte die Strömungsrichtung im Tunnel – soweit gestaltbar – nicht nur unter dem Aspekt ­der Selbstrettung festgelegt werden, sondern möglichst auch den Löschangriff begünstigen.

Dazu kann ­es im Einzelfall erforderlich sein, zum Beispiel die Lage der Feuerwehrstandorte zum Tunnel und die ­Ausstattung und Verfügbarkeit der jeweiligen Feuerwehren zu berücksichtigen. Insgesamt gilt: Das optimale Zusammenspiel von auto­ma­tisierter Brandfalllüftung und dem Vorgehen der Feuerwehr ist tunnelspezifisch zu ermitteln – hierzu gibt es keine Standardlösung.


Feuerwehrausbildung

Die International Fire Academy in Balsthal ist als Feuerwehrschule auf die Taktik-, Technik- und Lehrent­wick­lung sowie die Ausbildung für Einsätze in unterirdischen Verkehrs­anlagen spezialisiert. Sie gilt als europaweit führendes Kompetenzzentrum für Brandeinsätze in Tunneln. Ausbildungspartner sind u. a. das Bun­desamt für Strassen (Astra), die Schweizerischen Bundesbahnen sowie Feuerwehrschulen und Instanzen in mehreren europäischen Ländern.

Seit 2001 erforscht das Didaktik- und Entwicklungsteam die Einsatzbedingungen für Feuerwehren bei Bränden in Tunneln. Im Austausch mit Feuerwehren in Europa wurde eine Tunnel-Einsatzlehre entwickelt, die als Fachbuch publiziert ist. 2009 startete in Balsthal und Lungern ­die Ausbildung von Feuerwehren für Tunneleinsätze. Inzwischen werden jährlich mehr als 2000 Feuerwehr­angehörige in den Tunnelübungsanlagen geschult. Die im Kern einheitliche Lehre wird in der Ausbildungspraxis für die individuelle Entwicklung der Einsatzkonzeption immer wieder diskutiert.

Beispielhafte Tunnelprojekte, die so betreut wurden, sind der 2014 eröff­nete Jagdberg-Strassentunnel (Thü­rin­­gen, D), die Schnellfahrstrecke unter anderem für den ICE-Verkehr zwischen Nürnberg und Erfurt (D), ­der dop­pelstöckige Koning-Willem-Alexan­der-Strassentunnel in Maas­tricht (NL), der Mont-Blanc-Strassentunnel (F / I), der Brennerbasistunnel (A) in der laufenden Bauphase, der Gotthard-Basistunnel und Flughäfen mit ihren Zufahrts- und Transportwegen wie Schiphol (NL), Zürich und Berlin.

Durch die Betreuung unterschiedlichster Projekte wächst das Wissen über Einflussfaktoren für die Intervention bei Tunnelbränden konti­nuierlich. Inzwischen setzen auch Planer auf den Austausch mit den Experten an der International Fire Academy. In Workshops, bei Besich­tigungen und im Gespräch werden Tunnelprojekte aus der Perspektive der Intervention betrachtet. Eines der jüngeren Beispiele: Fachgespräche zur Fehmarnbelt-Querung (D/DK).


Weitere Informationen

Fachbuch zur Tunnel-Einsatzlehre:
Brandeinsätze in Strassentunneln. Taktik – Technik – Hintergrund.
www.tunnelbrand.info

Tunnelkongress vom 15. bis 17. Juni 2016 im KKL Luzern und bei verschiedenen Baustellen. Am Tunnelkongress gibt es unter anderem den Fachvortrag:
«Schaffen von optimalen Voraussetzungen für Rettungskräfte für den ­Fall eines Brandereignisses in einem Tunnel», Mittwoch, 15. Juni 2016, 15.45 Uhr.
www.swisstunnel.ch/de/swiss-­tunnel-congress

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