Kom­pakt, ver­lust­arm

Latente Speicher

Die latente Wärmespeicherung ist ein altbekannter und doch zeitgemässer Ansatz, um Energie kompakt zu speichern. Spannend daran ist, dass sich die Temperatur im Speicher beim Be- und Entladen nicht ändert. 

Publikationsdatum
20-11-2015
Revision
27-11-2015

Heutzutage werden für Gebäude vor allem Wasserspeicher zur (sensiblen) Speicherung thermischer Energie genutzt. Wird einem Wasserspeicher Energie zugeführt, erwärmt sich das Wasser im Speicher. Dem (je nach Dämmung des Speichers) mit der Zeit auskühlenden heissen Wasser kann die Energie später wieder entnommen werden, wobei sich dadurch die Temperatur des Wassers wieder senkt. Nachteilig bei dieser Technologie sind das grosse notwendige Speichervolumen und die damit verbundenen Kosten. 

Deutlich weniger Platz beanspruchen Latentwärmespeicher, die thermische Energie kompakt bei konstanter Temperatur speichern. Wie aber kann thermische Energie gespeichert werden, ohne dass sich dabei die Temperatur eines Mediums verändert? Die Antwort liegt in der Ausnutzung des Phasenüberganges des ­Materials, meistens von fest zu flüssig.

Der Spei­chereffekt eines Latentwärmespeichers kann mit einem Eiswürfel veranschaulicht werden: Wird ein Eiswürfel erwärmt, indem man ihm thermische Energie zuführt, erhöht sich die Temperatur des Eises, bis exakt 0 °C erreicht sind. Wird dem Eiswürfel weiter thermische Energie zugeführt, nimmt dieser die Energie auf und beginnt zu schmelzen, ohne dass seine Temperatur von 0 °C abweicht. Die während des Schmelzens aufgenommene Wärme wird als latente Wärme bezeichnet.

Erst wenn das ganze Eis geschmolzen ist, erhöht sich die Temperatur des jetzt flüssigen Wassers bei weiterer Energiezufuhr. Technisch interessant ist, dass der Eiswürfel während des Schmelzens vergleichsweise viel Energie aufnehmen kann. Ein Liter Eis nimmt während des Schmelzprozesses gleich viel Energie auf wie ein Liter flüssiges Wasser, welches von 0 °C auf 80 °C erwärmt wird.

Latentwärmespeicher nutzen den Phasenübergang des Speichermaterials, um Energie in einem sehr engen Temperaturintervall zu speichern. Da die Wärme so zu- oder abgeführt werden kann, ohne dass sich die Temperatur des Speichers markant ändert, wird thermische Energie kompakt gespeichert. In Latentwärmespeichern kann im Bereich des Phasenübergangs daher signifikant mehr thermische Energie pro Volumen gespeichert ­werden als mit einem sensiblen Wasserspeicher.

Materialien, die in Latentwärmespeichern eingesetzt werden, bezeichnet man als Phasenwechsel­materialien oder Phase Change Materials (PCM). Wird dem Latentwärmespeicher thermische Energie zugeführt, verflüssigt sich das PCM, um wieder zu erstarren, sobald dem Speicher Wärme entzogen wird. 

Das Eisspeichersystem – der älteste ­Kältespeicher

Latentwärmespeicher in der Gebäude- und Prozess­technik sind heute Gegenstand der Forschung und Entwicklung. Eisspeicher sind Latentwärmespeicher, bei welchen als PCM Wasser mit einer charakteristischen Speichertemperatur von 0 °C und einem Speicher­vermögen von ca. 90 kWh/m3 verwendet wird.

Schon vor über hundert Jahren wurde Wasser als Speichermaterial eingesetzt. So stachen Brauereien im Winter Eisschollen aus den zugefrorenen Seen und lagerten diese im Keller, um im Sommer das Bier zu kühlen und länger haltbar zu machen.

