Ka­tho­disch schüt­zen

Instandsetzung von Stahlbetonbauten

Der kathodische Korrosionsschutz (KKS) ist eine für die Instandsetzung von Stahlbetonbauten wenig verbreitete Methode. Sie bietet aber ein grosses Potenzial. Das Verfahren bedingt keinen Betonabtrag und verursacht somit keine Schmutz- und Lärmemissionen, was für Gebäude während der Benutzung vorteilhaft ist. Eingebaute Sensoren ermöglichen die permanente Über­wachung der Schutzwirkung während der gesamten Nutzungsdauer.

Publikationsdatum
27-01-2012
Revision
01-09-2015

Grundsätzlich ist der Stahl im Beton durch die Alkalität eines gesunden Betons vor Korrosion geschützt. Gerade bei Einstellhallen ist aber die chloridinduzierte Korrosionsgefährdung infolge des Taumitteleintrags (Streusalz) durch die Fahrzeuge sehr hoch. Davon betroffen sind typischerweise die Zwischendecken, Stützenfüsse beziehungsweise weitere im Spritzwasserbereich liegende Bauteile.  

Funktionsprinzip

Der KKS wird als Präventiv- oder Instandsetzungsvariante bei korrosionsgefährdeten Strukturen aus Stahlbeton angewendet. Dabei werden die natürlich auftretenden Korrosionsreaktionen und somit der eigentliche Zersetzungsprozess unterbunden. Mittels eines Gleichrichters wird eine elektrische Gleichspannung zwischen einer in die Betonkonstruktion eingebrachten langzeitbeständigen Anode – zum Beispiel in Form eines Anodengitters aus beschichtetem Titan – und der zu schützenden Bewehrung aufgebracht. Der Altbeton und der allenfalls aufgebrachte Spritzbeton mit ihrem Porenwasser dienen dabei als Elektrolyt. Infolge der künstlich angelegten Spannungsdifferenz fliesst ein Schutzstrom. Dieser zwingt der Oberfläche der Bewehrung die kathodische Reaktion anstelle der natürlichweise ablaufenden Eisenauflösung auf. Ein erwünschter Nebeneffekt ist die Wanderung der negativ geladenen Chloridionen zur positiv geladenen Anode und die Realkalisierung des Betons unmittelbar um den Stahl, sodass die Bewehrungen durch basisches Porenwasser geschützt sind.

Der KKS wird nach der Installation permanent betrieben und konserviert die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme vorhandene Bewehrung. Ist die Korrosion bereits so weit fortgeschritten, dass die Tragsicherheit nicht mehr gewährleistet ist, sind zusätzliche Verstärkungsmassnahmen durchzuführen. Die elektrische Schutzspannung beträgt lediglich etwa 2 V, und der benötigte elektrische Strom zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes ist mit ca. 10 mA/m2 gering. Durch die im Bauwerk integrierten Messsensoren ermöglicht der KKS der Bauherrschaft jederzeit eine Aussage über den aktuellen Zustand des Bauwerks. 
Der bei konventionellen Instandsetzungsvarianten notwendige Materialersatz des chloridhaltigen oder karbonatisierten Betons entfällt. So verkürzt sich der Bauablauf zeitlich, und die Lärmemissionen sind weniger intensiv. Beim Einsatz des KKS kann häufig auf eine Oberflächenabdichtung über die gesamte Lebensdauer verzichtet werden. 

Altbewährt

 

Der erste Einsatz eines KKS-Systems erfolgte an Schiffsrümpfen – allerdings als passiver KKS mit Opferanode. Dieses klassische Verfahren, bei dem unedlere Werkstoffe das Bauteil schützen und dabei als Opfer- oder Schutzanode fungieren, wird dort noch immer eingesetzt. Vor über 100 Jahren wurde diese Korrosionsschutztechnik auf Rohrleitungen der Wasser- und Gasversorgungsysteme übertragen. Der KKS ist heute bei Hochdruckgasleitungen gesetzliche Pflicht. Vor über 30 Jahren wurde schliesslich das Funktionsprinzip auch für Korrosionsprobleme bei Stahlbetonkonstruktionen eingeführt. Die ersten Objekte in der Schweiz wurden Ende der 1980er-Jahre mittels KKS instand gesetzt. Neben dem Gotthard-Vortunnel zählen über 40 weitere Stahlbetonkonstruktionen zu den ausgeführten Objekten in der Schweiz. In Skandinavien, England, den USA oder auch den umliegenden Ländern wird der KKS aktuell bedeutend intensiver genutzt.  

Beispiele aus der Praxis

Zwei Praxisbeispiele aus Süddeutschland illustrieren den Einsatz von KKS. In der Tiefgarage der kommunalen Unfallversicherung Bayern in München zeigte sich bei einer Zustandsuntersuchung ein deutlich erhöhter Chloridgehalt der Bodenplatte. Die intensive Nutzung der Tiefgarage, der ungenügende Schutz der Betonoberfläche und das Oberflächenentwässerungssystem waren dafür verantwortlich. Da sich die Tiefgarage im gespannten Grundwasser befindet, stellt die Bodenplatte ein zentrales Bauteil für das gesamte Gebäude dar. Aus statischen Überlegungen (Druck aus dem Untergrund) hätte ein konventioneller Betonersatz (Freilegung der oberen Bewehrung) nicht ohne massive provisorische Abspriessungen ausgeführt werden können. Durch den Einsatz des KKS-Systems (Bandanoden in bestehender Betonüberdeckung eingeschlitzt) konnte eine wirtschaftliche und deutlich zeitoptimierte Instandsetzungsvariante realisiert werden.

Bei der kürzlich abgeschlossenen Instandsetzung der Tiefgarage der Volksbank Freiburg in Titisee-Neustadt standen die chloridhaltigen Stützenfüsse im Vordergrund. Bis zu einer Höhe von etwa 60 cm war die Chloridbelastung stark erhöht. Im Bereich darüber nahmen die Belastungswerte deutlich ab und waren nicht mehr kritisch. Die Bewehrung in der Bodenplatte hat bei diesem Objekt nur eine konstruktive, also keine statische Bedeutung. Die Fahr- und Stellplatzflächen auf der Bodenplatte mussten daher nicht in das Instandsetzungskonzept integriert werden. Die intensive Nutzung der Parkflächen sowie des gesamten Gebäudes erforderte eine möglichst kurze und lärmemissionsarme Instandsetzung. Der Einsatz des KKS ermöglichte eine Instandsetzung ohne Höchstwasserdruckstrahlarbeiten (Betonabtrag mit etwa 2500 bar Wasserdruck), was von der Bauherrschaft sowie den Nutzenden aufgrund 
der deutlich geringeren Lärmbelastung geschätzt wurde. Des weiteren konnten komplexe, kosten- und zeitaufwendige provisorische Massnahme zur Abstützung der hoch belasteten Stützen vermieden werden. Infolge des Einsatzes von Stabanoden, die ins Innere der Stützen eingebaut wurden, blieben die Durchfahrtsbreiten erhalten, und es ist trotzdem ein einwandfreier Korrosionsschutz sichergestellt. 

Magazine

Verwandte Beiträge