Kunst der Deu­tung

Kolumne

Publikationsdatum
12-05-2016
Revision
12-05-2016

Was will mir dieses Kunstwerk in der Basler Altstadt sagen? Ratlos starre ich es an. Es steht direkt vor einem Gebäude. Ist es Kunst am Bau? Dann müsste ich als Architekturkritikerin mir eine Meinung dazu bilden. Doch mit Kunst am Bau ist es so eine Sache. Was ist das überhaupt? Repräsentative Motive an einem Gebäude gelten als Ornament, was in strengen Schweizer Architekturkreisen selten als Kompliment gemeint ist. Moderne Kunst darf nicht gefällig sein – das Wort «schön» ist eh tabu –, sondern muss eine kritische Auseinandersetzung widerspiegeln. Am Bau allerdings ist Kritik ebenso unerwünscht wie Zierde. Ein Werk wiederum, das ohne thema­tischen oder gestalterischen Zusammenhang appliziert ist, wirkt austauschbar.

Die Kunst soll sich also auf den Bau beziehen, heisst es; doch nur subtil, um ihm eine neue kulturelle Dimension zu verleihen. Aber welche kulturelle Dimension soll ich denn hier erkennen? Arte Povera versus Barock? Überhöhte, doch gefesselte Kunst? Aussenisolation auch für Säulenheilige? Ist das schiefe Podest etwa symbolisch zu verstehen? Immer noch ratlos und zunehmend auch gestresst umkreise ich das Ding … und atme endlich auf: Es ist ein eingepackter Kandelaber. Ein Nachbarhaus wird umgebaut, und er muss geschützt werden.

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