Aufgrund des niedrigen Preises von Wasser können heute Eisspeicher wirtschaftlich betrieben werden. Eisspeicher bestehen aus einer wärmegedämmten Aussenhülle, aus Wärmeübertragern und aus einer Messeinrichtung zur Bestimmung des aktuellen Ladezustandes.

Das Herzstück des Speichers sind die Wärmeübertrager, über die die thermische Energie zu- oder abgeführt wird. Dabei ist es wichtig, dass die Wärmeübertrager ein grosses Verhältnis von Oberfläche zu Volumen aufweisen, wodurch ein grosser Wärme­übergang und damit hohe Leistungen resultieren.

Beim Beladen des Eisspeichers (Eisaufbau) wird eine Sole (flüssige Salzlösung) von ca. –5 °C durch die im Wasser hängenden Kunststoff-Wärmeübertragerrohre geleitet, wobei das Wasser an diesen zu einem festen Eisblock gefriert. Durch den Phasenübergang von flüssig zu fest wird die Kälte gespeichert.

Beim Entladen (Eisabschmelzung) fliesst warme Sole (5 bis 7 °C) durch die Wärmeübertragerrohre, wodurch das Eis zu schmelzen beginnt. Dadurch wird die Sole gekühlt, und die Kälte steht für die gewünschte Anwendung zur Verfügung. Um diesen Vorgang zu beschleunigen, kann zusätzlich während des Schmelzvorganges Luft von unten in den Speicher eingeblasen werden.

Durch die so entstehende Bewegung des ­flüssigen Wassers kann die Wärme einfacher zu den Wärmeübertragerrohren geleitet werden. Falls eine sehr hohe Entladeleistung erwünscht ist, wird das entstehende Schmelzwasser direkt abgezogen und zum Verbraucher geführt. Die Austrittstemperatur kann so bei ca. 0 °C sehr tief gehalten werden.

Schweizer Eis kühlt Paris 

In Paris wird das Fernkältenetz seit 2008 (insgesamt 44 MW Kälteleistung) mit Eisspeichern aus Biel1 betrieben. Die Latentwärmespeicher werden in erster Linie zum Absenken der Netztemperatur von 4 °C auf 2 °C eingesetzt. Durch das Zuschalten des Eisspeichers kann die übertragene Leistung bei gleich bleibendem Durchfluss in bestehenden Leitungen erhöht werden.

Ebenfalls dienen die Speicher als Reserve bei Ausfall einer Kältemaschine und als Puffer für die hauptsächlich am ­späten Nachmittag auftretenden Lastspitzen im Fernkältenetz. Dadurch können die Kälteanlagen konstant im effizienten Bereich arbeiten. Die Jahresarbeitszahl der Kälteanlagen kann gesteigert werden, indem die Lastspitzen durch die Eisspeicher abgedeckt werden. 

Ebenfalls sind zwei der Kältemaschinen so konstruiert, dass sie nachts Eisspeicher bei –5 °C laden. Diese Auslegung erlaubt, weitere Kühlkapazitäten zu schaffen. Die Kältemaschinen können so während Niederstrom­tarifzeiten die Eisspeicher laden. Dadurch verringert sich der Elektrizitätsbezug mit resultierenden niedrigeren Investitions- und Betriebskosten.

Anmerkung

1 Firma FAFCO S.A.


Latentwärme­speicher mit erweitertem Temperaturbereich

Latentwärmespeicher sind ein zentrales Forschungsthema des Kompetenzzentrums Thermische Energiesysteme und Verfahrenstechnik (CC TEVT) der Hochschule Luzern – Technik & Architektur. Beispielsweise werden in Zusammenarbeit mit Speicherherstellern neuartige Latentwärmespeicher mit Speichertemperaturen, die sich von 0 °C (Eisspeicher) unterscheiden, entwickelt.

Mit den neuen Latentwärmespeichern sollen Kapazitäten von bis zu 10 MWh und Leistungen von 500 kW erreicht werden. Die neuen Speicher sollen aber auch für kleinere Anwendungen eingesetzt werden können. Drei spezifische Anwendungsgebiete wurden hierfür definiert:

Tieftemperaturanwendungen

Für einige Kühlprozesse ist die Speichertemperatur der Eisspeicher von 0 °C zu hoch. Diese Prozesse benötigen Vorlauftemperaturen im Bereich von –10 °C bis –5 °C. Speziell die Lebensmittelindustrie ist ein Markt mit sehr hohem Potenzial. Aber auch bei Eishallen sind Latentwärmespeicher mit tiefen Speichertemperaturen anwendbar. Für die genannte Anwendung sind als Phase Change Materials (PCM) vor allem Salz­hydrate vorgesehen. Sie zeichnen sich durch eine sehr hohe Energiedichte aus.

Raumklimatisierung

Eisspeicher werden heute in vielen Fällen zur Raumklimatisierung eingesetzt. Allerdings ist es energetisch ­betrachtet sinnvoll, die Speichertemperatur von 0 °C zu erhöhen. Dies würde den Temperaturhub der Kälteanlage verkleinern und somit ihre Effizienz erhöhen. Kältemaschinen und andere Anlagebauteile müssen so nicht auf unnötig tiefe ­Temperaturen ausgelegt werden. Für Latentwärmespeicher zur Raumklimatisierung werden Speichertemperaturen von 10 °C angestrebt. Dabei bietet eine Speichertemperatur von 10 °C sowohl beim Heizen wie auch beim Kühlen Vorteile.

Beim Kühlen muss ein Kühlaggregat, um den Speicher mit Eis zu füllen, nicht bis –5 °C kühlen, sondern nur bis 5 °C, was den Energieverbrauch um bis zu 30 % senkt. Zudem macht es wenig Sinn, Luft zuerst auf 0 °C zu kühlen, um sie dann wieder aufzuwärmen, damit sie mit ca. 17 °C den Raum kühlen kann. Zum Heizen andererseits kann beispielsweise der Speicher in Kombination mit einer Wärmepumpe genutzt werden, um eine Bodenheizung mit einer Vorlauftemperatur von 35 °C zu betreiben.

Die Wärmepumpe hebt thermische Energie vom Speichertemperaturniveau auf die 35 °C an. Erhöht man die Speichertemperatur von 0 °C auf 10 °C, kann mit derselben elektrischen Leistung bereits ungefähr 40 % mehr thermische Leistung zur Bodenheizung «gepumpt» werden.

Solarwärme

In Gebäuden, auf deren Dächern Solarkollektoren zum Heizen und zur Warmwasserbereitung installiert sind, werden heute üblicherweise sogenannte Pufferspeicher eingesetzt, um die am Tag aufgenommene Sonnenenergie nachts an das Haus abzugeben. Dabei handelt es sich um einen Wassertank, in welchem die thermische Energie das Wasser im Tank aufwärmt. Durch geschickte Anordnung von Wärmeübertragern im Behälter nutzt man die Temperaturabhängigkeit der Dichte, um das Wasser geschichtet nach Temperatur anzuordnen.

Mögliche ungünstige Strömungsführungen und Vermischungseffekte können die Effizienz des Speichers negativ beeinflussen. Eine Speicherung auf einem festen Temperaturniveau kann hier grosse Vorteile bieten. Die Nutzung von latenter Wärme im Intervall zwischen 50 und 55 °C ermöglicht zudem eine kompaktere Bauweise, da sie eine höhere volumenspezifische Speicherdichte vorweist als herkömmliche Pufferspeicher.

Für die genannten Anwendungen werden momentan an der Hochschule Luzern Latentwärmespeicher entwickelt. Es wurden über 100 potenzielle PCM im neuen Analyselabor der Hochschule Luzern getestet und analysiert. Besonders die Quantifizierung von Grössen wie Phasenwechseltemperatur, Pha­senwechselenthalpie (Schmelzwärme), Wärmeleitfähigkeit sowie der Stabilität sind bei der Auswahl neuer PCM von entscheidender Bedeutung. Ab Januar 2016 werden erste Referenzanlagen in Betrieb genommen. Derzeit werden dafür Erstanwender gesucht.

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